Der Flugplatz im niedersächsischen Hodenhagen ist für eines bekannt: hervorragende und international geschätzte Restaurierungen von historischen Luftfahrzeugen durch die dort ansässige Classic Aviation Company unter der Federführung von Manfred Rusche. 2013 gewann eine von ihm restaurierte L-39 Albatros beim EAA AirVenture in Oshkosh den Preis für den besten Jet des Treffens. Ein weiteres Highlight in der Sammlung der Classic Aviation Company ist die 1947 gebaute Cessna 140, die 2009 in Arizona erworben und in den folgenden Jahren zu einer der schönsten ihrer Art restauriert wurde. Auch diese Einmot wurde schon mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich die Privatluftfahrt in Aufbruchstimmung. Die enormen Entwicklungsschritte während des Kriegs, weg vom stoffbespannten Doppeldecker hin zu den ersten Düsenjets, ermöglichte auch der zivilen Luftfahrt, viele der Neuerungen in die Konstruktionen einfließen zu lassen. Da die Industrie mit einer großen Nachfrage nach Flugzeugen für die Allgemeine Luftfahrt rechnete, entwarf auch Cessna ein einfaches und vergleichsweise preisgünstiges Modell. Am 28. Juni 1945 startete die Cessna 140 in Wichita zu ihrem Erstflug. Am Steuer befand sich der legendäre Cessna-Testpilot Mort Brown. Er war von 1937 bis 1972 Chefpilot und verantwortlich für die Erst- und Testflüge aller Maschinen, die das Werk in Wichita verließen. Der Jungfernflug mit der NC41682 dauerte 25 Minuten und verlief ohne Beanstandungen. Jedoch gab es im Anschluss noch einige Dinge zu ändern – angefangen bei der Befestigung und der Stabilität des Hauptfahrwerks über die Lärmreduzierung bis hin zur Überarbeitung der Kühllufteinlässe. Dies waren nur ein paar der Änderungen, die der Prototyp bis zur Serienreife erfuhr. Das Problem mit dem ursprünglich sehr schweren Federstahlfahrwerk wurde durch den Einbau einer zweiteiligen Konstruktion gelöst. Die Konstruktionsmerkmale des neuen Flugzeugs wichen von den bisherigen Schöpfungen des Hauses Cessna stark ab. Die 140 war ein Schulterdecker, und der Rumpf war in Ganzmetall-Bauweise gefertigt.
Am 8. März 1946 begann die Serienproduktion der Einmot. Die 140 war im Vergleich zur gleichzeitig erschienenen 120 luxuriös ausgestattet. Neben Landeklappen und zusätzlichen hinteren Seitenfenstern verfügte sie über ein komplettes Batteriebordnetz, versorgt von einem Delco-Remy-Generator. Das erlaubte dem Besitzer ein Funkgerät, Navigationsausrüstung, Landescheinwerfer und einen Anlasser einzubauen. Ausgestattet war die 140 ebenso wie ihr Schwestermodell mit dem luftgekühlten Vierzylinder-Boxermotor Continental C-85-12F mit 63 kW (85 PS). Während der Weiterentwicklung zur Cessna 140A wurde ein C-90 mit 66 kW (90 PS) verwendet.
Die Unterscheidung zwischen einer 140 und einer 140A fällt leicht. Verfügte die ursprüngliche Variante noch über die doppelte V-förmige Flügelverstrebung, wurde diese in der A-Version durch eine einrohrige Abstützung ersetzt. Bei den späteren Modellen ersetzte der Hersteller die Stoffbespannung der Tragflächen durch eine Aluminiumbeplankung. Der Verkaufspreis betrug bei Markteinführung 2995 Dollar. Zwischen 1946 und 1951 liefen 7664 Exemplare der verschiedenen Versionen vom Band.
Im August 1947 verließ die 140er der Classic Aviation Company das Werk in Wichita. Serienmäßig ausgestattet mit dem 85-PS-Motor, wurde sie an einen Airpark in Oklahoma geliefert. Dort flog sie bis 1950 nahezu 1000 Stunden, während sie in den Folgejahren bis 2009 aufgrund zahlreicher Besitzerwechsel und langer Liegezeiten nur rund 800 Stunden in der Luft war.
Während dieser Zeit erhielt die NC1872V einige mehr oder weniger sinnvolle Modifikationen. Der Einbau eines stärkeren Motors führte zu einer deutlichen Verbesserung der Flugleistungen. Der von Cessna freigegebene Continental O-200A verfügt über 74 kW (100 PS) Leistung und verbesserte auch die Flugeigenschaften der nur knapp 400 kg schweren 140 merklich. Das maximale Startgewicht beträgt nun 658 kg.
Nach dem Erwerb 2009 in Arizona wurde die Cessna von Scottsdale zu einem kleinen Flugplatz nach Minnesota geflogen. Dort wurde sie demontiert und zusammen mit einem weiteren Restaurationsprojekt, einer Howard DGA 15 P, in einen Container verladen. Auf dem Seeweg erreichte sie Europa und traf im August 2010 in ihrer neuen Heimat, dem Flugplatz Hodenhagen, ein. Dort wurde das schmucke Flugzeug vom Team der Classic Aviation, zu dem auch der damals 18-jährige Jurij Posselt gehörte, in Empfang genommen.
Einfach zu fliegen
Die Passion für die Fliegerei wurde Posselt schon in die Wiege gelegt. Im Alter von zehn Jahren war er oft als Zaungast am Flugplatz Hodenhagen. Dort sah er, wie Manfred Rusche seine Jak-11, D-FYAK beim Flugtag vorführte. In dieser Maschine einmal mitfliegen zu können war fortan sein größter Herzenswunsch. Doch dieses Erlebnis war nicht umsonst zu bekommen, und so wurde ab sofort jeder Cent gespart für die Erfüllung seines Traums. Nach fast zwei Jahren war dann die Summe zusammengespart, und der Mitflug in der Jak-11 konnte stattfinden. Der Enthusiasmus und der starke Wille des Jungen beeindruckten Manfred Rusche sehr, und so lud er Jurij ein, öfter mal im Hangar vorbeizuschauen. Gesagt, getan: Fortan verbrachte Jurij jede freie Minute dort! Anfangs putzte er die Flugzeuge (besonders von unten!) und lernte von den Mechanikern, wie man Werkzeuge benutzt. Im Lauf der Jahre entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden.
Folgerichtig begann Jurij dann 2005 die Segelflugausbildung. 2008 erwarb er mit 16 Jahren die Lizenz. Es folgten die Erweiterung für Motorsegler, PPL-A mit CVFR sowie die Nachtflugberechtigung. Auch beruflich wurde sein Weg bestimmt durch die Förderung seines Mentors. Jurij Posselt absolvierte eine Ausbildung zum Fluggerätemechaniker mit der Fachrichtung Triebwerkstechnik und arbeitet heute bei der MTU Maintenance Hannover-Langenhagen.
Nach dem Eintreffen der Cessna auf dem niedersächsischen Flugplatz wurde die Einmot erst einmal wieder zusammengebaut, da der junge PPL-A-Besitzer Jurij auch ein Flugzeug zur Erweiterung seiner fliegerischen Praxis brauchte. Die Einweisung verlief problemlos, Segelflug- und Motorseglererfahrung waren die Grundlage. Im Winter 2010/2011 begannen dann kleine Arbeiten an der Cessna. Der hintere Bereich bis zum Flügel war schnell überarbeitet. Das Cockpit sollte sich als aufwendigster Teil der Restaurierung herausstellen. So waren schon von den zahlreichen Vorbesitzern einige Umbauten und Änderungen an dem klassischen Design vorgenommen worden. Hinter der nicht mehr originalen Verkleidung fand das Team offene, ungesicherte Kabel, die teilweise noch unter Spannung standen und schnell einen Cockpitbrand hätten auslösen können. Das von den vorherigen Eignern durch zusätzliche Instrumentenausschnitte zerlöcherte Panel wurde mühevoll wiederhergestellt und die gesamte Verkabelung erneuert. Fehlende Originalinstrumente wurden gekauft und restauriert.
Heute besticht das Cockpit wieder durch seine einfache, auf das Original zurückgeführte Ausstattung. Das wunderschöne Art-Deco-Design versetzt den Betrachter zurück in die Zeit, als die Cessna ausgeliefert wurde. Zum Schluss bekamen die Sitze und Innenverkleidungen der 140 noch den Originalbezügen nachempfundene, dunkelrote Lederbezüge – ein Luxus, der in den 40er Jahren noch nicht zur Verfügung stand.
Da die Bespannung der Tragflächen noch einwandfrei war, erneuerten die Restaurateure lediglich die Lackierung mit den großen, auflackierten Kennzeichen. Dabei brachten sie auch die historische Kennzeichnung NC1872V wieder auf. Am Ende stand das mühevolle und zeitaufwendige Polieren, um die nun optisch und technisch wieder einwandfreie Cessna 140 im ursprünglichen Glanz erstrahlen zu lassen.
Seit seiner Fertigstellung ist der glänzende Flugzeugveteran auf vielen Flugtagen und Treffen in Deutschland und im benachbarten Ausland anzutreffen. Meist am Steuer: Jurij, der inzwischen gut 300 Stunden auf der Maschine geflogen ist. Ihre Flugeigenschaften beschreibt er als äußerst gutmütig. Natürlich muss man bei Seitenwindlandungen ein wenig aufpassen, wie bei jedem Spornradflugzeug. Wenn man die Maschine allerdings innerhalb ihrer Limits bewegt, verzeiht sie so gut wie alle Fehler. „Die kann sogar meine Oma fliegen! Wir haben es probiert!“, gibt Jurij mit einem breiten Grinsen an.
Seine Arbeit macht seinem Mentor sicher alle Ehre und wurde sogar schon international ausgezeichnet. Beim Cessna-Treffen in Wershofen in der Eifel gewann das silberne Glanzstück den Preis für die schönste Cessna 120/140, und im englischen North Weald gab es sogar zwei Preise: den für die schönste 120er/140er und den für das originalste Flugzeug der Veranstaltung. Die vielen Stunden des Polierens und Restaurierens haben sich damit bereits mehrfach ausgezahlt.
Wie geht es nun weiter für den heute 23-jährigen Jurij und seine „ganz besondere“ Cessna? Natürlich ist sie nicht verkäuflich. Jedes Jahr wird sie fast 100 Stunden durch die Luft bewegt. Die TT der Maschine liegt inzwischen bei 2200 Stunden, was angesichts ihres hohen Alters keine hohe Zahl ist. Sie wird weiterhin in Bestform gehalten, um auch künftig einen glänzenden Auftritt hinzulegen. Größere Arbeiten sind zurzeit nicht geplant, da sie sich in absolutem Bestzustand befindet. Jurij will sich weiterhin auf die Luftfahrt konzentrieren und erst einmal den CPL und das Instrument Rating erwerben. Inzwischen ist ein weiterer Schritt erfolgt, und er hat die ersten 15 Stunden auf verschiedenen Boeing Stearman der bei Hannover stationierten Stearman Crew absolviert. Selbstverständlich ist er noch regelmäßig im hinteren Cockpit der geliebten Jak-11 unterwegs. Diese gehört inzwischen aber nicht mehr der Classic Aviation Company. Sie wurde an Nils Holtermann verkauft und ist heute im deutschen Jak-Nest auf dem Flugplatz Rotenburg-Wümme bei Bremen beheimatet. Im August war die bullige Einmot im Programm der Airshow Breitscheid zu sehen. Mit dabei natürlich auch Jurij, der an diesem Wochenende wieder als Mechaniker fungierte. Wer weiß – vielleicht kann er irgendwann seinen Jugendtraum toppen. Er ist jedenfalls auf einem guten Weg dahin!
Technische Daten
Cessna 140 NC1872V
Spannweite: 10,16 m
Länge: 6,55 m
Höhe: 1,91 m
Flügelfläche: 14,80 m2
Leergewicht: 404 kg
MTOM: 658 kg
Tankvolumen: 95 l
VNE: 201 km/h
VNO: 169 km/h (bei 65 % Motorleistung)
VS0: 72 km/h
Steigrate: 3,5 m/s
aerokurier Ausgabe 01/2016