Gesucht wird ein flotter Viersitzer
Beim Anblick einer Cirrus oder einer Cessna Corvalis schlägt so manches Pilotenherz höher. Muster wie diese gelten als der Maßstab unter den modernen Einmots. Sie sind schnell, komfortabel und mit mehr Bildschirmen ausgestattet als so mancher Airliner. Allerdings sind sie auch teuer. Selbst die „kleinste“ Cirrus SR20 ist mit IFR-Ausstattung neu kaum unter 325.000 Euro zu haben. Auch am Gebrauchtmarkt sind die Preise entsprechend hoch.
So viel Geld für ein IFR-zugelassenes Reiseflugzeug? Eine dreiköpfige Haltergemeinschaft aus Mainz war der Meinung, dass das auch günstiger gehen muss. Mit ein wenig Eigeninitiative müsste sich da doch auch aus einem älteren Flugzeug etwas machen lassen, waren Kevin Mehling, Armin Hanus und ein weiterer Pilot überzeugt. Die drei planten, einen Nachfolger für die gemeinsame Fuji FA-200-180 zu kaufen, die mit bescheidenen 95 kts Reisegeschwindigkeit insbesondere auf längeren Touren an ihre Grenzen stieß.
2009 wurde ein Lastenheft für das gesuchte Flugzeug aufgestellt. 150 kts Reisegeschwindigkeit, eine komfortable Kabine mit beidseitigem Einstieg und eine alltagstaugliche Zuladung waren gefordert. Geplant war, ein älteres Modell mit moderner Avionik auf den Stand der Technik zu bringen. Zwei der drei Piloten sind Inhaber einer IFR-Berechtigung und verdienen ihren Lebensunterhalt im Airliner-Cockpit. Armin Hanus hingegen ist routinierter VFR-Pilot. Das Flugzeug musste also den unterschiedlichen Anforderungen aller drei Beteiligten gerecht werden.
Gute Zuladung, flotte Reisegeschwindigkeit

Fündig wurde das Trio ausgerechnet am Heimatflugplatz Mainz/Finthen. Dort stand eine US-registrierte Socata TB 20, Baujahr 1986, zum Verkauf. Sie passte genau ins Beuteschema: Der französische Tiefdecker mit Einziehfahrwerk ist mit dem 250 PS (186 kW) starken Lycoming IO-540 üppig motorisiert und bringt seine Besatzung mit flotten 150 kts Reisegeschwindigkeit ans Ziel. Die vergleichsweise unkomplizierten Flugeigenschaften überfordern auch weniger routinierte Piloten nicht.
Das Flugzeug war in gepflegtem Originalzustand und bot eine gute Basis für eine Avionikumrüstung. Erste Schritte auf dem Weg in ein zweites Leben hatte der Vorbesitzer bereits erledigt: Die Lackierung war ebenso neu wie das Leder der Sitze.
Die US-Registrierung wertete die Haltergemeinschaft als Vorteil. Die Jahresnachprüfungen sind mit N-Kennzeichen vergleichsweise unkompliziert. Als Prüfer stand der Verkäufer zur Verfügung. Einer aus der Haltergemeinschaft, Kevin Mehling, ist US-Staatsbürger. Er übernimmt die Halterschaft der N146MW.
Drei Monate dauerte der Umbau vom 80er-Jahre-Uhrenladen zum modernen Cockpit mit Glaselementen im Winter 2009/2010. Anfangs kam das Flugzeug zur offiziellen Socata-Vertretung am Flughafen Siegerland. Im Laufe der Arbeiten musste diese jedoch Insolvenz anmelden. Heute betreut die Firma Gomolzig aus Koblenz die TB 20.
120 Meter Kabel und 14 Antennen

Während der drei Monate wurde das Panel zerlegt und teilweise mit moderner Avionik bestückt. 120 Meter neue Kabel, 14 Antennen und jede Menge digitaler Avionik wurden verbaut. Basis sind nach wie vor die klassischen Rundinstrumente.
In der Mitte haben ein Garmin GNS 530W sowie ein Flymap L mit dreidimensionaler Landschaftsdarstellung Platz gefunden. Mit dem FLARM und dem TAS600 sind gleich zwei Kollisionswarnsysteme an Bord. Sie reichen ihre Daten an das 6,4-Zoll-Display des Flymap weiter.
Wetterinformationen bezieht das Flugzeug aus verschiedenen Quellen. Ein Globalstar-Satellitentelefon versorgt das Flymap L mit aktuellen Daten aus dem Internet. Ein Stormscope, die Anzeige erfolgt übers Garmin GNS 530W, scannt die Umgebung auf elektromagnetischer Wellenenergie.
Besonderes Augenmerk gilt dem Lycoming-Motor. Der hat mit 2000 Betriebsstunden sein TBO-Limit erreicht, zeigt aber noch keine Ermüdungserscheinungen. Das Triebwerk läuft „on condition“, also abhängig vom Zustand unter strenger Beobachtung weiter. „Warum sollten wir unsere Rücklagen für einen neuen Motor ausgeben, wenn der alte noch kerngesund ist?“, fragt Mehling. Mittels einer digitalen Motorüberwachung behalten die Besitzer sämtliche Parameter des Sechszylinders im Auge.
Heute sind sich die drei Piloten sicher: Der Aufwand, ein älteres Flugzeug aufzuwerten, hat sich gelohnt. Im Alltag erfüllt die TB 20 die Erwartungen auf ganzer Linie. Sie bietet mehr als 400 kg Zuladung, was kürzere Etappen zu viert ermöglicht. Füllt man die Tanks mit maximal 330 Liter Avgas, sind auch lange Strecken kein Problem. Rund 52 l/h fließen durch die Brennräume, wenn bei 2400 U/min und 24 inHg Ladedruck 150 kts am Stau anliegen. Knapp 900 NM Reichweite sind möglich, mit reduzierter Leistung auch mehr.
„Das Flugzeug wird VFR und gelegentlich im Sommer fürs IFR-Training bei schönem Wetter eingesetzt. Der Autopilot fliegt RNAV- und ILS-Anflüge selbstständig ab und wird somit unseren Ansprüchen bestens gerecht“, sagt Kevin Mehling.
Für etwa 65.000 Euro hatte die TB 20 im Ursprungszustand ihren Besitzer gewechselt. Etwa 45.000 Euro kostete der Umbau samt der Avionik. Das ist in der Summe ein Preis, der einem besseren UL entspricht. Oder anders gesagt: ein Drittel des Preises einer, allerdings neuen, Cirrus SR 20 mit ähnlichen Eckdaten.
aerokurier Ausgabe 01/2013