AirCar
Experimentalzulassung für fliegendes Auto

Das slowakische Start-up Klein Vision hat eine Zulassung für sein fliegendes Auto namens AirCar erhalten – diese Meldung hat in den vergangenen Tagen medial die Runde gemacht. Wir haben nachgehakt, was wirklich dahintersteckt.

Experimentalzulassung für fliegendes Auto
Foto: Klein Vision

Bei dieser Pressemitteilung schrillten in der Redaktion die Alarmglocken: Das slowakische Unternehmen Klein Vision hat für sein AirCar – ein futuristisch anmutendes fliegendes Auto im Sportwagen-Design – die Zulassung erhalten. Das verwendete Buzzword "EASA" rief so manche Medien hektisch auf den Plan, die bereits eine europäische Zulassung und eine nahende Massenproduktion fliegender Autos witterten. So titelte beispielsweise t-online.de mit "Flugauto darf in Europa abheben". Auch andere Medien lehnten sich mit ihrer Berichterstattung relativ weit aus dem Fenster.

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Worum geht es in der Mitteilung mit dem Titel "Fliegendes Auto zertifiziert zum Fliegen – Luftfahrtbehörde erteilt Lufttüchtigkeitszeugnis für das AirCar"? Wörtlich heißt es: "AirCar, das duale Auto-Flugzeug-Fahrzeug, hat von der slowakischen Verkehrsbehörde das offizielle Lufttüchtigkeitszertifikat erhalten, nachdem es 70 Stunden strenge Flugtests gemäß den Standards der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) mit über 200 Starts und Landungen erfolgreich absolviert hat." Ein achtköpfiges Team von Fachleuten habe mehr als 100.000 Stunden in das Projekt investiert. Erwähnt werden Konstruktionszeichnungen, mathematische Modelle, Windkanaltests, ein 1:1-Konstruktionsprototyp mit 15-kW-Elektromotor und schließlich der jetzt zugelassene, 1000 Kilogramm schwere zweisitzige Prototyp mit einem 1,6-Liter-BMW-Motor unter der – ja was eigentlich? – Cowling oder Motorhaube.

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"Die AirCar-Zertifizierung öffnet die Tür für die Massenproduktion von sehr effizienten fliegenden Autos. Sie ist offiziell und die endgültige Bestätigung unserer Fähigkeit, den Mittelstreckenverkehr für immer zu verändern", sagt Professor Stefan Klein, Erfinder, Leiter des Entwicklungsteams und Testpilot in der Mitteilung. Anton Zajac, der Mitbegründer des Projekts, fügt hinzu: "Vor 50 Jahren war das Auto der Inbegriff von Freiheit. AirCar erweitert diese Grenzen, indem es uns in die nächste Dimension bringt, wo die Straße auf den Himmel trifft."

Auch ein Statement der slowakischen Behörde findet sich in der Mitteilung. "Die Verkehrsbehörde hat alle Phasen der einzigartigen AirCar-Entwicklung seit ihrem Start im Jahr 2017 sorgfältig überwacht. Die Verkehrssicherheit hat für uns höchste Priorität. AirCar kombiniert Top-Innovationen mit Sicherheitsmaßnahmen, die den EASA-Standards entsprechen. Es definiert eine neue Kategorie eines Sportwagens und eines zuverlässigen Flugzeugs. Seine Zertifizierung war eine herausfordernde und faszinierende Aufgabe", wird René Molnár, Direktor der Abteilung für Zivilluftfahrt bei der Verkehrsbehörde der Slowakei, zitiert.

Schließlich gibt es einen Ausblick in die Zukunft: Klein Vision habe bereits die Tests eines neuen leistungsstarken, leichten und effizienten Flugmotors von ADEPT Airmotive abgeschlossen und die Zeichnungen und technischen Berechnungen für das kommende Monocoque-Modell mit Verstellpropeller fertiggestellt. So sollen Geschwindigkeiten von mehr als 300 km/h und eine Reichweite von 1000 Kilometern erreicht werden. Das neue Serienmodell soll in zwölf Monaten zertifiziert werden.

Klein Vision
Via Straße von Zuhause zum Flugplatz - eine schöne Vision, die aber angesichts der Herausforderungen einer doppelten Zulassung für Luft und Straße relativ unwahrscheinlich ist.

Viele offene Fragen

Unterm Strich lässt die Pressemitteilung mehr Fragen offen als sie beantwortet. Dazu zur Einordnung zunächst ein Blick in die Vergangenheit. Gründer Stefan Klein ist kein Unbekannter, wenn es um fliegende Autos geht. Laut seiner Vita auf der Website von Klein Vision arbeitet er seit 1989 an fliegenden Autos – unter anderem trat er im Zusammenhang mit dem AeroMobil in Erscheinung, hat diesem Projekt aber vor einigen Jahren den Rücken gekehrt. Ein Meilenstein in der Entwicklung seines AirCar war der erste Flug zwischen zwei Städten. Am 28. Juni 2021 flog das Vehikel in 35 Minuten von Nitra nach Bratislava. Klein Vision plant neben dem Zweisitzer auch einen Viersitzer, eine zweimotorige Version und einen Ableger als Amphibium.

Wer sich ein wenig mit der Luftfahrt und ihren strengen Zulassungsbestimmungen beschäftigt hat, dem dürfte einleuchten, dass 70 Stunden Flugerprobung nicht ansatzweise genügen, um ein Luftfahrzeug nach den Standards der EASA-Vorschriften zu zertifizieren. Dass die Zulassung von der slowakischen Behörde erteilt wurde, wirft weitere Fragen auf. Für ein UL ist das AirCar – der Hersteller nennt 1000 Kilogramm Abflugmasse – zu schwer. Gibt es andere nationale Zulassungen abseits der EASA-Bestimmungen? Welcher Motor erfüllt gleichermaßen die Anforderungen für den Betrieb in der Luft wie auf der Straße?

Ebenso offen erscheint uns die Frage nach einer Zulassung auf der Straße. Kann ein fliegendes Auto die Anforderungen an ein bodengebundenes Auto erfüllen? Was mit Abgasnormen und Sicherheitsfeatures? Zudem suggeriert die Erfindung eines fliegenden Autos, dass man dem Stau einfach davonfliegen könne. Der hierzulande geltende Flugplatzzwang bleibt bei dieser Vision außen vor.

Nachgefragt beim Entwickler

Offene Antworten auf die Fragen der aerokurier-Redaktion hat uns Mitbegründer Anton Zajac gegeben. Zur Zulassung schreibt er: "AirCar erhielt das Lufttüchtigkeitszeugnis in der experimentellen Kategorie auf der Grundlage der Verordnung (EU) 2018/1139 Anhang I, Punkt 1(b) & Punkt 1(c). Das MTOW von AirCar beträgt 1000 kg (es handelt sich also nicht um ein UL). Aeromobil war eine frühere Generation der Erfindungen von Professor Klein. AirCar ist ein völlig neues Design und ein patentierter Transformationsprozess, der in der neuen Firma Klein Vision (die zusammen mit Anton Zajac gegründet wurde) entwickelt wurde." Ob diese Zertifikat die Grundlage für eine spätere Serienfertigung sein kann, können wir noch nicht abschließend beantworten.

Zum Betrieb auf der Straße schreibt er: "Wir haben ein spezielles Nummernschild, um das AirCar in der Slowakei zu fahren. Wir werden das Fahrzeug für den Pkw-Betrieb unter der Kategorie M1 (Special Purpose Vehicle) beantragen und zertifizieren lassen." Unsere Recherchen haben ergeben, dass die Kategorie M1 Wohnmobile, Kranken- und Leichenwagen sowie bewaffnete Fahrzeuge beinhaltet. Crashtests seien dafür nicht erforderlich, informiert Klein Vision.

Beim Motor erläutert Zajac, dass im Prototyp ein Vierzylinder von BMW mit 1,6 Litern Hubraum und 140 PS (103 kW) verbaut ist. Später soll ein Luftfahrtantrieb des in der Pressemeldung erwähnten Herstellers ADEPT installiert werden. Der Sechszylinder soll 280 PS (206 kW) leisten und die Anforderungen an den Schadstoffausstoß erfüllen.

Fliegende Autos und missverständliche Kommunikation

Wir hielten es für angemessen, dem Hersteller einige Fragen zu stellen, bevor wir auf den Zug der euphorischen Berichterstattung aufspringen. Damit möchten wir das AirCar keineswegs schlecht reden. Im Gegenteil: Das, was auf der Website in den Videos zu sehen ist, sieht nach einer fantastischen Ingenieursleistung aus, die optisch auch noch sehr ansprechend verpackt ist. Dennoch wäre eine von Anfang an weniger missverständliche Kommunikation hilfreich gewesen. Warum rühmt sich ein Hersteller damit, eine Flugerprobung nach EASA-Standards durchgeführt zu haben, wenn am Ende "nur" eine nationale Experimental-Erlaubnis steht? Missverständnisse sind programmiert. Eigenlob gehört zwar zum Geschäft, aber es hilft ja nicht mal dem Hersteller, sich mit fremden Federn zu schmücken.

Fazit

Dass fliegende Autos ihre Tücken haben, hat bereits die Geschichte gezeigt. So ist im EAA-Museum in Oshkosh das Taylor Aerocar aus dem Jahr 1949 zu sehen... Viele Jahre und zahllose Entwürfe später tauchte 2006 Terrafugia auf und verschwand wieder. Jetzt ist es das AirCar. Die Idee ist alt, die Erfolge sind überschaubar. Vielleicht ändert sich das ja. Wir drücken alle Daumen und freuen uns über die Einladung zum Probeflug für einen Fahr- und Flugbericht.

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