Gail Halvorsen: Rosinenbomber-Pilot verstorben

Gail Halvorsen
Rosinenbomber-Pilot ist tot

Zuletzt aktualisiert am 21.02.2022
Rosinenbomber-Pilot ist tot

Als "Onkel Wackelflügel" soll Gail Halvorsen bei den Kindern in West-Berlin bekannt gewesen sein, weil er im Anflug mit den Tragflächen wackelte und so aus der Masse der alle drei Minuten in Tempelhof landenden Versorgungsflugzeuge herausstach. Den Kids am Boden war dann klar: Gleich gibts Süßes.

Der aus Salt Lake City stammende Halvorsen wuchs auf Bauernhöfen in Utah und Idaho auf und erwarb im September 1941 eine Privatpilotenlizenz. Als Mitglied der Civil Air Patrol trat er im Juni 1942 in das US Army Air Corps ein und erhielt eine militärische Flugausbildung bei der britischen RAF, deren Schwingen er ebenfalls trug. Danach absolvierte er Transportflüge im Südatlantik. Nach dem Krieg kommandierte ihn das US Militär als Transportpilot zur Berliner Luftbrücke, die vom Juni 1948, und nach dem Ende der Blockade, mit Flügen noch bis zum 30 September 1949 dauerte.

Süßigkeiten am Fallschirm

Die Idee mit den Süßigkeiten am Fallschirm kam Halvorsen bei einem seiner Spaziergänge durch die Stadt, während derer der passionierte Fotograf vor allem Berlins Sehenswürdigkeiten ablichtete. "Ich traf auf eine Gruppe von etwa dreißig Kindern an dem Stacheldrahtzaun, der das riesige Gelände von Tempelhof schützte", erinnerte er sich 1988 in einem Interview. "Sie waren aufgeregt und sagten mir: 'Wenn das Wetter so schlecht wird, dass ihr nicht landen könnt, macht euch keine Sorgen um uns. Wir können mit ein wenig Essen auskommen. Aber wenn wir unsere Freiheit verlieren, bekommen wir sie vielleicht nie wieder zurück.'" Gerührt habe Halvorsen in seine Tasche gegriffen und zwei Kaugummis herausgeholt, die er den Kindern gab. Die brachen sie in kleine Stücke und teilten sie; diejenigen, die nichts bekamen, schnupperten an den Verpackungen.

Beim Anblick der Kinder, von denen so viele absolut nichts hatten, bedauerte Halvorsen, dass er ihnen nicht mehr geben konnte und versprach, dass er am nächsten Tag genug Kaugummis für alle haben und sie aus seinem Flugzeug abwerfen würde. Laut Halvorsen fragte ein Kind: "Woran werden wir erkennen, dass es dein Flugzeug ist?", woraufhin Halvorsen antwortete, dass er mit den Flügeln wackeln würde, wie er es für seine Eltern getan hatte, als er 1941 seinen ersten Pilotenschein machte. Und er hielt Wort.

In der Nacht legten Halvorsen, sein Copilot und sein Bordingenieur ihre Süßigkeitenrationen für den Abwurf am nächsten Tag zusammen. Die waren allerdings so schwer, dass man sie nicht hätte abwerfen können, ohne Verletzungen der Kinder inkaufnehmen zu müssen. Also bastelte Halvorsen drei Fallschirme aus Taschentüchern und band sie an die Pakete, die sie am nächsten Morgen im Anflug auf Tempelhof vor dem Flugplatzzaun aus dem Cockpitfenster abwarfen. Diese Aktion wiederholten sie drei Wochen infolge, und die Zahl der Kinder, die auf die süßen Bomben warteten, wurde stetig größer.

US Air Force

Halvorsens Idee wurde zunächst in seinem Freundeskreis von anderen Crews aufgegriffen, später von der ganzen Staffel. Schließlich bekam die Aktion offiziellen Charakter, als der Kommandeur der Luftbrücke, Generalleutnant William H. Tunner, davon erfuhr und anordnete, sie in Anspielung auf den Namen der Luftbrücke (Operation Vittles, Vittles = Proviant), als Operation Little Vittles zu intensivieren. Die Unterstützung in den USA war enorm, landauf, landab wurden Süßigkeiten gesammelt und gespendet und für den Abwurf vorbereitet. Laut schätzungen erreichten auf diesem Wege rund 23 Tonnen Bonbons, Schokolade und Kaugummi die Kinder in West-Berlin, abgeworfen an mehr als 250.000 kleinen Fallschirmen.

Späteres Leben in der Luftfahrt

Nach der Luftbrücke erhielt Halvorsen ein Stipendium der USAF und studierte Luft- und Raumfahrttechnik. Er befasste sich mit Raketentechnologien wie der Titan III und leitete zeitweise die Basis Vandenberg in Kalifornien. 1970 bis 1974 kehrte er als Flughafenkommandant nach Berlin-Tempelhof zurück, wo er einst seine Luftbrückendienste geleistet hatte. Er erhielt zahlreiche Auszeichungen, darunter das Große Bundesverdienstkreuz. 1974 ging er nach 31 Dienstjahren und mit rund 8000 Flugstunden als Oberst in den Ruhestand, nahm aber 1994 an einem nächtlichen Lebensmittelabwurf über Bosnien teil. Später lieferte er auch Versorgungsgüter und Spielzeug in ein Flüchtlingslager im Kosovo. 1998 steuerte er die C-54 "Spirit of Freedom" der Berlin Airlift Historical Foundation über den Atlantik und nahm an 27 Flugveranstaltungen in vier europäischen Staaten teil. Er besuchte auch die ILA. Im Juni 2001 warf Halvorsen zu Weihnachten schließlich Güter über Mikronesien im Pazifik ab. Ein Flugzeug-Frachtladegerät wurde nach ihm "Halvorsen Loader" genannt. Bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Endes der Luftbrücke im Mai 2009 flog Halvorsen erneut in einem "Rosinenbomber" über das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof und warf – dieses Mall allerdings als Passagier – rund 1000 Schokoladenpäckchen über dem Rollfeld ab. Ein letztes Wiedersehen mit der Stadt, mit der ihn so viel verband, gab es zehn Jahre später aus Anlass des 70. Jahrestages des Luftbrückenendes. Im diesem Rahmen wurden die ehemaligen Baseballplätze der Air Base Tempelhof in Gail S. Halvorsen Park umbenannt.

Am 16. Februar verstarb Gail Halvorsen im Alter von 101 Jahren.