Albrecht Ludwig Berblinger wurde 24. Juni 1770 als Sohn des Zeugamtsknechts Albrecht Ludwig Berblinger und seiner Ehefrau Anna Dorothea geboren. Er wuchs im weitläufigen Komplex des Zeughauses auf, wo sich dem vielseitig interessierten Jungen angesichts der Waffensammlungen sowie vieler kunstvoller Geräte und Modelle ein schieres Paradies bot. Dies endete jäh mit dem Tod des Vaters 1783, infolge dessen Berblinger in ein Waisenhaus kam und schließlich gegen seinen Willen eine Schneiderlehre beginnen musste. Diese schloss er ebenso gut ab wie seine anschließende Gesellenzeit und absolvierte 1791 seine Meisterprüfung. Der Erfolg stellte sich schnell ein und bald beschäftigte er bis zu vier Gesellen und erwarb beträchtlichen Haus- und Grundbesitz.
Konstrukteur aus Leidenschaft
Allerdings befriedigte das Schneiderhandwerk seine seit jeher ausgeprägte Leidenschaft für mechanische Konstruktionen nicht, sodass er bald kleine Autos für Kinder, sogenannte Chaisen, und funktionelle Beinprothesen konstruierte. Animiert durch das Vorbild des schweizer Uhrmachers Jakob Degen, der um 1808 in mehreren Städten seine Flugkünste vorführte, wandte sich auch Berblinger der Fliegerei zu. Degen hatte einen Flugapparat mit kreisförmigen, spitz auslaufenden Schwingen konstruiert, die mit einem Hebelmechanismus bewegt werden konnten. 3500 Kläppchen an den Flügeln öffneten oder schlossen sich entsprechend der Auf- oder Abwärtsbewegung. Da der Apparat allerdings nicht mit Muskelkraft in die Höhe zu bekommen war, hatte Degen ihn mit einem Ballon kombiniert.
Berblinger hingegen wählte einen anderen Ansatz: Im Gleitflug aus der Höhe wollte er die notwendige Geschwindigkeit erreichen und baute zu diesem Zweck aus Stoff, Schnüren und Fischbein einen Gleiter, der dem Degens zwar nachgebildet, konstruktiv aber anders ausgelegt war. Wahrscheinlich waren die beiden Schwingen des Gleiters im Rücken des Trägers mit einem Gelenk verbunden, das festen Halt bot, aber zur Steuerung kleine Ausschläge zuließ.

Der Absturz und seine Folgen
Mit einer Anzeige im Schwäbischen Merkur ging Berblinger am 24. April 1811 mit seiner Idee an die Öffentlichkeit. Bereits zuvor hatte er am Michelsberg in günstigen Aufwinden erste Flugversuche unternommen. "Wie ein Vogel" sei er, so ein Augenzeuge "von Gartenhaus zu Gartenhaus gehüpft". Diese Versuche brachten Berblinger die Erkenntnis, dass die Absprunghöhe und die erzielte Weite ein Gleitverhälnis von etwa 1:2 ergaben.
Den offiziellen Erstflug kündigte Berblinger für den 4. Juni 1811 an – günstiges Wetter vorausgesetzt. Angesichts eines Besuchs des württembergischen Königs Friedrich Wilhelm Karl von Württemberg wurde der Flug in Absprache mit Berblinger auf den 30. Mai 1811 vorverlegt, um dem Regenten ein Spektakel zu bieten. Starten sollte der Flugpionier von der 13 Meter über der Donau gelegenen Adlerbastei, auf der Berblinger zudem ein sieben Meter hohes Holzgerüst errichten ließ. So hoffte er, die an dieser Stelle 40 Meter breite Donau überqueren zu können. Allerdings: die hier herrschenden Fallwinde hatte Berblinger offenbar nicht bemerkt.
Trotz Anwesenheit des Königs am 30. Mai 1811 musste der Flug abgesagt werden, da Berblinger einerseits das Wetter nicht gut genug erschien und andererseits ein Schaden am Gleiter den Start unmöglich machte. Einen Tag später fand der zweite Versuch statt. Berblinger stand Berichten aus der damaligen Zeit zufolge blass auf dem Gerüst und tänzelte – möglicherweise, um den erhofften Aufwind zu spüren – nervös hin und her. Als er schließlich sprang – manchen Quellen zufolge unter unsanfter Nachhilfe eines Polizeidieners – landete er direkt in der Donau.
Von Hohn und Spott begleitet, verließ Berblinger die Stadt. Es gelingt ihm nicht mehr, beruflich Fuß zu fassen, und auch sozial gerät er ins Abseits. 1819 wird er als "civiliter mortuus", als bürgerlich tot, bezeichnet und fällt der städtischen Armenfürsorge anheim. Am 28. Januar 1829 stirbt Albrecht Ludwig Berblinger völlig verarmt an "Abzehrung" und wird sang- und klanglos in einem Armengrab beerdigt.
Späte Anerkennung
Viele Jahre geriet Albrecht Ludwig Berblinger in Vergessenheit. Das änderte sich mit dem 1906 von Max Eyth veröffentlichten Roman "Der Schneider von Ulm". Eyth dokumentierte darin die Geschichte des technisch begabten, aber "zwei Jahrhunderte zu früh Geborenen". 1938 wurde unter Vorsitz des Ulmer Kulturreferenten Carl Kraus eine Berblinger Arbeitsgemeinschaft gebildet, in der das Leben und Wirken Berblingers seriös erforscht werden sollte. Damit fand Berblinger als Pionier des Gleitflugs die ihm gebührende Beachtung und Anerkennung.
1986 schließlich gab es mit dem Flugwettbewerb ein neuerliches Spektakel mit Nachbauten des Flugapparates. Dabei gelang es dem 19-jährigen Holger Rochelt mit einem von seinem Vater, dem Industriedesigner Günter Rochelt, konstruierten Fluggerät, als einzigem Teilnehmer, die Donau zu überqueren. Er kugelte sich bei der unsanften Landung zwar den Arm aus, hatte jedoch den Fallwinden, die Berblinger zum Verhängnis geworden waren, erfolgreich getrotzt.

Würdigung in Ulm
Neben den zahlreichen Erinnerungen an Berblinger in Ulm wie dem Nachbau des Gleiters im Rathausfoyer, der Benennung einer Schule, einer Straße und einer Straßenbahn nach ihm, hatte die Stadt zum 250. Geburtstag des Flugpioniers ein großes Jubiläum mit Ausstellungen und Veranstaltungen geplant, die – angepasst an die Corona-Situation – inzwischen mit Auflagen versehen wurden. Das Programm ist online verfügbar.
Auch der Deutschlandfunk hat in seiner täglichen Sendung Kalenderblatt, die historische Ereignisse und interessante Persönlichkeiten beleuchtet, mit Albrecht Ludwig Berblinger befasst. Den gelungenen Beitrag der Kollegen kann man hier nachhören.
Vision Donauflug
Das Thema Donau und fliegen haben die Organisatoren des Berblinger-Jahres angesichts des Jubiläums noch einmal aufgegriffen, allerdings soll es dabei nicht über, sondern entlang der Donau gehen. Ziel ist dabei, den mehr als 2000 Kilometer langen Weg von der Donaumündung am Schwarzen Meer bis zur Quelle bei Donaueschingen möglichst umwelt- und ressourcenschonend zurückzulegen. Los geht es am 5. September 2020, am 18. September sollen die Piloten in Donaueschingen ankommen. Begleitend zum Wettbewerb sind mehrere Veranstaltungen geplant. So wird am 16. September um 19 Uhr im m25 eine Fliegerlounge mit Live-Schaltung zum Wettbewerb veranstaltet, wo Interessierte alles rund um den Wettbewerb und spannende Hintergrundinformationen aus dem Fliegerumfeld erfahren können. Am 20. September sollen die teilnehmenden Flugzeuge von 10 bis 22 Uhr auf dem Münsterplatz in Ulm ausgestellt werden und am selben Tag gibt es ab 18.30 Uhr eine Abschlussveranstaltung mit einer Talkrunde zur Zukunft der Luftfahrt und auf 33 Jahre Berblinger-Wettbewerbe.
Welche Flugzeuge am Donauflug teilnehmen – darüber hüllen sich die Organisatoren noch in Schweigen. Sehr wahrscheinlich ist aber der eGenius der Universität Stuttgart dabei, und auch aus dem Bereich der sehr effizienten Segelfugzeuge kämen beispielsweise Muster wie die Antares infrage.
Hintergrundinformationen zur Berblinger Flight Challenge gibt es auf der Website der Stadt Ulm.