Im Regal in Gerhard Filchners Büro stehen rund ein Dutzend Flugzeugmodelle – vom kleinen Flyer der Gebrüder Wright bis hin zu Holzmodellen von Hubschraubern, die einst für die Konzeption von Ausstellungen im Deutschen Museum gedient haben. Filchner war schon beim Aufbau der großen Luftfahrtausstellung des Deutschen Museums auf der Museumsinsel dabei, und hat dann rund 30 Jahre die Flugwerft Schleißheim geleitet. Am 30. November hat der 65-Jährige seinen letzten Arbeitstag. Und er hat viel zu erzählen.
"Ich habe mein ganzes Berufsleben im Deutschen Museum verbracht", sagt Filchner. "Ich kam direkt von der Fachhochschule in München." Warum das Deutsche Museum sein erster und sein letzter Arbeitsplatz war? "Ich habe auch Initiativbewerbungen an die einschlägigen Flugzeugfirmen geschickt – aber am schnellsten geantwortet hat das Deutsche Museum. Mich hat die Luftfahrtgeschichte immer schon fasziniert. Ich habe schon als Bub Flugzeugmodelle gebaut." Sein Jugendtraum war es zwar nicht, ein Museum zu betreiben. Aber immerhin hat er so sein ganzes Leben lang mit Flugzeugen zu tun gehabt. "Ich kann mich noch an einen Zeitschriftenartikel erinnern, den ich in meiner Jugend gelesen habe: Das Hobby zum Beruf machen. Und das habe ich auch geschafft." Filchner stammt aus der Oberpfalz. Wäre er dortgeblieben, wäre sein Berufsleben ganz anders verlaufen. "Da gab’s beim Arbeitsplatz die Wahl zwischen Zoll und Finanzamt." Sein Leben stattdessen der Luftfahrt zu widmen, hat er nie bereut: "Erstens ist das ungeheuer faszinierend, und zweitens werde ich auch noch dafür bezahlt, dass ich das tue, was mir Spaß macht."

Der Erstkontakt mit dem Museum geschah bereits im Studium. Er sollte in einer Studienarbeit ein Querruder nach dem Vorbild des Starfighters entwickeln. "Und wenn man sich ein bisschen auskennt, denkt man sich: Da steht doch ein Starfighter im Deutschen Museum – Internet gab’s ja noch nicht." Er und seine Kommilitonen haben den Kampfjet ganz genau unter die Lupe genommen – und die daraus resultierende Studienarbeit wurde prompt ein Erfolg. Nach dem Studium bewarb sich Filchner dann beim Deutschen Museum. Das suchte damals Verstärkung für die große Luftfahrtausstellung, die 1984 eröffnet wurde. "Es war ein kleines Team – und wir mussten eine sehr große Halle mit Leben und mit Exponaten füllen". Filchner organisierte den Transport, die Montage und die Restaurierung der Flugzeuge.
Vom Museum zur Flugwerft
Die Ausstellung wurde 1984 eröffnet – entwickelt in einer Rekordzeit von nur vier Jahren. Helmut Kohl und Franz Josef Strauß begleiteten die Eröffnung – und für den 28-jährigen Filchner zeichnete sich da schon der nächste Arbeitsauftrag ab: Noch bei der Eröffnung der Luftfahrthalle kam die Zusage, dass der Staat die Flugwerft Schleißheim finanzieren würde."Als ich zum ersten Mal nach Schleißheim gekommen bin, war das Gelände der heutigen Flugwerft noch militärisches Sperrgebiet." Für den Erhalt der historischen Flugwerft machte sich auch Franz Josef Strauß, Ministerpräsident und passionierter Flieger, stark. "Für die Museumsinsel hatten wir viel gesammelt, aber nicht alle Exponate in der Luftfahrtausstellung untergebracht", sagt Filchner. "Wir wollten natürlich auch Platz haben, um auch die Zukunft der Luftfahrt zu dokumentieren." Der damalige Generaldirektor Otto Mayr zitierte Filchner zu sich und erklärte: "Ich brauche jemand in Schleißheim, der unser Haus dort vertreten kann." Filchner sagte begeistert zu, obwohl er am Anfang buchstäblich vor Trümmern stand.

"Die historischen Gebäude der Flugwerft waren praktisch Ruinen und sollten auch schon abgerissen werden." Mit einem Wiederaufbau war es nicht getan, sagt Filchner: "Wir haben damals gesagt: Die alte Halle ist schön und gut, aber um ein Museum draus zu machen, sind 2000 Quadratmeter einfach zu wenig." Deshalb wurde eine neue Ausstellungshalle und die Restaurierungswerkstatt dazugeplant. Schon die Bestückung des Museums war eine äußerst spannende Phase. Filchner erzählt: "Die Luftwaffe hat uns die Exponate mit Transporthubschraubern eingeflogen – da gibt’s sehr beeindruckende Bilder." Und die Eröffnung 1992 wurde ein rauschendes Fest. Die Hallen seien anfangs noch sehr dünn mit Exponaten bestückt gewesen – aber im Lauf der Zeit sind immer mehr Flugzeuge dazugekommen – wie zuletzt das Forschungsflugzeug Do 128 oder die große Transall.
Das lebendige Museum
"Mein Ziel war immer schon, ein lebendiges Museum zu schaffen – ein Museum, das in Bewegung ist", sagt Filchner. In seiner Zeit hat es 50 Sonderausstellungen in der Flugwerft gegeben, viele Kooperationen, Partnerschaften und Vorträge. "Und wir haben viel Wert darauf gelegt, dass hier immer auch ein Flugbetrieb stattfindet – mit Piloten, die mit ihren Oldtimern hier einfliegen. Wie zum Beispiel die Klemm 25 von 1927, das ältesten in Deutschland noch zugelassenen Flugzeug. Das sind einfach Schmankerl, die die Ausstellung bereichern." Filchners persönliche Höhepunkte: Der Flugtag 2003 zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Museums – 30 000 Menschen kamen. Oder der Besuch von Chuck Yaeger. Den ersten Menschen, der die Schallmauer im Horizontalflug durchbrochen hat, hat Filchner persönlich durch die Flugwerft geführt. Oder die Überführung des Forschungsflugzeugs Attas, die unter schwierigsten Bedingungen im Winter auf den letzten Drücker durchgeführt wurde, weil die Zulassung des Flugzeugs ablief.

Selbst am Steuerknüppel gesessen hat Filchner übrigens nie: "Einen Pilotenschein habe ich nicht – meine Augen waren nicht besonders, und die Zeit hätte ich auch nicht gehabt." Aber mitgeflogen ist er natürlich gern – mit dem Zeppelin, der öfter in der Flugwerft zu Gast ist, ist oder mit dem Junkers-F13-Nachbau, der 2019 in Schleißheim war. Eine ganz besondere Beziehung hat Filchner zu einem Exponat, das nicht in der Flugwerft ausgestellt ist, sondern auf der Museumsinsel: eine Luftschiff-Gondel. "Ich hatte mit der Restaurierung dieser Parseval-Gondel zu tun – und merkte, dass ein paar Teile fehlten. Durch Zufall entdeckte ich dann den Kühler im Depot des Zeppelin-Museums in Friedrichshafen. Dann habe ich ewig mit den Kollegen diskutiert und machte ihnen klar, dass das kein Zeppelin-Teil ist, sondern eins von der Konkurrenz. Das Deutsche Museum hatte nämlich irgendwann in den 1960er-Jahren alles, was irgendwie nach Zeppelin aussah, nach Friedrichshafen geschickt. Ich habe die Kollegen dort so lange genervt, bis sie den Kühler am Ende wieder rausgerückt haben. Nach dem Motto: Jetzt nimm das Teil und gib a Ruh."
Eheglück und Ruhestand
Filchner ist jedenfalls überzeugt, bei seiner Berufswahl alles richtig gemacht zu haben. "Das war immer total vielseitig: Von Restaurierungen und Exponat-Einwerbungen bis hin zu Sonderausstellungen und der Organisation von Veranstaltungen – langweilig ist es nie gewesen. Für mich war das ein absoluter Glücksfall – sonst wäre ich auch nie so lange geblieben. Wäre ich dagegen in der Luftfahrtindustrie gelandet, hätte ich vielleicht am Ende irgendwelche Türscharniere entwickelt – und das wäre auf die Dauer doch etwas fad geworden." Ein weiterer Vorteil des Jobs: Im Museum hat er auch seine Frau kennengelernt. Simone Bauer hat ebenfalls eine Führungsposition im Deutschen Museum und folgt Filchner im Februar in den Ruhestand. Wie sie sich näher kennengelernt haben, ist eine Geschichte für sich: Fürs Museum machten sie eine Fortbildung zum Suchtkrankenhelfer – und sind danach noch in einer Weinstube gelandet. Ausgerechnet. Jetzt hält die Ehe schon 20 Jahre. Und jetzt? Filchner will’s entspannt angehen lassen. Keine große Weltreise, sondern Radfahren – und den Jakobsweg weiterwandern. Das Ehepaar ist schon in den vergangenen drei Jahren in Etappen von München ins französische Le Puy gewandert – und will jetzt im Ruhestand die 2500 Kilometer vollmachen, statt täglich ins Museum zu pilgern.