Büchertipp: Wenn Mäuse abheben

Büchertipp
Wenn Mäuse abheben

Zuletzt aktualisiert am 14.12.2024
Wenn Mäuse abheben
Foto: Nord Süd Verlag
Torben, die wahrscheinlich meistgestellte Frage auch von mir zuerst: Warum ist ausgerechnet eine Maus zum Protagonisten deiner Kinderbücher geworden?

Torben Kuhlmann: Da muss ich ein bisschen ausholen. Für meine Abschlussarbeit im Studiengang Illustration und Grafikdesign hatte ich die Idee, ein Bilderbuch zu gestalten. Und schon länger spukte mir der Gedanke im Kopf herum, wie eine Maus zufällig auf Fledermäuse trifft und bei ihr der Wunsch wächst, selbst fliegen zu lernen. Ihre Experimente spiegeln dabei die Luftfahrtgeschichte der Menschen wider, von den ersten Hüpfern bis zur Atlantiküberquerung, und zeigen die Herausforderungen, die die Fliegerei mit sich bringt.

Die Leidenschaft, mit der du die Geschichten erzählst, legt nahe, dass du einen Bezug zum Fliegen und zur Luftfahrt hast.

Die Story von Lindbergh hat tatsächlich autobiografische Züge, denn die Fliegerei hat mich schon immer fasziniert. Eine Seite meines Kinderbettes hatte ich verziert mit Motiven aus der Luftfahrtgeschichte, da brannte zum Beispiel die Hindenburg, und der Wright Flyer zog seine Bahn. Ich habe schon damals meine Leidenschaft für die Fliegerei mit meiner Malerei verbunden. Gleichzeitig habe ich auch aus allerhand Krempel Modelle gebastelt, große und kleine, die aber nie wirklich abgehoben sind. Aber ich fühlte mich wie ein kleiner Otto Lilienthal oder einer der Wrights.

Nord Süd Verlag
Der erste Flugapparat der Maus erinnert an den Lilienthal-Gleiter, eine spätere Konstruktion an die Blériot XI, das Feuer beim Raketenrollschuh-Test im Buch "Armstrong" an den Unfall von Apollo 1. Wie viel Wert legst du auf historische Genauigkeit?

Zugegeben: sehr viel. Und zwar aus dem Grund, dass ich in meiner Kindheit bei Büchern immer enttäuscht war, wenn Maschinen unerklärt einfach so funktionierten. Da hob zum Beispiel ein Fluggerät auf magische Weise einfach ab, es gab wenig glaubhafte Ingenieurskunst. Ich will meine Leserschaft aber einladen, zu entdecken, was dahintersteckt; sie mit einem hohen Maß an Authentizität überzeugen, dass eine Maus wirklich fliegen kann. Daher verweisen die Konstruktionen der Maus auf reale Flugmaschinen der Luftfahrtgeschichte. Am Ende sollte jeder der Meinung sein: Diese Geräte lassen sich nachbauen und könnten vielleicht sogar abheben. In meiner Diplomarbeit, in der ich die Entstehung von "Lindbergh" reflektiert habe, war dies mein erklärtes Ziel.

Wie viel Recherche betreibst du dafür?

Das ist nicht wenig. Ich recherchiere die Ereignisse und habe mir sogar Blaupausen der Flugzeug- und Raketenkonstrukteure angeschaut, um das möglichst korrekt zu verarbeiten. Ich will ja meinem oben erklärten Anspruch bestmöglich gerecht werden.

Nord Süd Verlag
Deine Zeichnungen sind bezüglich technischer Details präzise, aber auch so einfach, dass Kinder erkennen, worum es geht. War diese Mischung schon immer dein Stil?

So habe ich schon immer gezeichnet. Ich hatte für das Buch "Lindbergh" anfangs gar keine Zielgruppe definiert oder auf die Wünsche des Buchmarkts geschielt. Dann sähe das Buch heute sicher anders aus. Es wäre kürzer und bunter. In erster Linie sollte es mir selbst gefallen: mir als knapp Dreißigjährigem und ebenso mir als Kind. Damit habe ich irgendwie den Nerv junger wie älterer Leser getroffen.

Woher kommen deine Ideen, beispielsweise für Armstrongs Rakete, deren Kommandokapsel aus einem Scheinwerfer-Reflektor und einem Wecker besteht? Sieht man einen Wecker auf dem Nachttisch und denkt sich: Das ist es, das könnte gehen?

Genau so ist es! Ich sehe die Rakete vor mir und frage mich: Was würde ich als Maus stibitzen, um das nachzubauen. Gerade der Wecker ist ein schönes Beispiel, weil er ja nicht nur aus einem runden Gehäuse besteht, sondern auch aus vielen Zahnrädern, die man für andere Dinge verwenden kann. Genauso war es bei dem Scheinwerfer-Reflektor, der bot sich als Raumkapsel an.

Nord Süd Verlag
Fällt dir das Texten genauso leicht wie das Zeichnen?

Über die Zeit ist mein Vertrauen in meine Fähigkeiten als Autor gewachsen. "Lindbergh" war noch minimalistisch betextet, bei "Armstrong" kamen dann Dialoge dazu und die Figuren wurden komplexer. Der Spaß am Schreiben und Erzählen wuchs. Mittlerweile schreibe ich mindestens ebenso gerne, wie ich illustriere.

Lindbergh und Armstrong sind weltberühmte Aviateure. Amelia Earhart ist weniger bekannt, dennoch widmest du dieser Pionierin und Frauenrechtlerin mit deinem jüngsten Buch eine Geschichte. Wie kam es dazu?

Am Anfang steht die Idee für ein Mäuseabenteuer und dieses führt mich dann ganz automatisch zu einer Person der Menschheitsgeschichte. So war es bei "Lindbergh", "Armstrong" oder "Einstein". Im neuesten Buch entdeckt nun eine kleine Wühlmaus, dass es jenseits ihres Gartens, in dem sie lebt, noch eine riesige Welt gibt: eine runde Welt! Ziemlich flott ist der Plan geschmiedet, diese Welt mit einem Flugzeug zu erkunden und zu umrunden. Setzt man sich mit fliegerischen Weltumrundungen auseinander, dann stößt man schnell auf die faszinierende Geschichte von Amelia Earhart. So kam das neue Buch zu seinem Titel.

Nord Süd Verlag
Sind mit "Lindbergh", "Armstrong" und "Earhart" die Abenteuer der fliegenden Mäuse auserzählt?

Da bin ich mir noch nicht sicher. Aber die Luftfahrt hat sicher noch viel Potenzial für aviatische Mäuseabenteuer.