Unfallanalyse: Irrflug im Schneeschauer

Unfallanalyse
Irrflug im Schneeschauer

ArtikeldatumVeröffentlicht am 29.12.2025
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Irrflug im Schneeschauer
Foto: BFU

Psychologen nennen das Phänomen Tunnelblick, wenn Menschen trotz klarer Fakten eine unlogische Entscheidung treffen und andere Optionen gar nicht erst in Betracht ziehen. Meist passiert das, um einen zuvor festgelegten Plan zu Ende zu führen, unter Umständen gegen jede Vernunft. Mitunter kommt es vor, dass das Risiko sogar klar formuliert wird, die Entscheidung aber dennoch dafür fällt. Auch der Pilot einer Cessna 177, der am 16. März 2021 einen privaten Rundflug nach Sichtflugregeln vom Verkehrslandeplatz Burg Feuerstein aus plant, fällt trotz besseren Wissens eine fatale Entscheidung.

Es ist bereits später Nachmittag, gegen 16:30 Uhr, als er von dem Platz nahe dem oberfränkischen Ort Ebermannstadt startet. Nach einer Platzrunde nimmt er Kurs in nordwestliche Richtung. Wenige Minuten später fliegt die Cessna über Hirschaid und Bamberg weiter Richtung Westen. Kurz nach 17 Uhr dreht der Pilot westlich von Würzburg wieder nach Süden und überfliegt die Stadt dann in östlicher Richtung. Kurz darauf folgt der 64-Jährige der Autobahn A3. Um 17:25 Uhr kündigt er dem Flugleiter von Burg Feuerstein per Funk seine Landung an. Der Türmer informiert ihn darüber, dass von Nordwesten "ziemlich starke Schauer" heranziehen. Der Pilot antwortet ihm, dass er eine Lücke finden wolle, und dass er sich beeilen werde.

Lars Reinhold

Absicht versus Handlung

Etwa zwei Minuten später nimmt der Flugleiter erneut Kontakt zu der Cessna auf. Ein "dicker Schneeschauer" sei jetzt direkt am Platz, warnt er den Piloten. Der bestätigt die Information und meldet, dass er am Rand des Schauers sei und kein Risiko eingehen wolle. Angesichts dieser Aussage und der Wetterlage ist seine Reaktion allerdings erstaunlich: Statt einen Ausweichplatz anzufliegen, sucht er weiter nach einer Lücke in den Wolken. Knapp eine Stunde nach dem Start fragt er den Flugleiter, ob dieser eine Chance sehe, dass er den Flugplatz erreichen könne. Die Antwort ist unmissverständlich: Die Bedingungen vor Ort seien sehr schlecht, auf einer Skala von null bis zehn maximal eine Zwei. Daraufhin fragt der Cessna-Pilot nach der Wolkenuntergrenze. Wieder lässt die Antwort des Flugleiters eigentlich keine Zweifel an der Sinnlosigkeit eines Anflugs: "Jetzt fast aufliegend." Erneut bestätigt der Pilot und betont, dass er "notfalls woanders hinfliegen" würde. Der Flugleiter nennt ihm Herzogenaurach oder Nürnberg als Ausweichplätze. Doch diese Option zieht der Pilot allem Anschein nach nicht ernsthaft in Betracht, vielmehr ist er noch immer auf seinen Plan fixiert, auf dem Flugplatz Burg Feuerstein zu landen.

Östlich von Forchheim kurvt die Cessna nun wieder zurück zum Ausgangspunkt des Rundflugs, und der Pilot erkundigt sich beim Flugleiter nach einer "angezündeten Laterne". Der ist verwundert und fragt, ob damit "das Licht auf dem Dach" gemeint sei. Als Bestätigung kommt lediglich ein Klicken der Sendetaste.

BFU

Letzter Funkspruch um 17.42 Uhr

Um 17.34 Uhr kreist die Cessna in rund 130 Metern über dem Flugplatz im Schneeschauer. Der Pilot meldet indes, er sei nun "in Platznähe". Doch die Landeinformationen des Flugleiters helfen ihm nicht weiter, offenbar hat er die Piste immer noch nicht in Sicht. Nach mehreren Kreisen in der Umgebung des Platzes kommt aus dem Cessna-Cockpit die Ansage: "Ich probier’ jetzt die 26." Es ist die letzte Meldung des Piloten über Funk. Um 17.42 Uhr kurvt der Hochdecker etwa 100 Meter über der Schwelle der Piste 26. Zwei Minuten später wird das letzte GPS-Signal aufgezeichnet. Ein Zeuge beobachtet die Cessna Sekunden vor dem Absturz und sendet unmittelbar danach über sein Mobiltelefon einen Notruf. Doch für den Piloten kommt jede Hilfe zu spät. Nachdem ihn Rettungskräfte aus dem zerstörten Flugzeug geborgen haben, versucht eine Notärztin, ihn zu reanimieren. Der Versuch bleibt jedoch erfolglos.

BFU

Die Mitarbeiter der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) gehen davon aus, dass der Pilot sich vor dem Start nicht über die Wetterentwicklung auf seiner Flugroute informiert hatte. Auch eine Flugvorbereitung mit möglichem Anflug auf einen der nächstgelegenen Ausweichplätze gab es ihrer Einschätzung nach nicht. Ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) beschreibt einen Schneeschauer, der zur Unfallzeit über den Flugplatz Burg Feuerstein zog. Trotz entsprechender Wetterprognosen flog der Cessna-Pilot in das Schauergebiet ein und versuchte, sich über Boden- und Flugsicht zu orientieren. Zusätzlich nutzte er vermutlich ein GPS-Navigationsgerät. Die BFU geht davon aus, dass er den Flugplatz in seinem Garmin GNS 430 einprogrammiert hatte und so die ungefähre Richtung zum Flugplatz über die Kursanzeige zur Orientierung verwendete.

Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass er nach der ersten Desorientierung im Schneeschauer die Kontrolle über sein Flugzeug wiedererlangte. Daraufhin flog er aber nicht aus dem Gebiet heraus, sondern startete einen weiteren Anlauf. Er schaffte es einfach nicht, seinen Plan aufzugeben.