Im Vergleich zu modernen Composite-ULs wie Virus SW, VL-3 oder Blackshape Prime ziehen klassische Motorflugzeuge in vielen Disziplinen den Kürzeren. Die Leichtgewichte sind agil und effizient, fliegen schnell und steigen gut – und das alles bei moderaten Unterhaltskosten. Glascockpits, in Echo-Klasse-Flugzeugen bis heute als luxuriöses Extra bestaunt, gehören bei vielen aktuellen ULs zum gehobenen Standard. Einziehfahrwerk und Verstellpropeller? Auch das ist, Leichtbauweise sei Dank, kein Problem mehr. Das breite Leistungsspektrum und technisch komplexe Systeme erfordern jedoch einen Piloten, der sein Flugzeug kennt und ihm gedanklich stets einen Schritt voraus ist.
Rein formal genügt die vergleichsweise einfach zu erwerbende „Lizenz für Luftsportgeräteführer“, um die volle Bandbreite der ULs fliegen zu dürfen. Dabei spielt es keine Rolle, auf welchem Muster die Ausbildung erfolgt ist. Das Gesetz kennt für den UL-Bereich keine Einweisungen. Art und Umfang sind nicht vorgeschrieben, somit wird beim Umstieg auf andere Muster auch nicht zwingend etwas im Flugbuch dokumentiert. Eigenverantwortung ist gefragt.
Im Motorflug hingegen ist das Thema Einweisung gesetzlich verankert. Hat ein Pilot bisher nur Erfahrung auf Piper oder Cessna mit festem Dreibeinfahrwerk und starrem Propeller gesammelt, benötigt er eine „Unterschiedsschulung“, wenn er beispielsweise ein Flugzeug mit Einziehfahrwerk, Spornrad oder Verstellpropeller fliegen möchte. Weitere Anlässe sind auch der Umstieg auf Turbomotor oder Druckkabine. Auch bei einem Glascockpit à la Garmin G1000 ist eine sogenannte „Vertrautmachung“ vorgesehen. Der Begriff „Schulung“ deutet darauf hin, dass diese in der Regel durch einen Fluglehrer zu erfolgen hat und mit dem Erlernen von theoretischem Wissen verbunden ist. Vermerkt wird die Einweisung im Flugbuch.
Dabei ist der Umstieg bei zertifizierten Flugzeugen vergleichsweise einfach. Bei Motorseglern und Motorflugzeugen gibt es innerhalb einer Baureihe Standards bei Ausstattung und Ausrüstung. Die Bedienelemente haben eine festgelegte Reihenfolge und Farbgebung, ebenso die Art und Anordnung der Instrumente. Änderungen sind nur in einem eng gesteckten Rahmen möglich.
Bei ULs genießen Flugzeughersteller und Halter mehr Freiheiten. Verschiedene Ausstattungsvarianten sind an der Tagesordnung, und Modifikationen durch den Halter unterliegen, anders als beim Motorflugzeug, einfacheren Regeln. Viele Dinge können bei ein und demselben Flugzeugmuster also unterschiedlich ausgelegt sein. Beispielsweise gibt es elektrische, hydraulische und mechanische Verstellpropeller, die – wie sollte es anders sein? – verschieden zu bedienen sind. Auch kann sich etwa der Landeklappenmechanismus von einer auf die andere Werknummer von mechanisch auf elektrisch geändert haben. Vielfalt gibt es auch in der Kabine: Vom Glascockpit bis zum „Uhrenladen“ kann im selben Muster je nach Kundenwunsch alles drin sein.
Der anspruchsvollste Fall einer Umschulung ist der Umstieg vom gutmütigen Schulungs-UL auf einen High-End-Renner. Viele Schulen und Charterbetriebe unterhalten einfach zu fliegende ULs mit rudimentärer Avionik – oft ist nicht mal ein Transponder an Bord. Durch diese Strategie halten sich die Anschaffungs- und Betriebskosten im Rahmen, außerdem können auch weniger erfahrene Piloten diese einfachen Luftsportgeräte sicher beherrschen.
Die Probleme fangen dann an, wenn der Pilot versucht, ohne Einweisung auf ein komplexes Muster umzusteigen. Auf einmal ist dieser mit komplizierten Systemen und einem viel breiteren Leistungsspektrum als gewohnt konfrontiert.
Ein guter Einstieg ist das Flughandbuch des jeweiligen Musters. Dort finden sich nicht nur die Eckdaten eines Flugzeugs, sondern auch Angaben zu jenen technischen Feinheiten, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. So ist bei Pipistrels Virus SW der Rücklauf des Sprits vom Motor nur in den linken Flächentank gelegt. Startet der Pilot mit vollen Tanks, führt dies dazu, dass genau dieser Tank überläuft. Die Lösung ist, anfangs nur den linken Tank zu nutzen. Allein das erfordert schon eine Umstellung, musste man sich bisher vielleicht nur um die Versorgung aus einem zentralen Rumpftank kümmern. Bei der CT von Flight Design gibt es je nach Version unterschiedliche Systeme zum Setzen der Parkbremse. Einige Exemplare haben ein Bypass-Ventil eingebaut, andere nicht. Zumindest ein Fall ist bekannt, bei dem ein Flugzeug wegen Fehlbedienung in ein Hallentor rollte.
Theorie und Übungen
Die größte Umstellung wird es sein, ein Flugzeug mit einer mehr als doppelt so hohen Reisegeschwindigkeit bequem zu beherrschen. Um Geschwindigkeiten weit jenseits der 200 km/h zu erreichen, sind High-End-ULs auf wenig Widerstand getrimmt. Das hat natürlich Konsequenzen beim Energiemanagement. Vor dem Einflug in die Platzrunde sollte der Pilot frühzeitig die Leistung reduzieren und die limitierenden Geschwindigkeiten der einzelnen Klappenstufen beachten. Das Einhalten der Anfluggeschwindigkeit ist entscheidend für eine saubere Landung. Kann man mit einem Rohr-Tuch-Gerät überschüssige Höhe einfach „wegdrücken“, wird ein UL-Renner genau das machen, wozu er gebaut wurde: Er wird Geschwindigkeit aufnehmen und eher zögerlich sinken.
Ebenso liegen die Unterschiede im Reiseflug auf der Hand. So groß der Geschwindigkeitsbereich ist, so unterschiedlich ist auch der Spritverbrauch, er kann zwischen 14 und 24 Liter pro Stunde schwanken.
Mit an Bord sollte ein auf dem Muster erfahrener Pilot sein. Um auch die Aspekte des Reiseflugs kennen zu lernen, sollte dieser Einweiser gute Kenntnisse im Streckenflug besitzen. So kann sich der Neuling am besten mit dem Muster samt Avionik sowie Triebwerks- und Spritmanagement vertraut machen. Die Landung wird beiden Parteien einiges abfordern, daher ist eine Lehrberechtigung auch rechtlich gesehen ein Vorteil.
Landungen im Sackflug, also das Aufsetzen im völlig überzogenen Flugzustand, mag eine Schulungsmaschine verzeihen, nicht aber ein modernes High-End-UL – es muss an den Boden geflogen werden. Spätestens wenn noch das Landen mit Störklappen, wie bei der Virus SW, erlernt wird, ist der Aspirant um ein Aha-Erlebnis reicher. Die Anflüge sind steiler, das Ausschwebeverhalten ändert sich.
Ideal zum Warmwerden mit einem neuen Flugzeug sind ein paar Übungen in der Disziplin Airwork. Dazu gehören Kreiswechsel mit normaler Schräglage, Steilkurven mit bis zu 60 Grad Schräglage sowie Übungen im Langsamflug mit unterschiedlichen Leistungs- und Klappenstufen. Kurzum, es geht darum, die Grenzflugzustände des Flugzeugs kennen zu lernen. Insbesondere die bei einigen High-End-ULs verwendete negative Klappenstellung kann zu einem ungünstigen Abrissverhalten führen.
Glascockpits sind in Charter- und Schulflugzeugen nur selten zu finden. Schulen argumentieren gerne mit den hohen Kosten und damit, dass diese Geräte einen Schüler von seiner eigentlichen Aufgabe zu sehr ablenken. Für den Umsteiger gilt es, das EFIS zielgerichtet einzusetzen und zu lernen, die anderen Aufgaben innerhalb und außerhalb des Cockpits nicht zu vernachlässigen. Am besten geht das, wenn man einen zweiten Piloten dabei hat, damit die Luftraumbeobachtung nicht auf der Strecke bleibt.
Auch ein Umsteiger von der Echo-Klasse sollte nicht davon ausgehen, dass mit ein paar Runden der Umstieg auf ein UL der Oberklasse perfekt ist. Gerade PPL-Piloten sind nicht selten vom feinfühligen Verhalten eines ULs überrascht und brauchen eine längere Eingewöhnungsphase, bis die Landungen auch bei schwierigeren Bedingungen sitzen. Auch technisch ist im UL-Cockpit anfangs manches noch ungewohnt: Für viele Umsteiger von Cessna und Co ist der Steuerknüppel ebenso neu wie die meist von Hand betätigten Bremsen.
Die Theorie sollte bei einer Einweisung nicht aus den Augen verloren werden. Die reguläre UL-Ausbildung, und damit das Portfolio mancher UL-Schulen, stammt zum Teil noch aus den Anfangstagen der Ultraleichtfliegerei mit langsamen Rohr-Tuch-Geräten. Themen wie Verstellpropeller, Belastungsgrenzen und Schwerpunktberechnung werden, wenn überhaupt, nur gestreift.
Auch das Thema Zuladung sollte im Zuge einer Einweisung zur Sprache kommen. Bei Rohr-Tuch-Geräten bleibt bei Leergewichten von 250 kg und weniger noch ordentlich Luft bis zum gesetzlichen Limit von 450 oder 472,5 kg. Moderne ULs, insbesondere mit mehr oder weniger üppiger Zusatzausstattung, wiegen leer nicht selten mehr als 300 kg. Auch wenn viele dieser Muster für bis zu 600 kg Abflugmasse gebaut und getestet sind, gilt es, die rechtlichen Limits zu beachten.
Kanada hat hier eine praxisnahe Lösung: Die Luftfahrtbehörde Transport Canada hat eine Liste der „Advanced Ultra-Light Aeroplanes“ mit den jeweils gültigen erhöhten Abflugmassen veröffentlicht.
Eine smarte Lösung wäre es für Deutschland, für den Betrieb solcher Advanced ULs eine Zusatzschulung anzubieten und auf politischer Ebene ein höheres Gewichtslimit anzustreben. Damit würde man den unkomplizierten Erwerb der UL-Lizenz nicht einschränken, aber einen großen Schritt in Richtung „Flugzeug“ machen. Für Piloten wäre dadurch der praxisnahe Betrieb in den vom Hersteller vorgesehenen Grenzen möglich.
aerokurier Ausgabe 07/2014