Einfälle, Erfolge, aber auch Fehlschläge: Bei seinem Projekt Cloud Dancer hat Jochen Steinbeck unternehmerisches Durchhaltevermögen bewiesen. Mehrere Jahre hat es gedauert, bis die Serienproduktion des Tragschraubers an Fahrt aufgenommen hat. Jetzt, endlich, läuft es rund im Werk im Allgäu. Zwölf Cloud Dancer II haben 2014 ihre Abnehmer gefunden, sieben davon in Deutschland. Diese Zahlen sind das Ergebnis harter Arbeit und hoher finanzieller Investitionen. Auf der AERO 2007 präsentierte Jochen Steinbeck, bis 1995 Berufshubschrauberpilot und heute erfolgreicher Unternehmer in der Entwicklung von Großküchen, erstmals seinen Einsitzer Cloud Dancer I. Im schicken Airbrush-Outfit zog das Stück Technik „made in Germany“ die Blicke auf sich. Für den Antrieb sollte ein Hirth-Zweitakter sorgen. Optimistisch verkündete das damals dreiköpfige Team die baldige Erteilung der VVZ. Das Versprechen wurde eingehalten!
Zwei Jahre später, 2009, reiste Rotortec mit dem ebenfalls geschlossenen Side-by-Side-Sitzer Cloud Dancer II an. Die Idee für den damals montierten Dreiblattrotor mit Anklappmechanismus hat Steinbeck von der historischen Bachstelze übernommen. Die Pläne dafür bekam er von dem Selbstbauer Sigurd Sauer.
Rotortec wurde mit weiteren Messeauftritten zur festen Größe am Bodensee und ist bis heute immer für eine Überraschung gut. Doch mit der Serienfertigung ließ sich das Unternehmen aus Görisried Zeit. Erst seit 2013 taucht der Cloud Dancer in der Zulassungsstatistik auf.
Wir treffen Jochen Steinbeck in Tannheim. Der 60-Jährige schildert, was in den vergangenen Jahren hinter den Kulissen gelaufen ist und wie sich der Cloud Dancer II technisch entwickelt hat. Außerdem haben wir die Gelegenheit zum Probeflug.
Außergewöhnlich ist schon der Antrieb. Steinbeck wünschte sich ein Triebwerk, das deutlich mehr als 100 PS (74 kW) leistet, und das nicht nur für fünf Minuten. Ein Tragschrauber, noch dazu ein Side-by-Side-Sitzer, braucht ordentlich Dampf, um zügig voranzukommen. Steinbeck peilte 130 dauerhaft arbeitende Pferde an und wurde schließlich im Automobilbereich fündig: Weber Motor hat einen aufgeladenen Zweizylinder-Viertakt-Einspritzer mit 750 Kubikzentimetern Hubraum im Programm, der den Anforderungen des Rennsports gewachsen ist. Warum also nicht auch denen eines Tragschraubers?
Die Bodentests auf dem Prüfstand und in Versuchsträgern waren vielversprechend, und so passte man ein eigenes Abgas- und Kühlsystem an, ebenso das Getriebe und die Elektrik. Bei 7100 U/min liefert der Motor eine Dauerleistung von 99 Kilowatt (135 PS) und stemmt 174 Newtonmeter Drehmoment auf den Propeller. Das Turboloch spielt angesichts des hohen Drehzahlniveaus keine Rolle.
Damit beim Abstellen des Motors – Rotax-Piloten kennen das unsanfte Schütteln – die Struktur nicht über Gebühr belastet wird, werden Propeller und Motor durch eine Freilaufkupplung voneinander entkoppelt, und der Propeller läuft frei aus. Im Betrieb reduziert ein Getriebe die Motordrehzahl auf rund ein Drittel.
Dem Einbau des Aggregates in den Tragschrauber standen anfangs thermische Probleme im Weg. Umfangreiche Anpassungen kosteten insgesamt zwei Jahre Zeit. Auch wenn die Basis aus dem Hause Weber stammt: „Die rechtliche Verantwortung für den Motor tragen wir“, sagt Steinbeck. Entsprechend tritt Rotortec auch als Motorenbauer auf.
Startschwierigkeiten gab es auch bei den Rotorblättern. Rotortec wollte auf Bewährtes aus den USA zurückgreifen. Im September 2012 erteilte der DULV die Musterzulassung für den Cloud Dancer II mit Vierblattrotor, dessen Aluminiumblätter von Dragonwing kamen. Die Folgelieferungen entsprachen allerdings nicht Jochen Steinbecks Qualitätsverständnis, so dass er sie nicht verbaute und das Kennblatt zurückzog. Um die geplanten Auslieferungen nicht allzu lange zu verzögern, sattelte Rotortec um auf einen Zweiblattrotor mit CFK-Blättern, die 2011 in Zusammenarbeit mit der Uni Magdeburg entstanden. Bis zur Zulassung verging ein weiteres Jahr.
Um den Rotor vor dem Startlauf in Schwung zu bringen, war anfangs der Einsatz eines elektrischen Prerotators geplant. Schließlich kam jedoch eine pragmatische Lösung zum Einsatz: Der Weber-Motor eignet sich bestens, um mit wenig Aufwand einen hydraulischen Prerotator zu verwirklichen. Im Rotorkopf arbeitet heute eine Hydraulik, die über den Ölkreislauf des Motors gespeist wird. Sobald per Knopfdruck ein Bypass-Ventil geöffnet wird, baut eine Ölpumpe 220 Bar Druck auf. Die Energie wird verschleißarm über eine Kette aufs Ritzel übertragen. Wie schnell und bis zu welcher Drehzahl hochgefahren werden soll, wird auf Kundenwunsch programmiert. Eine Freilaufkupplung ermöglicht es, den Vorgang jederzeit abzubrechen und wieder fortzusetzen. Einmal angerollt, übernimmt der Fahrtwind nahtlos das weitere Beschleunigen des Rotors.
Das Fahrwerk ist für mehr Kippsicherheit deutlich breiter als bei den Mitbewerbern. Schraubenfedern und Gasdruckdämpfer nehmen Stöße auf. Die aerodynamisch geformten Fahrwerksbeine beherbergen die beiden zusammen 115 Liter fassenden Tanks und sorgen für zusätzlichen Auftrieb.
Am Flugplatz Tannheim stehen gleich zwei Cloud Dancer II bereit. Erfreut stelle ich fest, dass die Türen, die mit Gasdruckdämpfern offengehalten werden, einen einfachen Einstieg ermöglichen – bei meinen 1,90 Meter Körperlänge ist das nicht selbstverständlich. Da der Cloud Dancer II mit einem Mittelstick gesteuert wird, muss ich die Beine nicht um einen Knüppel schlängeln. Ich sitze bequem wie im Auto und notiere eine gute Rundumsicht. Die 1,25 Meter breite Kabine mit Platz für groß gewachsene Piloten stand von Anfang an im internen Pflichtenheft. Das Gepäckfach ist in der Nase des Gyros integriert.
Wie ein Joystick sitzt der Steuerknüppel in der Verlängerung der Mittelarmlehne. Damit Fluglehrer nicht die Hände ihrer Schüler führen müssen, kann seitlich ein zusätzlicher Griff angeschraubt werden. Der Cloud Dancer II hat einen an der Türunterkante platzierten, hochklappbaren Griff mit Drehgasfunktion. Ein Choke ist dank der elektronischen Einspritzung nicht nötig. An der Rückwand, etwa auf Kopfhöhe, befinden sich die Hebel für Rotorbremse und Rotorarretierung.
Jetzt weist mich Jochen Steinbeck ins Glascockpit Nesis II mit dem acht Zoll großen Display ein. Es stellt alle relevanten Motor- und Flugbetriebsdaten dar, ebenso die Füllstände der beiden Tanks. Mit seinem integrierten GPS-Empfänger dient es gleichzeitig als Navigationsplattform.
Ein Druck auf den Starterknopf genügt, und der Motor läuft auf Anhieb rund. Übers Gras geht’s zur Piste 09. Der Cloud Dancer II lässt sich gut steuern und mittels des Hebels am Stick ebenso einfach bremsen.
Zum Vorrotieren erhöhe ich die Drehzahl auf 2500 U/min und betätige den am Knüppel angebrachten Knopf für den Prerotator. Bis 165 Rotorumdrehungen warnt ein roter Punkt im Display vor zu niedriger Drehzahl, der dann bis 200 U/min gelb bleibt. Nach und nach führe ich Leistung zu. Bei 3800 U/min des Motors liegen 180 Umdrehungen des Rotors an. Ich löse Knüppelarretierung und Feststellbremse und ziehe behutsam am Stick. Das Anrollen beginnt. Bei 200 Rotorumdrehungen wird der Punkt grün. Vollgas.
Es muss nur ganz leicht nachgedrückt werden, wenn sich die Nase schon nach wenigen Metern bei etwa 50 km/h sanft hebt. Bis zum Abheben vergehen gerade mal 50 Meter, und es bedarf kaum Steuerarbeit, um auf der Centerline zu bleiben. Mit 4 m/s bei 95 km/h steigen wir in den Himmel, während der Motor mit 7100 U/min brummig arbeitet. Im Reiseflug genügen 60 Prozent Motorleistung, um mit 145 km/h vorwärtszukommen.
Einmal in der Luft, macht der Cloud Dancer seinem Namen alle Ehre – unser Flug ist ein Tanz am Himmel. Zaghafte Eingaben genügen für schwungvolle Manöver. Kurven mit verschiedenen Schräglagen führt der Tragschrauber ebenso spontan wie sensibel aus, ohne dabei kräftigen Pedaleinsatz zu verlangen. Der Mittelstick liegt perfekt in der Hand. In jeder Fluglage freut sich der Pilot über das elektrische Trimmsystem um alle drei Achsen. Mittels Trimmknopf am Stick werden die Steuerdrücke wirksam eliminiert.
In 3000 Fuß über Grund reduziere ich die Fahrt, bis der Cloud Dancer nicht mehr auf Höhe zu halten ist. Bei 35 km/h beginnt er zu sinken. Mit etwas Nachdrücken und wenigen Metern Höhenverlust sind wir wieder ausgelevelt. Bei null Fahrt am Stau und ohne Motorleistung zeigt das Vario ein Sinken von 7 m/s an. Leichtes Nachdrücken und Halbgas rettet uns auch aus dieser Fluglage.
Für die Landung empfiehlt das Handbuch 90 bis 100 km/h Anfluggeschwindigkeit. „Geübte Piloten können es mit 60 km/h auch langsamer angehen“, sagt Steinbeck. Der Tragschrauber lässt sich im Langsamflug gut steuern und bleibt im Flare lange stabil.
Noch ein paar Worte zu den Geräuschen. Die gesetzlich geforderten 68 dB(A) konnten um knapp 4 dB(A) unterschritten werden. Angesichts zunehmender Sensibilität an vielen Flugplätzen laufen Versuche, den Antriebsstrang noch leiser zu machen. Im Vergleich zu Rotax-Motoren klingt der Cloud Dancer II trotz seiner hohen Drehzahl erheblich tiefer.
Auch in anderen Punkten entwickelt Rotortec den Cloud Dancer II konsequent weiter. In Kürze soll der Motor in einer überarbeiteten, 15 Kilogramm leichteren Version ausgeliefert werden. Geänderte Materialien, ein neuer Ölkühler und der Wegfall vieler Schläuche machen’s möglich. Die Berechnungen für die Auflastung von 450 auf 530 Kilogramm MTOW sind erledigt, die DULV-Zulassung erwartet man in Görisried täglich. Das Plus an Zuladung würde die Praxistauglichkeit für ausgedehnte Touren zu zweit deutlich verbessern. In Entwicklung befindet sich ein Vierblattrotor aus Carbon mit Anklappmechanismus für platzsparende Unterbringung. Ebenfalls angedacht ist, den Cloud Dancer optional mit einem Verstellpropeller anzubieten.
Zum Schluss: Im Cloud Dancer II sind Innovationen realisiert, die den Piloten entlasten und damit zur Flugsicherheit beitragen. Der Umgang mit ihm erfordert mehr fliegerisches Feingefühl, als von den offenen Mitbewerbern gewohnt. Nach einer gründlichen Einweisung sollte das aber keinen Piloten vor unüberwindbare Probleme stellen.
Rotortec ist daran gelegen, Qualität und Sicherheit auf hohem Niveau zu halten. Aufträge werden in enger Abstimmung mit dem Kunden ausgeführt – ein Vierteljahr Lieferzeit sollten diese kalkulieren. „Die Auftragslage ist gut“, sagt Steinbeck. Sein Ziel ist die Fertigung von maximal 25 Geräten pro Jahr. Flugfertig gibt es den Cloud Dancer II ab 82 110 Euro.
Schon jetzt hat der Cloud Dancer übrigens Geschichte geschrieben. Rotortec hatte Sigurd Sauer für die Bereitstellung der Bachstelze-Pläne zwei Vorserienmodelle kostenlos zur Verfügung gestellt. Dieser wiederum hatte sie dem Hubschraubermuseum in Bückeburg gespendet. Sowohl der Ein- als auch der Zweisitzer haben dort einen festen Platz in den Hallen.
Technische Daten

Rotortec Cloud Dancer II
Antrieb
Hersteller: Rotortec (Weber Motor)
Typ: Rotortec MPE 750
Art: Viertakt-Zweizylinder-Turbomotor mit elektronischer Einspritzung
Hubraum: 750 cm3
Leistung: 135 PS/99 kW
Propeller: Duc oder Neuform, Dreiblatt, starr
Rotor
Art: Zweiblattrotor aus CFK
Hersteller: Rotortec Typ27-CB
Durchmesser: 8,60 m
Abmessungen
Länge: 4,20 m
Breite: 2,20 m
Höhe: 2,50 m
Kabinenbreite: 1,25 m
Massen und Mengen
Leermasse: 265 kg
MTOW: 450 kg
Tankinhalt: 115 l/83 kg
Flugleistungen
Reisegeschwindigkeit: VC155 km/h
zul. Höchstgeschw.: VNE162 km/h
Manövergeschwindigkeit: VA120 km/h
Minimalgeschwindigkeit: VSO35 km/h
bestes Steigen: 4m/s
bei Vy: 80 km/h
Startrollstrecke: 40 bis 60 m
aerokurier Ausgabe 03/2015