Reiner, 1998 bist du mit der verwegenen Idee gestartet, GPS-Daten und Internet zusammenzubringen. Konntest du mit dem Erfolg, den der OLC bis heute hat, rechnen?
Das war überhaupt nicht abzusehen! Es wäre auch vermessen gewesen, mit solch einem Erfolg zu kalkulieren. Für den ersten Schritt – eine Plattform zu schaffen, für die Flüge via Mail gemeldet werden können – haben wir uns ein paar hundert Teilnehmer ausgerechnet, und das auch nur für Deutschland.
Das muss dir heute sehr bescheiden vorkommen.
In der Tat. In der Saison 2016 wurden von 14 631 Teilnehmern 116 510 Flüge mit 31,1 Millionen Kilometern gemeldet. Die Web-site hatte in dieser Zeit rund 111 Millionen Klicks! Wir sind inzwischen eine weltumspannende Kommunikationsplattform für Streckenflüge. Übrigens: Der aerokurier hat daran auch seinen Anteil, hat er uns doch von Anfang an begleitet und bekannt gemacht.
Worauf basiert aus deiner Sicht der Erfolg des OLC?
Die dezentralen Segelflugwettbewerbe haben daran gekrankt, dass man seine Flüge aufwendig dokumentieren und per Post einreichen musste. Man wusste im Endeffekt immer erst am Saisonende, wie man abgeschnitten hatte. Für ein Reporting über eine Sportart ist das ein absolutes No-Go. Der Pilot will am liebsten am selben Tag wissen, wie gut er sich geschlagen hat. Uns ist es gelungen, ein Kommunika-tionssystem einzuführen, das diese Aktualität ermöglicht.
Die richtige Idee zur richtigen Zeit? Das Internet war ja gerade dabei, auch Privathaushalte zu erobern.
Genau. Wir haben ja nichts anderes gemacht, als GPS-Daten via Internet zu sammeln und die Auswertung online zu publizieren. Allerdings muss man dazu sagen, dass wir uns auch viele Gedanken über die Form des Wettbewerbs gemacht haben. Wir wollten weg von dicken Regelwerken wie dem der DMSt hin zu einem einfachen, transparenten Wertungsmodus: ein Punkt pro Kilometer, keine Bevorzugung von angemeldeten Flügen, Verzicht auf Sportzeugen und Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Flugzeugs durch den Index.

Der Index ist ja inzwischen mitunter ein Reizthema.
Ein Index kann nie gerecht sein, das ist eine Utopie. Er kann bei einem dezentralen Wettbewerb auch keine Chancengleichheit herbeirechnen, dafür sind andere Faktoren wie die Wetterbedingungen, Flächenbelastungen etc., die wir nicht kontrollieren können, viel ausschlaggebender. Der Index ist nur ein kleiner Baustein, um unterschiedliche Flugzeugtypen einigermaßen vergleichbar zu machen.
Du sprichst die Form der Wettbewerbe an. Die Segelflug-Bundesliga ist auch eine Erfindung von dir. Wie kam es dazu?
Wir haben im Segelflug das Problem, dass es im Breitensport keinen wirklichen Anforderungsdruck gibt. Der Anpfiff wie im Fußball fehlt. Aber nur mit diesem Druck gibt es Spannung im Wettbewerb. So entstand die Idee, einen Ligabetrieb mit 19 oder 20 Wochenendrunden auszuschreiben. Dabei bekommt der Sieger immer gleich viele Punkte, unabhängig von den Bedingungen. Wer hier erfolgreich sein will, muss die ganze Saison aktiv sein, dadurch hält die Spannung bis zum Schluss an. Außerdem sind drei oder vier Stunden Flugzeit am Wochenende für jeden drin, da man nicht den ganzen Tag verplanen muss.
Immer wieder hast du kritisiert, dass in Deutschland eine allein auf den Scheinerwerb ausgerichtete Ausbildung vorherrscht. Mit der U25-Liga will der OLC junge Piloten zum sportlichen Fliegen animieren. Geht der Plan auf?
Ich denke schon. Zunächst muss man sich vergegenwärtigen, dass die Leute, die erfolgreich Bundesliga fliegen, alte Hasen sind. Die Junioren eines Vereins haben da kaum eine Chance, in die erste Mannschaft zu kommen. Das ist natürlich nicht motivierend. In der U25-Liga hingegen treten junge Piloten gegen gleichaltrige an, so wird ein fairer Vergleich möglich. 2016 haben immerhin 286 Vereine für die U25-Liga Flüge gemeldet.

Aber reicht eine Liga, um Defizite in der Jugendarbeit der Vereine auszugleichen?
Nein, davon bin ich überzeugt. Das Umdenken muss in den Vereinen stattfinden. Ich weiß aus Erfahrung, wie das in vielen Clubs läuft: Bis zur Lizenz wird man durch die Fluglehrer ständig motiviert, sich weiterzuentwickeln, doch mit dem Lappen ist plötzlich Schluss. Es fehlt einfach an alten Hasen, die die Jungpiloten an die Hand nehmen und ihnen zeigen, wie es weitergehen kann. Die U25-Liga ist da nur ein Angebot, das Vereine nutzen können, um ihre Schützlinge zu motivieren. Gemeinsam fliegen und sich mit Gleichaltrigen messen – das ist Ansporn!
Und nicht zuletzt gibt es ja auch etwas zu gewinnen ...
Ja, aber das halte ich nicht für entscheidend. Am Ende wird ein Siegerteam gekürt, und die jungen Piloten sind stolz auf ihre Leistung. Aber gewinnen können auch andere Vereine: indem sie die erfolgreichen Clubs als Vorbild nehmen und sich fragen, was machen die anders? Und ich freue mich, dass der aerokurier in der U25-Liga als Sponsor aktiv wird, denn so bekommt das Ganze in der Szene mehr Gewicht und Aufmerksamkeit.
Redet man über die Jugend, ist das immer eine Diskussion über die Zukunft des Segelfliegens. Wie siehst du die Zukunft?
Wir müssen unheimlich aufpassen, dass wir unsere gewachsenen Strukturen bewahren. Vereine, die Flugplätze betreiben und ein Hort sind, in dem junge Piloten heranwachsen können, das ist die Basis, die aber durch den demografischen Wandel in Gefahr gerät. Diese Gefahr muss erkannt und angegangen werden. Vereine brauchen engagierte Mitglieder, die andere – vor allem jüngere – für das Fliegen begeistern können.
Und die Zukunft des OLC?
Die hängt freilich von der Zukunft des Segelfliegens ab. Da wollen wir – wie all die Jahre – ein zuverlässiger Partner sein.
Das Interview führte Lars Reinhold
aerokurier Ausgabe 02/2017