Forschung tut not. Ein einfaches „Weiter so“ mit bekannten Materialien und Produktionsmethoden endet auf längere Sicht in der Sackgasse mit stetig teureren, aber keineswegs besseren Flugzeugen. Ferner wächst die Konkurrenz. Fast aus dem Nichts ist in Südafrika Jonker Sailplanes mit der JS1 auf den Plan getreten und mischt erfolgreich im Wettbewerbsgeschehen mit. Der Know-how-Vorsprung der deutschen Hersteller schrumpft. Sie stehen noch dazu in Konkurrenz zu Ländern, in denen preisgünstiger produziert werden kann. Für die Arbeit selbst, das Hantieren mit Harz und Härtern in der Faserverbundbauweise, könnte es vielleicht auch weniger giftige Stoffe geben.
Damit die Segelflugzeuge wieder leichter werden, dabei über dünnere, leistungsfähigere Tragflügelprofile mit hoher Streckung verfügen, ist viel Materialforschung, -erprobung und Entwicklung neuer Fertigungsmethoden mit noch zu entwickelnden neuen Werkzeugen notwendig. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen können die dafür notwendige Forschung in der Hochtechnologie allein kaum stemmen. Nach langer Zeit gibt es deshalb jetzt wieder eine Förderung für die Sportflugzeugindustrie im Luftfahrtforschungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Rund 1,6 Millionen Euro können in dem Verbundprojekt General Aviation Booster (GeAviBoo) eingesetzt werden. Ende Februar trafen sich alle Beteiligten zum Kick-off-Meeting im Segelflugmuseum auf der Wasserkuppe, stellten das Projekt vor und legten die Arbeitsteilung fest.
Am Ende des Forschungsprogramms soll ein Innenflügel des Discus 2c stehen, in den alle neuen Erkenntnisse einfließen: ein mit neuen Werkzeugen, neuen Materialien und Verfahren hergestellter Holm, ebenso eine Flügelschale, die im harz- und ressourcenschonenden Infusionsverfahren produziert wird. Der Erfolg hängt von vielen Zuträgern ab. Eingebunden in das von Christoph Wannenmacher (Schempp-Hirth) und Dr. Felix Kruse (lange Abteilungsleiter des DLR in Stade, heute Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg) geführte Verbundprojekt sind deshalb neben Segelflugzeugherstellern, Forschungseinrichtungen und Ingenieurbüros auch das Bundesamt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Unterstützt wird die Gruppe von einer ganzen Reihe von Herstellern textiler Halbzeuge und Harze. Die Beteiligten müssen sich nicht erst zusammenfinden, im Arbeitskreis Neue Fasern (ANF) arbeiten sie seit Langem vertrauensvoll zusammen. Von den Herstellern sind Alexander Schleicher Segelflugzeugbau, die AG Stemme und Schempp-Hirth Flugzeugbau dabei. Schleicher übernimmt die Entwicklung eines neuen Strangziehverfahrens von Carbon-Rovings für die Holmfertigung, die BAM die Halbzeugnachweise für die neuen Kohlenstofffasern (CF). Das ILF besorgt die Nachweise für das Klebeharz.Ziel ist unter anderem, bessere Dimensionierungskennwerte für Gurte und Stege aus CFK zu finden und zuzulassen. Der zurzeit hauptsächlich verwendete Roving-Typ wird nur noch einmal im Jahr produziert, sodass es zeitweise zu Engpässen kommen kann. Neue Materialien würden Abhilfe schaffen und könnten aus der gegenwärtigen Beschränkung auf 13 Prozent Flügeltiefe und der Spannweite herausführen.
Die Berechnungswerte für Holmstege sind heute sehr niedrig, deshalb wird auch das Anheben der Stegberechnungswerte für CF-Stege angestrebt. Hier wird das BAM wichtige Beiträge leisten. Zugelassen werden sollen auch alternative Kohlenstofffasern, auch als Ersatz für die bisher verwendete HTA-Faser.
Im BAM wird auf Basis von Materialvorschlägen der Konsortialpartner eine Vorauswahl von neuen Matrixsystemen und C-Fasern getroffen. Testpläne werden in Abstimmung mit EASA und LBA entwickelt und Dimensionierungsdaten für die Versuchsholme ermittelt.
Ziel: Neue Materialien und Technologien

Das DLR am Standort Stade, eine Außenstelle des Instituts für Faserverbundleichtbau und Adaptronik mit Stammsitz in Braunschweig, hat viel Forschungsarbeit für Airbus geleistet und viel Kompetenz bezüglich Faserverbundbauweise gewonnen – auch wenn sich Erkenntnisse aus dem Großflugzeugbau nicht einfach übertragen lassen. Im Segelflugzeugbau mit seinen kleinen Stückzahlen ist eine Automatisierung der Produktion wie in der Großindustrie mit der Verwendung von UD-Prepregs und dem Einsatz von Autoklaven nicht denkbar. Eine Abkehr vom händischen Fertigungsverfahren ist im Segelflugzeugbau wirtschaftlich nicht umsetzbar – trotzdem erscheinen Verbesserungen im Produktionsprozess möglich.
In Stade wird man sich mit der Entwicklung von Infusionsstrategien für Sandwichlaminate beteiligen. Gegenüber Handlaminaten erwartet man weniger Harzemissionen durch einen abgeschlossenen Prozess, einen geringeren Porenanteil, höhere mechanische Kennwerte und einen höheren Faservolumengehalt. Die Berechnungen und Tests erfolgen im Team mit dem Ingenieurbüro ICM composites, einem Spin-off der TU Darmstadt. Am Ende soll ein neues Fertigungsverfahren für die Flügelschalen stehen.
Dem Institut für Flugzeug- und Leichtbau an der TU Braunschweig (IFL) kommt die Aufgabe der strukturellen Definition des Versuchsflügels, des Belegungsplans und der dynamischen Belastungsversuche zu. Von IFL und Schempp-Hirth wird der Flügel mit der Sensorik für die Tests versehen. Die Bewertung hinsichtlich der Zulassung erfolgt unter Teilnahme aller Projektpartner und den Zulassungsbehörden. Die Ergebnisse des Betriebsbelastungsversuchs dienen dann als Bemessungsgrundlage für zukünftige Flügel, die über einen vergleichbaren strukturellen Aufbau verfügen.
Stemme entwickelt mit dem DLR elektrisch beheizbare Formen, die das bisher umständliche Tempern vereinfachen. Mit Schempp-Hirth wird Stemme die von Schleicher zu entwickelnde Strangziehmaschine nachbauen und die Versuchsholme fertigen. Schempp-Hirth baut dann den Versuchsflügel.
Am Ende des Projekts, Ende 2018, soll es eine Datenbasis von neuen, langfristig verfügbaren Luftfahrtwerkstoffen (Harze, Fasern, textile Halbzeuge) geben, dazu nutzbare und EASA/LBA-bestätigte Kennwerte und Fertigungsverfahren für die nächste Generation von Segelflugzeugen. Die neu entwickelten Fertigungstechnologien hätten das Etikett „ressourcenschonend“, und es gäbe einen verbesserten Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter in der Fertigung.
aerokurier Ausgabe 06/2016