Es war wohl zu schön, um wahr zu sein. Ein russischstämmiger Flugzeugbauingenieur entwickelt mit seiner in Deutschland ansässigen Firma einen bärenstarken Zwölfzylinder-Dieselmotor für Luftfahrtanwendungen. 500 PS Startleistung, FAA- und EASA-Zulassung und der vergleichsweise günstige Verbrauch infolge des Selbstzünder-Konzepts: Der RED A03 hatte durchaus das Zeug, mancher Propellerturbine in bestimmten Anwendungen Konkurrenz zu machen. De Havilland Beaver, Cessna Caravan, OTTO Aviation Celera, AirTractor AT-301 – so manches in die Jahre gekommene Flugzeugmuster schien mit STCs für ein Engine-Upgrade eine realistische Zukunft zu erhalten.

V-12 Statt Neunzylinder-Sternmotor: Für die de Havilland Beaver hat RED Aircraft ein Umbaukit im Angebot.
Allerdings: Das Aggregat hatte dank seiner Vorzüge auch Interessenten aus Russland angezogen. So war der Diesel unter anderem als Antrieb für die Jak-152 vorgesehen, ein neues Trainingsflugzeug, mit dem die russische Luftwaffe künftig ihre angehenden Militärpiloten ausbilden will. Für Exporte nach Russland gelten allerdings seit Annexion der Krim im Jahr 2014 Sanktionen, die auch Ausfuhrbeschränkungen für sogenannte Dual-Use-Güter umfassen. Dies sind Produkte, die nicht nur zivil, sondern auch militärisch genutzt werden können – wie beispielsweise Luftfahrtmotoren.
RED A03 in russischen Drohnen
Dass es dabei um mehr als nur einen Militär-Basistrainer geht, zeigt sich, wenn man Google mit den Begriffen "RED A03" und "Sokol Altius" füttert. Daraufhin spuckt die Suchmaschine unter anderem einen Link zur Website Militaryfactory.com aus, in dem der Diesel aus Adenau als Antrieb für eine russische Militärdrohne mit 28,5 Metern Spannweite und einer maximalen Abflugmasse von vierienhalb Tonnen aufgeführt wird. Auf der russischen Website Topwar.ru finden sich sogar Bilder, die eine große Drohne zeigen, an deren Tragflächen große Kolbenmotoren montiert sind. Wenn man genau hinschaut, dann haben die Aggregate verblüffende Ähnlichkeit mit dem Diesel aus Adenau.
Der Export von Motoren nach Russland soll zwischen 2015 und 2021 stattgefunden und damit gegen die bestehenden Handelsbeschränkungen verstoßen haben, zitiert der SWR die Staatsanwaltschaft Koblenz. Das wusste offenbar auch Vladimir Raikhlin, der vor Gericht ausgesagt haben soll, den Verstoß bewusst in Kauf genommen zu haben, um die geschäftlichen Abläufe nicht zu verzögern. Er sei davon ausgegangen, dass die Motoren ausschließlich Zivil genutzt würden, so der SWR weiter.

Der RED A03 fällt als Flugmotor unter die Dual-Use-Produkte, die zivil und militärisch genutzt werden können. Derartige Exporte nach Russland sind seit Annexion der Krim 2014 verboten.
Welche Auswirkungen die Gerichtsentscheidung auf die Firma RED Aircraft hat, lässt sich noch nicht absehen. Infolge der absehbaren Ermittlungen war Raikhlin bereits 2021 aus der Geschäftsführung ausgeschieden und nur noch als Minderheitsgesellschafter mit dem Unternehmen verbunden. Allerdings muss RED Aircraft wie auch Raikhlins Beratunsfirma RED Consulting die Gewinne aus den illegalen Russlandgeschäften zurückzahlen. Laut SWR-Bericht geht es dabei um knapp vier Millionen Euro.