Luftfahrtmesse
Roland Bosch im Gespräch über 25 Jahre AERO

Roland Bosch leitet das Projektteam der AERO. Seit 1988 ist er in die Organisation der Messe involviert und hat im Interview nicht nur Daten und Fakten zur 25. Auflage parat, sondern auch Anekdoten von damals.

Roland Bosch im Gespräch über 25 Jahre AERO

Die AERO findet zum 25. Mal statt. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an diese Zahl denken?

Das ist schon eine Zahl, die einen mit Stolz erfüllt, vor allem, wenn man an den Widerstand in den Anfangsjahren zurückdenkt. Es gab seinerzeit viele Bedenkenträger, die überzeugt waren, dass solch eine Schau in Deutschland gar nicht funktionieren kann. Heute haben wir in Friedrichshafen eine Luftfahrtmesse, die europa-, wenn nicht gar weltweite Bedeutung hat.

Wissen Sie, wie groß die Ausstellungs-fläche bei der Erstauflage 1977 war?

Um die 1000 Quadratmeter, denke ich …

Es waren 3000 Quadratmeter, ein Jahr später schon 6000. Wo liegt die AERO-Ausstellungsfläche heute? Wie viele Aussteller werden erwartet?

Wir warten in diesem Jahr mit einer Ausstellungsfläche von gut 94 000 Quadratmetern auf. Aussteller sind aktuell rund 660 angemeldet – wir können also auch hier wieder einen
Rekord vermelden.

Sie sagen es selbst: wieder ein Aussteller-rekord. Jedes Jahr wollen mehr Firmen ihre Produkte in Friedrichshafen zeigen. Wie steht es um die Kapazität der Messe für die Zukunft?

Unsere Hallen sind dieses Jahr bis auf eine belegt. Ein paar tausend Quadratmeter haben wir also schon noch in Reserve. Außerdem können wir die Hallen mobil erweitern und zudem Flächen wie den Zeppelin-Hangar zumieten. Wir haben schon noch Platz, und ich denke, dass wir unsere Kapazitäten auch in den nächsten Jahren noch nicht völlig ausschöpfen müssen.
 
Am Anfang waren es Segelflieger und Drachen, dann kamen Motorflugzeuge dazu, in den 2000ern die modernen ULs und heute reden wir vor allem über den Elektroflug. Spiegelt die Messe nur den technischen Fortschritt oder gestaltet sie ihn aktiv mit?

Natürlich ist eine Messe immer ein Spiegel der Entwicklung, denn hier werden die Neuheiten gezeigt, der Stand der Technik präsentiert. Andererseits bin ich überzeugt, dass die
AERO durch den unmittelbaren Vergleich der Hersteller auch einen Innovationsdruck schafft. Die Besucher sehen, wer vorne liegt, und die Fachpresse berichtet darüber. Wer hier mitmischen will, muss innovativ sein, sonst wird er abgehängt.

In den vergangenen Jahren hat sich die Messe stetig internationalisiert, viele ausländische Unternehmen stellen hier aus. Vor allem China erschien als inte-ressanter Markt. Wie ist die Situation in diesem Jahr?

Grundsätzlich sind wir nach wie vor sehr international aufgestellt. Gut 60 Prozent der Aussteller und der Besucher kommen aus dem Ausland, und auch aus unserer Sicht ist Asien der Wachstumsmarkt der Zukunft, auf dem wir mitmischen wollen. Allerdings haben wir festgestellt, dass es nicht so schnell geht, wie man das anfangs erwartet hatte. Es wird dort zwar aktuell viel Infrastruktur aufgebaut, aber die Öffnung des Luftraumes lässt noch auf sich warten. Wenn es in China aber richtig losgeht, wollen wir einen Fuß in der Tür haben und uns mit der AERO Asia als starker Partner positionieren.

Gerade im Bereich der Batterietechnik sind die Asiaten stark. Merkt man das im Bereich Elektroflug?

In China gibt es interessante Entwicklungen im Elektroflug, beispielsweise die bemannte Drohne Ehang oder das Elektroflugzeug Yuneec. Da existieren durchaus potente Hersteller, die Potenzial haben, aber es fehlt noch an Zulassungen für Europa oder die USA. Ich denke, die Industrie wird sich aus dem chinesischen Markt heraus entwickeln und in einigen Jahren auch bei uns auf der Messe zu sehen sein.

Der Elektroflug hat mit der eFlight-Expo seinen festen Platz auf der AERO, ist aber immer noch eine Nische. Hat sich mit den erfolgreichen Tests der Elektro-Extra, der Hamilton aEro und der Weltumrundung der Solar Impulse etwas an der Wahrnehmung des Elektroflugs geändert?

Ich denke schon. Anfangs wurden sowohl wir als Ausrichter der eFlight-Expo als auch die Aussteller in diesem Segment eher belächelt.  Das lag alles zu weit in der Zukunft und erschien unrealistisch. Aber das Umdenken wird hier immer deutlicher, denn die Elektroflugzeuge, die erfolgreich erprobt wurden, versprechen geringe Abgas- und Lärmemissionen. Das sind schlagende Argumente, vor allem an Flugplätzen mit hohem Verkehrsaufkommen.

In diesem Jahr wird es erstmals seit 2010 wieder ein Flugprogramm geben, in dem konsequenterweise auch der Elektroflug eine Rolle spielt. Warum hat man sich seinerzeit davon verabschiedet?

Es gab damals einen harten Schnitt. Zum einen sind wir in den jährlichen Turnus gewechselt, zum anderen wollten wir uns professionalisieren. Eine Airshow ist schön, zieht aber Besucher aus den Hallen, was den Ausstellern freilich nicht schmeckt. Wir haben mit dem Verzicht auf die Airshow klargestellt, dass wir ein Messe- und kein Airshowveranstalter sind. Das hat uns zwar einerseits das – ich nenne es mal „Eventpublikum“ gekostet, das vor allem wegen der Flugschau die Messe besucht hat, andererseits hat es den Ausstellern eine klare Botschaft vermittelt, nämlich dass sie im Mittelpunkt stehen. Angesichts unseres Jubiläums aber wollen wir mit der einstündigen Airshow, die von Oldtimern als Ursprung der Luftfahrt bis hin zu Elektroflugzeugen als ihre Zukunft die Bandbreite der Fliegerei zeigt, ein Event für die Besucher bieten und uns so für ihre Treue bedanken.

Wie wird das Jubiläum darüber hinaus gefeiert?


Da fokussieren wir uns auf die Aussteller. Viele von ihnen sind über die Jahre zu verlässlichen Partnern geworden, und dafür wollen wir uns mit einer großen Party im Zeppelin-Hangar bedanken. Aber keine Angst: Wir verzichten auf lange Reden zur Selbstbeweihräucherung. Es wird vielmehr ein entspanntes Get-together in aviatischer Atmosphäre.

Jubiläen sind immer auch Anlass, alte Anekdoten hervorzukramen. Wenn Sie auf Ihre Zeit bei der AERO zurückblicken – welche Ereignisse sind Ihnen im Gedächtnis geblieben?


In jedem Fall der Aufwand der Anfangsjahre. Wir mussten die Flugzeuge vom Flughafen am Stadtrand zum Messegelände in der City schieben – mit allem, was dazugehört, wie Straßensperrungen, Baumfällungen und Demontage von Laternen und Schildern. Und man musste die Gäste mit Bussen im Minutentakt zur
Airshow am Flugplatz fahren. Zudem war Friedrichshafen Garnisonsstadt der Franzosen, und mein damaliger Chef Ernst Haller und ich mussten vor der AERO einmal beim Kommodore antanzen und uns seine Belehrung anhören. Im Anschluss gab es eine Flasche Schampus, und wir tranken auf gutes Gelingen.

Das sind die Geschichten, an die man sich gerne erinnert. Gab es auch Rückschläge?

Ich erinnere mich an ein tragisches Ereignis, ich glaube, es war 1995. Da ist ein Flugzeug mit Besuchern im Anflug direkt vor dem Flugplatz abgestürzt. Der Pilot hatte sich wohl beim Sprit verkalkuliert. Jedenfalls war die Stimmung im Keller, an eine spektakuläre Airshow nicht zu denken. Damals hat Walter Extra die
Moderation gemacht, und es ist ihm gelungen, überaus pietätvoll durch das deutlich reduzierte Flugprogramm zu führen. Das vergesse ich ihm nicht.

Von der Vergangenheit der Sprung in die Zukunft: Stellen Sie sich vor, Sie laufen durch die Messehallen der 50. Auflage der AERO. Welche Flugobjekte würden Sie wohl am meisten begeistern?

Ich bin Oldtimerfan, ganz egal, ob zu Land, auf dem Wasser oder in der Luft. Deswegen sind es wahrscheinlich selbst in 25 Jahren noch die Oldies. Bei allen Zukunftsvisionen darf man die Anfänge nicht vergessen. Wobei, wenn ich so drüber nachdenke, würde ich wahrscheinlich auch ein Elektro- oder Wasserstoff-Flugzeug sehr spannend finden, eines, das den Traum vom Fliegen mit der zunehmenden Notwendigkeit des emissionsfreien Antriebes verbindet.

Das Interview führte Lars Reinhold

aerokurier 04/2017

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