Interview
Mit Gin und Wein - und Helischein

Julica Renn hat sich mit der PPL-H einen Traum erfüllt. Im aerokurier-Interview erzählt die junge Managerin, wie die Fliegerei ihr Leben verändert hat, warum sie Frauen zum Fliegenlernen ermuntert und was ein edler Gin mit dem berühmt-berüchtigten Mile High Club zu tun hat.

Mit Gin und Wein - und Helischein

Julica, du warst Weinprinzessin, bist Landwirtin, Master of Science, Hotel-Geschäftsführerin und jetzt auch noch Helikopterpilotin. Klingt nach einer ziemlichen Powerfrau. Stimmt das, oder täuscht der Eindruck?

Wenn man so was über sich selbst sagt, dann klingt das immer ein bisschen eingebildet und abgehoben. Ich würde es eher so formulieren, dass ich alles, was ich tue, mit Liebe und Leidenschaft angehe. Wenn dann der Eindruck der Powerfrau entsteht, dann kann ich damit leben.

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Wie bist du zur Fliegerei gekommen? Gab es eine familiäre Vorbelastung?

Meine Mutter war Fallschirmspringerin, hat aber nach einem Unfall aufgehört. Mit meinem eigenen Einstieg in die Luftfahrt hat das aber nichts zu tun. Bei mir war es so, dass mich ein Studienkollege mit Heli-Schein auf einen Flug mitgenommen hat. Und das hat mich völlig umgehauen! Zum einen hat mich fasziniert, wie er den Hubschrauber beherrscht und nebenbei navigiert und funkt. Und dann der wunderschöne Bodensee von oben im letzten Abendlicht kurz vor Sunset. Das hat mich nicht mehr losgelassen.

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Bei euch auf dem Burgunderhof, den du mit deinen Eltern betreibst, spielt die Ökologie eine zentrale Rolle. Wie passt da der lärmende, stinkende Helikopter ins Bild? Kommt da deine rebellische Seite zum Vorschein?

Klaro! Nein, ganz im Ernst, der Heli ist eine Leidenschaft. Leidenschaften sind oft unvernünftig. Aber durch die ökologische Orientierung nseres Betriebes hat meine Familie in Bezug auf Umweltschutz meiner Meinung nach eine Menge auf der Haben-Seite. Da reißen auch die paar Hubschrauber-Flugstunden im Jahr die Gesamtbilanz nicht ein.

Frauensache: Die Vorflugkontrolle am Hubschrauber. Foto und Copyright: Lars Reinhold

Frauen sagt man ja nach, mehr Feingefühl als Männer zu besitzen. Macht sich das beim Heli-Fliegen bemerkbar?

Da kann ich nur meinen Fluglehrer Christof Klausmann von Bodensee Helicopter zitieren. Der hat mir erzählt, dass er mehr als 30 Männer, aber nur zwei Frauen ausgebildet hat. Die Frauen zeichneten sich durch das angesprochene Gefühl aus und haben die Beherrschung des Helis wohl schneller draufgehabt als die Herren der Schöpfung. Deren Stärke sei wiederum das technisch-physikalische Verständnis. Wir Mädels fliegen einfach und machen uns möglicherweise nicht so viele Gedanken um die Technik. Allerdings weiß auch ich natürlich genug über das Fluggerät, um es vor dem Start ordentlich durchchecken zu können.

Frauen in der Fliegerei sind selten, im Hubschraubercockpit umso mehr. Kannst du dir erklären, warum so wenige Mädels den Weg ins Cockpit finden?

Ich glaube, es ist die Angst, in dieser Männerdomäne nicht ernst genommen zu werden. Sie wollen nicht doof dastehen, das ist wie beim Autofahren mit den EinparkWitzen. Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, diese Angst ist absolut unangebracht. Natürlich wird man als Frau erst mal mit großen Augen angeguckt, wenn man auf dem Flugplatz aufschlägt, aber dann wird man mit offenen Armen empfangen und bekommt den Respekt unter Piloten. Und, ganz ehrlich, viele Männer freuen sich über weibliche Gesellschaft, mit der man über die gemeinsame Leidenschaft fachsimpeln kann. Mein Tipp an die Mädels: Einfach mal eine Schnupperstunde machen und sich vom Fliegen faszinieren lassen!

Es gibt ja diesen Witz „Woran erkennt man einen Heli-Piloten auf einer Party? – Er erzählt´s dir“, der auf die vermeintliche Selbstdarsteller-Ader dieser sehr speziellen Klientel anspielt. Ist der völlig aus der Luft gegriffen?

Aus meiner Erfahrung: nein. Es gibt tatsächlich Leute, die den Helischein machen wollen, um dann damit angeben zu können. Aber das sind oft auch jene, die in der Ausbildung scheitern, weil sie feststellen müssen, dass sich fehlender Biss nicht mit Geld kompensieren lässt. Aber das Gros der Piloten, die ich kenne – egal ob Fläche oder Rotor – sind einfach nur begeisterte Flieger, die diese Selbstbestätigung nicht brauchen. Sie leben einfach ihre Leidenschaft.

Wie hat dein Umfeld reagiert, als du angekündigt hast, den Schein zu machen?

Meine Eltern haben mich von Anfang an unterstützt. Vor Freunden habe ich zunächst versucht, es geheim zu halten, damit eben genau das Klischeebild der kleinen Blondine, die jetzt meint, Hubschrauber fliegen zu müssen, nicht aufkommt. Aber jeder, der es im Laufe der Zeit erfahren hat, hat positiv reagiert. Aber ich erlebe hin und wieder zumindest überraschte Gesprächspartner, die mir das einfach nicht zugetraut hätten.

Hat die Flugausbildung deinen Blick auf die Dinge am Boden verändert? Was hast du dabei über dich gelernt?

Ja, das Fliegen hat mich verändert. Ich habe einen fordernden Job, bin viel unterwegs, aber wenn ich die Flugplatzschranke hinter mir lasse, dann ist das alles weg. Beim Fliegen kann ich komplett abschalten und mich voll und ganz auf das fokussieren, was ich tue. Alles andere wäre ja auch fahrlässig. Aber es stimmt schon, dass sich aus der Vogelperspektive manche Probleme, die am Boden übermannsgroß erscheinen, deutlich relativieren.

Dein Bruder ist bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Bewertet man mit einer solchen persönlichen Erfahrung die
Risiken der Fliegerei anders als andere Piloten?

Als das passiert ist, war ich gerade mal elf Jahre alt, und so richtig nimmt man das in dem Alter für meine Begriffe nicht wahr. Tatsächlich ist es so, dass meine Eltern daraufhin nicht etwa versucht haben, alle Risiken von mir fern zu halten. Im Gegenteil, sie haben mich stets ermuntert, mich den Risiken des Lebens zu stellen. Und ganz ehrlich: Beim Fliegen haben wir als Piloten das Risiko zum großen Teil in der eigenen Hand. Fliegen ist nur so gefährlich, wie man es sich selber macht.

Gemeinsam mit ihren Eltern betreib Julica Das Hotel Burgunderhof und Hagnau am Bodensee. Foto und Copyright: Lars Reinhold

Themenwechsel. Eine junge, gut aussehende Pilotin kreiert einen Gin und nennt ihn – doppelt unzweideutig – „Mile High 69“. Fliegende Feministinnen können darüber mutmaßlich nicht lachen ...

Aber Beate Uhse hätte es bestimmt grandios gefunden!

Kann gut sein. Aber wie kam es dazu? Keine Bedenken, den guten Ruf der Familie Renn anzukratzen?

Mile High und 69 – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ich hoffe, die Leser glauben mir das, wenn ich sage, dass für die Herstellung meines Gins exakt 69 Schritte notwendig sind. Als ich mit der Brennerei angefangen habe, war ich mitten in meiner 2013 begonnenen Flugausbildung. Und so kam eins zum anderen. Die Geschichte um den Piloten und Konstrukteur Lawrence Sperry, der mit Waldo Polk als Erster an Bord eines fliegenden Luftfahrzeugs Sex gehabt haben soll, ist legendär. So kam der Name zustande. Meiner Leidenschaft für die Fliegerei folgend, sind dann auch das Logo mit dem Propeller und die Aluminiumflasche samt Drahtsicherung und Plombe entstanden. Und mit dem Augenzwinkern, mit dem ich das verkaufe, kann auch meine Familie sehr gut leben. Hab ich eigentlich erwähnt, dass von jeder Charge exakt 1852 Flaschen abgefüllt werden?

Klingt schwer nach einer nautischen Meile… Taugt der Nimbus von Abenteuer und großer, weiter Welt, der die Fliegerei auch heute noch umweht, auch im Jahre 2018, um damit Produkte zu vermarkten?

Fliegerei geht meiner Meinung nach immer. Wenn man das Ganze noch mit einer Prise Sexyness verfeinert, dann fühlen sich überraschend viele Leute angesprochen. Andererseits funktioniert das nur,wenn das derjenige, der es verkauft, auch authentisch rüberbringt. Und da sage ich ganz klar: Ich liebe die Fliegerei. Das ist nicht aufgesetzt fürs Marketing, das bin ich!

Du hast mal gesagt, dass du mit dem Namen „Mile High 69“ das Gefühl vermitteln willst, das sich zwischen den Wolken ab einer Meile Höhe für dich einstellt. Wie würdest du dieses Gefühl beschreiben?

Das kann ich in drei Worten zusammenfassen: Freiheit, Genuss, Lebensfreude.

Alkohol und Fliegerei sind ja zwei Dinge, die eigentlich nicht zusammengehen, wie wir in der Theorie gelernt haben. Wie siehst du das?

Volle Zustimmung! Einen edlen Gin genießt man nach dem Flug, es sei denn, man ist nur Passagier. Dann geht das auch an Bord.

Wie soll es fliegerisch bei dir weitergehen?

Aktuell bin ich im Type Rating für die R44. Ich glaube, das ist das, was von der Größe her sinnvoll für einen Privatpiloten ist, alles darüber wird unfassbar teuer. Wobei – mal eine EC135 oder so was fliegen, das wäre schon irgendwie cool. Ach so, die PPL-A habe ich jüngst auch noch angefangen.

Logische Abschlussfrage: Bist du Mitglied im Mile High Club?

Reicht es, wenn ich diese Frage allein mit einem Lächeln beantworte?

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aerokurier 04 / 2023

Erscheinungsdatum 20.03.2023