50 Jahre Robinson R22: Vom Minihubschrauber zum Verkaufsschlager

Eine kleine Legende wird 50
Die Robinson R22 und ihre Geschichte

ArtikeldatumVeröffentlicht am 17.08.2025
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Robinson_R22
Foto: Simon Wittinger

Seine Chefs bei Hughes Aircraft wollten nicht hören, was Frank Robinson als Marktlücke ausgemacht hatte: Einen Hubschrauber technisch so einfach wie möglich gehalten, der die Ausbildung und das private Helikopterfliegen zu überschaubaren Kosten möglich machen sollte. Also blieb dem Luftfahrtingenieur, der unter anderem an der Hughes OH-6 mitgearbeitet und deren massive Probleme mit dem Heckrotorsystem schließlich in den Griff bekommen hatte, nichts anders übrig, als seinem Arbeitgeber den Rücken zu kehren und die Idee auf eigene Faust umzusetzen.

Klare Ziele trotz Kompromissen

Die groben Eckdaten standen schnell fest: 100 mph (161 km/h) Reisegeschwindigkeit und 200 NM (370 km) Reichweite. Als Antrieb sollte der Lycoming O-320 zum Einsatz kommen, der bereits in zahlreichen viersitzigen Flugzeugen unter der Cowling werkelte. Allerdings, im Hubschrauber fehlte dem Aggregat insbesondere im Schwebeflug der kühlende Fahrtwind, sodass es zunächst auf 124 PS gedrosselt werden musste, um die notwendige Standfestigkeit und Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Zwar sorgte ein Gebläse für etwas Abhilfe, dennoch war Robinson schnell klar, dass er auf maximalen Leichtbau setzen musste, um ein akzeptables Leistungsgewicht zu erreichen.

Entsprechend zart und zerbrechlich wirkt die Robinson R22 noch heute. Deren Urkonzept stellte Frank Robinson im Juni 1973 vor. Ihre minimalistische Struktur besteht aus einem Gerüst von Chrom-Molybdän-Stahlrohren, einer tropfenförmigen Zelle aus Aluminium und Plexiglas, kombiniert mit einem Zweiblattrotor ohne Hydraulik und einem einfachen Heckausleger. Ein Hubschrauber näher am Moped als am SUV. Im Cockpit teilen sich Pilot und Co-Pilot eine gemeinsame, kurios anmutende "Krücke" als Steuerorgan.

Frank-Robinson
Robinson

Robinson persönlich am Knüppel

Als Frank Robinson persönlich im August 1975 mit der R22 zum Erstflug abhob, wurde sein schmächtiger Mini-Hubschrauber von vielen belächelt. Doch das 1979 von der FAA zugelassene Konzept erwies sich als goldrichtig: Die Ölkrise hatte Kerosin verteuert und die Betriebskosten von Turbinenhubschraubern in astronomische Höhen getrieben.

Neben reichen Privatleuten und selbst fliegenden Mittelständlern entdeckten bald auch Flugschulen die kostengünstige Robinson. Ab rund 330.000 Dollar Neupreis und bei Betriebskosten von etwa 150 Dollar pro Stunde oder Charterkosten unter 300 Dollar pro Stunde flog die Robinson für einen Hubschrauber beinahe unerhört günstig – beziehungsweise fliegt sie noch heute.

Der Mini-Chopper aus Torrance verkaufte sich wie geschnitten Brot. Staubeobachter, TV-Stationen, Farmer und Cowboys orderten die kleine Kalifornierin. Robinson tüftelte unterdessen weiter, stattete die R22 bald mit stärkeren Motoren mit Einspritzanlage aus und vergrößerte das Konzept zur viersitzigen R44, dem derzeit erfolgreichsten Modell der Familie. Das Flaggschiff des Unternehmens ist inzwischen die große, fünfsitzige R66 mit Turbinenantrieb, Hydraulik und modernster Avionik.

Kein Wunder, dass Robinson im April 2021 die Auslieferung des 13.000. Hubschraubers der Familie vermelden konnte, davon knapp 5000 R22. Spannender Nebenaspekt der Erfolgsstory: Frank Robinsons Idee hatte sich ganz ohne ein vorheriges Militärprogramm zur Finanzierung am zivilen Markt weltweit als meistverkaufter Hubschrauber durchgesetzt.

Und die Geschichte geht weiter, denn mit der R88, die Robinson am 11. März 2025 auf der Hubschraubermesse Verticon in Dallas erstmals der Öffentlichkeit vorstellte, steht das nächste und noch größere Modell in den Startlöchern.

Schattenseite der Erfolgsstory

Die Erfolgsgeschichte hat allerdings auch eine Schattenseite, denn anfangs machte die R22 mit einer Serie von Unfällen von sich reden. Hier spielten vor allem die Nutzung in der unfallträchtigen Schulung, das Fliegen von privaten Haltern mit niedriger Gesamtflugerfahrung, der raue, nicht immer vorschriftsmäßige Einsatz in der Landwirtschaft zum Viehtreiben im Tiefstflug und das Umsteigen von Militärpiloten von großen Mustern auf den für sie ungewohnt empfindlichen Leichthubschrauber eine Rolle.

Überdies – und dieses konstruktionsbedingte Manko wurden die R22 und ihre größeren Schwestern nie ganz los – gilt das Muster aufgrund des sehr leichten Rotorsystems, das nur wenig Rotationsenergie speichern kann, als überaus anspruchsvoll bei Autorotationslandungen im Fall eines Triebwerksversagens.

Mit gezielten Trainingsprogrammen gelang es Robinson allerdings, die anfänglichen Makel in der Unfallstatistik zu tilgen. Auch im deutschsprachigen Raum sind Robinson-Hubschrauber in Sachen Flugsicherheit heute nicht mehr auffällig, nachdem auch hier anfangs eine beunruhigende Unfallserie zu beklagen war. Die daraufhin von der BFU in Braunschweig sorgfältig durchgeführte Untersuchung endete mit einer stark veränderten Neufassung des deutschen Flughandbuchs.

Im Laufe eines halben Jahrhunderts haben weltweite Einsätze in allen Klimazonen und Anwendungsfeldern bewiesen, dass die Robinson-Hubschrauber bei sorgfältiger Behandlung und korrekter Wartung sehr sicher zu betreiben sind. Gut zwei Drittel der Fertigung gehen heute in den Export. Selbst Marineflieger in Mexiko und auf den Philippinen sowie die Heeresflieger der Dominikanischen Republik setzen die Robinson für das Pilotentraining ein. Als neueste Version gibt es die R22 auch als unbemannte Drohne UVH R22 zur Aufklärung und als fliegende Testplattform.