Bei vielen potenziellen Gefahren im Cockpit kann man das Risiko durch Training und gute Flugvorbereitung zumindest deutlich reduzieren. Eine Gefahr aber bleibt selbst für Piloten mit viel Erfahrung ohne technische Hilfsmittel schwer beherrschbar: eine Kollision. Dabei spielt der Zufall oft eine fatale Rolle. Auch im Untersuchungsbericht BFU18-0398-3X der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung sind es Bruchteile von Sekunden, die über das Schicksal der Piloten entscheiden. Am Unfalltag, dem 15. April 2018, herrschen im Südwesten Deutschlands gute Sichtflugbedingungen. Eine Cirrus SR20 startet um 14:20 Uhr von Stuttgart Richtung Schwäbisch Hall. Der Pilot will sich auf einen Checkflug für seine Instrumentenflugberechtigung vorbereiten. Er plant einen ILS-Anflug auf den Flugplatz Schwäbisch Hall. In der Lizenz des 74-Jährigen sind Berechtigungen für mehrmotorige Flugzeuge (MEP land), eine IFR-Berechtigung sowie eine Lehrberechtigung eingetragen. Mit 830 Flugstunden und mehr als 1400 Starts und Landungen hat er bereits viel Erfahrung gesammelt.
Hohes Verkehrsaufkommen
Um 14:45 Uhr nimmt er Kontakt mit dem Flugleiter von Schwäbisch Hall auf und informiert sich über die Verkehrslage am Platz. Da nach dessen Auskunft noch ein anderer IFR-Anflug zu erwarten ist, beschließt er, den Verkehr zunächst im Holding über Dinkelsbühl VOR abzuwarten. Im Folgenden muss er nach mehreren Erkundigungen über die Verkehrslage seinen geplanten Landeanflug wegen hohen IFR-Verkehrsaufkommens erneut abbrechen. Zwei weitere Anflüge bricht er kurz darauf ebenfalls ab, diesmal wegen abfliegender Segelflugzeuge. Fast zwei Stunden nach seinem Start in Stuttgart nähert er sich dann ein weiteres Mal in einem langen Endanflug der Piste 28 von Schwäbisch Hall.
Drei Maschinen im Anflug
Zur selben Zeit sind wieder mehrere andere Flugzeuge im Anflug auf die Piste 28, darunter ein Ultraleichtflugzeug des Typs D4 Fascination. Der 76-jährige UL-Pilot ist auf dem Rückflug von Regensburg. Auch er hat mehrere hundert Stunden Erfahrung auf verschiedenen ULs und ist im Umgang mit seinem Fluggerät routiniert. Er dreht in diesem Moment in die nördliche Platzrunde ein. Hinter ihm hat sich eine weitere Maschine, eine Super Dimona HK 36, zur Landung eingereiht. Der Motorsegler bewegt sich langsamer und mit Abstand zum vorausfliegenden UL. Um den Verkehr zu ordnen, meldet der Flugleiter über Funk eine Landereihenfolge: Demnach ist die Cirrus Nummer eins, es folgen die Fascination als Nummer zwei und die Dimona als Nummer drei. "D4 Fascination, haben Sie den Verkehr im Endanflug in Sicht?", fragt der Flugleiter den UL-Piloten. Dessen Antwort: "Negativ, aber ich müsste eigentlich dahinter sein." Doch das ist eine Fehleinschätzung, denn die Cirrus befindet sich im langen Endanflug und meldet ihrerseits: "Ich sehe keinen."

Die SR20 war von hinten ins Heck des ULs gekracht. Dessen Leitwerk lag direkt neben dem Wrack der Cirrus.
Augenblicke vor der Kollision
Lediglich der Pilot des Motorseglers sieht, dass die Fascination vor der Cirrus aus dem Queranflug in den Endanflug zur Piste 28 eindreht. Dabei überfliegt der UL-Pilot die Anfluggrundlinie und kurvt kurz danach wieder in den Endanflug ein. Die Fascination fliegt mit rund 80 Knoten deutlich langsamer als die Cirrus, die sich mit rund 120 Knoten im langen Final von rechts hinten dem vorausfliegenden UL nähert. Der UL-Pilot meldet nun: "Die D4 Fascination wäre jetzt gleich im Endteil." Daraufhin versucht der Flugleiter, die brenzlige Situation zu entschärfen: "Cirrus SR20, der ist vor Ihnen gerad, äh, äh, durchgeflogen. Der müsste vor Ihnen sein." Allerdings hat der Pilot des Motorseglers in diesem Moment als einziger der drei Piloten den Überblick über die Situation: "HK 36 hat beide in Sicht, jetzt", meldet er über Funk. Ohne zu ahnen, in welcher Gefahr er sich befindet, reagiert der UL-Pilot kurz darauf mit seiner letzten Funkmeldung: "Dann ist die Cirrus SR20 jetzt die Nummer eins." Mit einer weiteren Warnung versucht der Flugleiter nochmals einzugreifen: "D4 Fascination, direkt rechts von dir, direkt rechts von dir!" Doch der UL-Pilot kann die Cirrus nicht sehen, weil sie sich von hinten nähert, allenfalls der Cirrus-Pilot könnte die Gefahr noch erkennen. Kurz darauf aber kracht die Cirrus von hinten kommend ins Leitwerk der Fascination. Der Motorseglerpilot beobachtet das Geschehen aus dem Queranflug: "... beide runtergefallen, beide runtergefallen", meldet er. Von den anderen beiden Piloten ist nichts mehr zu hören.

Vergeblich versucht der Flugleiter mit einer weiteren Warnung nochmals einzugreifen. Das Wrack der Cirrus liegt etwa 1000 Meter östlich der Schwelle zur Piste 28 auf einem Feldweg, das der Fascination etwa 500 Meter weiter entfernt auf einer Wiese.
Unfallanalyse durch das BFU
Keiner der beiden Piloten überlebt die Kollision. Das Wrack der Cirrus liegt etwa 1000 Meter östlich der Schwelle zur Piste 28 auf einem Feldweg, das der Fascination etwa 500 Meter weiter entfernt auf einer Wiese. Das UL fängt unmittelbar nach dem Aufprall Feuer und brennt fast völlig aus. Teile der Fascination sind über ein rund 500 Meter langes Trümmerfeld verteilt. Das Leitwerk des ULs liegt unmittelbar neben dem Wrack der Cirrus. Deren Rumpf ist stark gestaucht und verdreht, der Antrieb steckt tief im Erdboden, das Cockpit ist völlig zerstört. Um die Umstände der Kollision aufzuklären, rekonstruieren die Ermittler der BFU die letzten 70 Sekunden vor dem Zusammenstoß anhand der Radardaten und des Funkverkehrs. Als einen Ausgangspunkt der Havarie identifizieren die Ermittler den Funkspruch des Flugleiters "D4 Fascination, haben Sie den Verkehr im Endanflug in Sicht?". Dieser mache deutlich, dass der Flugleiter fälschlicherweise davon ausging, dass die Cirrus als Nummer eins in der Landereihenfolge flog. Dem aufgezeichneten Funkverkehr ist außerdem zu entnehmen, dass keiner der beiden verunglückten Piloten vor der Kollision das andere Flugzeug in Sicht hatte. Mit der Meldung "Der ist vor Ihnen gerad, äh, äh, durchgeflogen" habe der Flugleiter versucht, das Lagebild zu korrigieren, was ihm jedoch in dieser Phase nicht mehr gelang. Der UL-Pilot hatte offenbar bis zur Kollision nicht bemerkt, dass sich die Cirrus von hinten näherte. "Dann ist die Cirrus SR20 jetzt die Nummer eins", hatte er wenige Sekunden vor dem Zusammenstoß noch gemeldet. Die BFU geht davon aus, dass die unzureichende Kommunikation im Zusammenspiel mit dem hohen Verkehrsaufkommen, teilweise mit Mischverkehr, ein wesentlicher Faktor für die Gefahrensituation darstellte.

Das Wrack der Fascination brannte nach dem Aufschlag aus.
Mischverkehr und späte Meldung
Eine Broschüre, die der Flugplatzbetreiber nur wenige Monate vor dem Unfall, am 25. Oktober 2017, zur Erhöhung der Flugsicherheit am Flugplatz Schwäbisch Hall herausgegeben hatte, weist ausdrücklich auf die Gefahren durch den häufigen VFR-/IFR-Mischverkehr hin. In dem Papier heißt es: "Falsche Meldungen führen täglich zu Verwirrung von Piloten und der Flugleitung und zu gefährlichen Situationen. Doch nicht nur falsche, sondern auch späte Meldungen können potenziell gefährlich sein." Bei Meldungen aus einer Position über der markanten Kochertalbrücke sei die Zeit für eventuell nötige Warnungen sehr gering. Außerdem warnt der Safety Letter vor zu späten Positionsangaben im Anflug: "Bei Meldungen gar erst im Gegenanflug/rechten Gegenanflug gibt es kaum noch Chancen, auf anderen Verkehr hinzuweisen", so der Flugplatzbetreiber. Als weiteren Faktor, der zum Unfallgeschehen beigetragen hat, sehen die Ermittler die hohe Arbeitsbelastung des Cirrus-Piloten, der allein einen ILS-Anflug durchführte und daher vermutlich die Luftraumbeobachtung vernachlässigte. Außerdem habe der UL-Pilot trotz Überschießen der Anfluggrundlinie und einer falsch eingeschätzten Verkehrssituation kein Fehlanflugverfahren eingeleitet. Das Sicherheitsverfahren "See and Avoid" hatte beim Anflug der beiden Unfallmaschinen völlig versagt. Hinzu kommt: Keines der Flugzeuge war mit einem Kollisionswarngerät ausgestattet.