Eine Antares mit FES! So würde ein Außenstehender aller Wahrscheinlichkeit nach den Testträger der AdvanTec GmbH beschreiben, der im März seine Flugerprobung begonnen hat. Und so richtig daneben läge er damit gar nicht, denn die Zelle stammt tatsächlich von der Antares 20E, dem seinerzeit ersten voll zertifizierten Segelflugzeug mit Elektroantrieb. Mehr als den Rumpf und die Tragflächen hat der als AdvanTec 01 bezeichnete Erprobungsträger mit einer herkömmlichen Antares von Lange Flugzeugbau aber nicht gemein. Als Propellermotor kommt hier anstatt des aus dem Rumpfrücken ausfahrenden Antriebs ein Front Electric Sustainer zum Einsatz, der allerdings deutlich mehr Leistung liefert als die bisher beispielsweise in Schempp-Hirth-Flugzeugen oder DG-Mustern verbauten Nasenantriebe. Auf Anforderung von AdvanTec hat der slowenische Zulieferer LZ Design den Motor auf Steroide gesetzt, sodass jetzt 35 Kilowatt Peak und 30 Kilowatt Dauerleistung möglich sind. Auch der Propeller wurde entsprechend angepasst, um die höhere Leistung in Schub umzusetzen.
Die übrige Ausrüstung des Flugzeugs hat AdvanTec ebenfalls verändert: Zunächst sind die klassischen FES-Akkus im Motorkasten untergebracht. Mit ihnen soll zunächst das Antriebssystem auf den ersten Flügen, zu denen noch im Flugzeugschlepp gestartet wird, erprobt werden. Die Reichweite projektiert das Unternehmen mit den Rumpfbatterien auf 140 Kilometer. Ist dies erledigt, folgt die Erprobung im Eigenstart. Als nächste Ausbaustufe ergänzen selbst entwickelte Batteriemodule samt ebenfalls selbst entwickeltem Batteriemanagement-System in den Tragflächen, die etwa 18 Kilowattstunden speichern, die Rumpfbatterien, womit die Gesamtkapazität auf 23 Kilowattstunden und die Reichweite auf etwa 450 Kilometer steigen. "Das eigentliche Ziel aber erreichen wir mit Stufe drei", erklärt Stefan Gorkenant, einer der beiden Köpfe hinter dem Projekt. "In der finalen Ausbaustufe wird im Rumpf ein Wankelmotor mit Generator als Range Extender installiert, der sich automatisch zuschaltet, wenn mehr elektrische Energie benötigt wird, als die Akkus liefern können." Reichweiten von 2500 Kilometern seien so möglich, erklärt Gorkenant und weist darauf hin, dass es nicht beim Benzinmotor bleiben müsse. "Der Antriebsstrang ist bezüglich der Energiequelle flexibel, sodass auch eine mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle den Strom liefern kann. Und da wollen wir schlussendlich hin."

Der Antriebsstrang aus FES-Motor, Controller und Wankelmotor samt Generator existiert bereits. Im Labor der AdvanTec im Augsburger Technologiezentrum sind alle Komponenten auf einem Prüfstand funktionsfähig zusammengebaut. Lediglich die Akkus der Testanordnung sind noch klassische Bleibatterien, die hier die Funktion als Pufferspeicher übernehmen und bei Weitem nicht die Leistung der Zellen erreichen, die am Ende im Flugzeug verbaut werden sollen. Aber warum ausgerechnet ein Wankelmotor als Antrieb für den Range Extender? "Er hat für diese Anwendung eine Reihe von Vorteilen", erklärt Stefan Senger, Luftfahrtingenieur und Gründer von AdvanTec. "Der Wankel kommt mit einer sehr geringen Anzahl an Teilen aus, die zudem ausschließlich Rotationsbewegungen ausführen. Dadurch läuft er extrem vibrations- und geräuscharm." Der Erklärung lässt Senger auch gleich eine Demonstration folgen. Und tatsächlich macht der Antrieb auf dem Prüfstand weit weniger Lärm, als man vermuten könnte. "Der Großteil des Schalls entsteht am Auspuff, und wenn der clever geführt ist – im Fall des Prüfstandes als Metallschlauch nach draußen –, dann bleibt es drinnen angenehm leise, egal ob im Labor oder im Flugzeug."
Dass als Erprobungsträger ausgerechnet eine Antares zum Einsatz kommt, überrascht kaum. Segelflugzeuge verfügen über eine hochentwickelte Aerodynamik, die für das effiziente Fliegen ohne Motor auf minimalen Widerstand hin optimiert ist. Weiterhin ist die Struktur moderner Segler weit stabiler als die von Motorflugzeugen, da Außenlandungen stets einkalkuliert werden und die Zelle das ohne Schäden verkraften muss. "Die bereits fliegenden Antares haben gezeigt, dass der Elektroantrieb im Segelflugzeug problemlos machbar ist", sagt Gorkenant. "Wir nehmen jetzt diese Basis und entwickeln das Konzept weiter." Aufgrund der zahlreichen Modifikationen fungiert AdvanTec als Hersteller des Flugzeugs. Die Lange Aviation GmbH ist Zulieferer von Rumpf und Tragflächen.

Skalierbar für vielfältigen Einsatz
Auch wenn es beim Electrifly-In in Grenchen bereits Anfragen bezüglich der Nachrüstung des Front Electric Sustainer samt Akku und Range Extender gab, geht es AdvanTec nicht primär darum, ein neues Antriebssystem für den Segelflug auf den Markt zu bringen. "Ziel ist, den Antriebsstrang mit allen Komponenten vollständig für Luftfahrtanwendungen zu zertifizieren, sodass er in Motorflugzeugen, Tragschraubern, Unmanned Air Systems wie Drohnen oder in Multikoptern eingebaut werden kann", sagt Gorkenant. Allerdings: Aktuell prüfe man, ob sich das Antriebssystem mittels STC in die Antares nachrüsten ließe. Auf der AERO Ende April, wo AdvanTec in der Elektroflug-Halle ausstellte, konnten sich Interessierte bereits darüber informieren.
Dass das Engagement für mehr Effizienz in der Luftfahrt, das Stefan Senger mit seinem Team an den Tag legt, nicht allein wirtschaftlichen Überlegungen folgt, sondern Überzeugung und Erfindergeist entspringt, macht ein Blick in seinen Lebenslauf deutlich. Seit vielen Jahren entwickelt er als Dienstleister für namhafte Unternehmen wie Airbus, Dornier und Mitsubishi technische Lösungen, 2011 flog er beim Ulmer Berblinger-Flugwettbewerb die Antares 20E und siegte, wofür der Entwickler Axel Lange von Lange Aviation mit dem Berblinger-Preis ausgezeichnet wurde. Zwei Jahre später siegte er im Berblinger-Konstruktionswettbewerb mit der Idee zur AdvanTec 01. Wiederum zwei Jahre später gründete er das Projekt E-ROP zur Entwicklung des Hybridantriebssystems mit Fördergeldern aus der Luftfahrtforschung des Bundeswirtschaftsministeriums. Weitere Konsortialpartner sind Bürklin Elektronik, Engiro, LZ-Design und die DHBW Mosbach.

3D-Druck für die Luftfahrtindustrie
Neben dem Hybridantrieb und dem 23 Kilowattstunden starken Batteriesystem tüfteln Senger und Gorkenant, die sich seit einem Segelflugwettbewerb am Stillberghof 2004 kennen und gemeinsam einen Arcus betreiben und verchartern, noch an weiteren Komponenten. Ihr Know-how in der additiven Fertigung soll perspektivisch in einem speziellen Wärmetauscher münden, der in die Struktur des Flugzeugs integriert wird. So kann die Abwärme des Antriebs der AdvanTec 01 über den in die Flugzeugzelle integrierten Kühler abgeführt werden. Dieses Projekt betreibt AdvanTec gemeinsam mit der TU München und erhält dafür ebenfalls Fördermittel vom Bundeswirtschaftsministerium. Zudem fertigen sie in ihrer zweiten Firma VOCUS mittels industrieller 3D-Druckverfahren Teile wie Haubenscharniere, Bremshebel, aerodynamische Verkleidungen, Cockpitausstattungen sowie Flächenräder für Leicht- und Segelflugzeuge.