ACC Columbia: Ein Blick hinter die Kulissen

Firmenportrait ACC Columbia
Breit aufgestellt

Zuletzt aktualisiert am 13.10.2024
Breit aufgestellt
Foto: Patrick Holland-Moritz

Hanseatische Kaufmannsehre und kölsche Gelassenheit verschmelzen bei ACC Columbia Jet Service zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell. Mit zwei Hallen am Flughafen Hannover, jeweils rund 3600 Quadratmeter groß, und einem weiteren 1600-Quadratmeter-Hangar am Flughafen Köln/Bonn verfügt das Unternehmen über Kapazitäten, um an bis zu 15 Business Jets gleichzeitig auch komplexe Arbeiten auszuführen. In Prag, Eindhoven und auf Zypern können Kunden zudem auf hauseigene Line-Maintenance-Stationen für alltägliche Serviceleistungen zurückgreifen. Auch in Mitterskirchen, Schwelm und Wegberg ist die Marke ACC Columbia nach einigen Übernahmen präsent. Wie das alles zusammenhängt, erklären die beiden Geschäftsführer Nils Janßen und Christian Kinitz beim Besuch in Hannover.

Patrick Holland-Moritz

Der Stammbaum von ACC Columbia reicht zurück bis ins Jahr 1975. Die damalige TÜV Rheinland Luftfahrttechnik GmbH am Kölner Flughafen war auf die Wartung von Flugzeugen mit Kolbenmotor spezialisiert. 20 Jahre später ging aus ihr die Aviation Center Cologne Flugzeugwartung GmbH hervor, die ihr Geschäft – dem regen Ambulanzflugbetrieb in Köln sei Dank – auf die Maintenance der Bombardier-Jets vom Typ Challenger 601/604 und Learjet verlagerte.

Der zweite Grundstein für das heutige Unternehmen wurde im Jahr 2009 in Hannover mit der Gründung der neuen Firma Columbia Jet Service gelegt. Treibende Kraft war ein norddeutscher Unternehmer, der als Pilot eines Business Jets die Begeisterung fürs Fliegen bereits im Blut hatte. Ausschlaggebend für eine gelungene Gründung war, wie so oft bei solchen Projekten, aber auch der Kontakt zum heutigen Geschäftsführer Christian Kinitz, der den Unternehmer als Kunden von einem früheren Arbeitgeber kannte.

Was nun folgte, war ungewöhnlich: Der Plan, die soeben gegründete Columbia-Gesellschaft mit ihrem neuen Hangar zum Service-Center für Gulfstream zu machen, ließ sich nicht verwirklichen. So entschied man in Hannover, sich mit den Kölnern zusammenzuschließen und eigene Wege zu gehen. Der Branchen-Newcomer mit damals gerade einmal neun Mitarbeitern übernahm kurzerhand die renommierte ACC. Das neu gegründete Unternehmen gab die erworbene Part-145-Zulassung zurück, berief sich stattdessen auf die vorhandenen Zertifikate der Kölner ACC und bündelte die Expertise in der Business Aviation, um künftig gemeinsame Sache mit den Kölnern zu machen. Der gemeinsame Name lautet seitdem ACC Columbia.

Für Christian Kinitz und Nils Janßen, beide sind bekennende Nordlichter, ist die rheinländisch-niedersächsische Zusammenarbeit ein Erfolgsmodell, so unterschiedlich die Mentalität der lebensfrohen Kölner und der Hannoveraner manchmal – insbesondere an Karneval – auch sein mag. Das Team ist von 50 Mitarbeitern im Jahr 2009 auf aktuell 245 Frauen und Männer gewachsen, von denen die meisten am Haupt- und Verwaltungssitz in Hannover arbeiten. Zum Team gehören auch 38 Auszubildende, die die unterschiedlichsten Berufe lernen.

Patrick Holland-Moritz

Dass der Standort in der niedersächsischen Hauptstadt deutlich größer als der in Köln/Bonn ist, ist kein Zufall: Im Zuge von Corona, als die Business Aviation boomte, ergab sich die Chance, einen zweiten Hangar im Süden des Flughafens zu beziehen, um die gestiegene Nachfrage nach Wartungsdienstleistungen bedienen zu können. Eine Expansion in Köln/Bonn ist hingegen kaum möglich, denn Bauland oder leere Hallen sind im Rheinland ein knappes Gut. Ein Neubau an dem internationalen Flughafen wäre ein bürokratisch schwieriges Unterfangen. "Wir stehen in dieser Sache mit dem Flughafen in engem Austausch", sagt Christian Kinitz. Im Unternehmen gelten hier wie dort indes hanseatische Tugenden: Ein Wort ist ein Wort, Vertrauen wird großgeschrieben, und der persönliche Kontakt zum Kunden ist wichtig. "Wir sind an langfristigen Partnerschaften interessiert", sagen die beiden Geschäftsführer.

Patrick Holland-Moritz

Ein Herz für ältere Business Jets "Breite läuft": Mit diesen Worten beschreibt Christian Kinitz die Strategie von ACC Columbia, denn das Unternehmen sieht sich als Allrounder im MRO-Business. Ausschließlich Business Jets, die älter als fünf Jahre und nicht mehr in der Gewährleistung sind, rollen in die Hallen. Für die Kunden verliert die Bindung an die Wartungszentren der Hersteller mit fortschreitendem Alter der Flugzeuge an Bedeutung. Sie wissen den Service zu schätzen und kommen mit ihren Jets aus aller Herren Länder nach Hannover und Köln geflogen. Die Strategie geht auf: "An neuen Flugzeugen verdient man schließlich kaum etwas", sagt Nils Janßen und betont, dass ACC Columbia nie an einen Hersteller gebunden war. Durch den ständigen Nachschub an neuen Flugzeugen sieht sich ACC in einem wachsenden Markt.

ACC Columbia

Historisch gewachsen ist die Expertise für die Muster Gulfstream G150 und G200 sowie die Challenger- und Learjet-Familien des kanadischen Herstellers Bombardier. Darüber hinaus ist man in Hannover und Köln offen für alle Marken: Dassault, Embraer und die Citation-Familie von Textron Aviation sind ebenfalls gern gesehene Gäste. Abhängig von der Nachfrage wird die Wartung weiterer Muster ins Angebot aufgenommen, sofern die Wirtschaftlichkeit gegeben ist und sich der Aufwand einer Zulassung rechnet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Stammkunden ihre Flotte neu aufstellen.

Eine Episode, die besonders in Erinnerung geblieben ist, war die Eintrittskarte in die Welt von Bombardiers Ultralangstrecken-Jets: 2011 ergab sich die Chance, an einer Global Express eine Zehn-Jahres-Inspektion durchzuführen – eine Operation am offenen Herzen, bei der kein Bauteil verborgen bleibt. "Wir haben gleich mit einer großen Inspektion angefangen. Das war eine unglaubliche Chance für uns", erinnern sich die Geschäftsführer. In Abstimmung mit dem Kunden wurde die Zulassung für die Wartung des Jets beantragt, es wurden Handbücher verfasst, Werkzeuge gekauft und Mitarbeiter fortgebildet. In Kooperation mit einem Berliner Unternehmen für Instandsetzung und Modernisierung von Flugzeugkabinen hat der Jet gleich ein neues Interieur erhalten. Mit dem erfolgreichen Abschluss waren die Türen für weitere Aufträge offen, die heute zum Tagesgeschäft von ACC Columbia gehören.

Patrick Holland-Moritz

Erste Starlink-Installation in Europa

Aktuell reicht das Angebot von Routinearbeiten bis hin zu umfangreichen Kontrollen und Kabinenmodernisierungen. Arbeiten an den Triebwerken gehören ebenfalls zum Repertoire, deren Überholungen bleiben aber Sache der Hersteller. Ein weiteres Tätigkeitsfeld sind Avionik-Upgrades vorwiegend für Geräte von Honeywell und Collins Aerospace. An Bedeutung gewinnt das Thema Online-Connectivity. Neben der Installation von Ka- und Ku-Band-Systemen kommen zunehmend alternative und preiswertere Lösungen etwa von Gogo zum Einsatz. Besonders stolz ist man bei ACC Columbia auf die erste Installation eines Starlink-Kits in Europa. Der Einbau in eine Global Express erfolgte im Rahmen einer 60-Monats-Inspektion. Ein weiteres Geschäftsfeld ist der AOG-Service: Meldet eine Crew "Aircraft on ground", stehen an Standorten weltweit Partner bereit, um erste Hilfe zu leisten. Überwiegend für eigene Kunden unterhält ACC Columbia noch Line-Maintenance-Stationen in Eindhoven, Prag und auf Zypern.

Das Bild der breit gestreuten Kundschaft bestätigt sich beim Blick in die blitzsauberen Hallen. Dassault Falcon 2000, Embraer Legacy 650 sowie einige Bombardier Globals werden geprüft, zerlegt und gewartet. Mit dabei ist auch eine 24 Jahre alte Global Express. Einer der Jets beispielsweise hat eine 15-Jahres-Kontrolle samt neuem Teppichboden für die Kabine erhalten, andere sind für Routinechecks nach Hannover gekommen. Auch wenn die Kunden je nach Aufwand schon mal siebenstellige Beträge für eine Rundum-Erneuerung ihres Jets auf den Tresen legen, ist dies oft wirtschaftlicher als der Kauf eines neuen Flugzeugs. Zeit ist bei allen Arbeiten neben der handwerklichen Qualität ein entscheidender Faktor: "Business Jets müssen Geld verdienen", sagt Nils Janßen.

Die Zulassungen als Wartungs-, Produktions- und Entwicklungsbetrieb sind eine der Stärken von ACC Columbia. So international wie die Registrierungen der Jets der Kundschaft sind, so vielseitig sind auch die Zertifikate, um daran arbeiten zu dürfen. Vertreten sind nicht nur Länder wie USA, Kanada und die EASA-Mitglieder, sondern auch Exoten wie beispielsweise Indien oder Nigeria. "Wenn man sich in einem Land wie Indien zertifizieren lässt, lernt man eine ganze Menge im Umgang mit Behörden", sagt Christian Kinitz und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Patrick Holland-Moritz

Bekenntnis zu Deutschland

Deutlich bekennt sich die Geschäftsführung zum Standort Deutschland mit seinen Vorzügen für die Luftfahrt: gute Netzwerke, kompetente Mitarbeiter und die Fähigkeit, sich an internationale Märkte anzupassen, seien einige der Vorteile. "Wir sind ein deutsches Unternehmen mit internationaler Kundschaft", sagen Janßen und Kinitz. Konkurrenz zu anderen MRO-Betrieben im Land sehen sie nicht, wohl aber im Preisdumping durch ausländische Mitbewerber.

Im Laufe der Jahre sind weitere Geschäftsbereiche auch abseits der Geschäftsluftfahrt dazugekommen. Im Jahr 2012 wurde die Firma Flugzeugreparaturen Ralf Kohnen aus Wegberg aus der Insolvenz übernommen. 2020 kam mit Broken Wings aus dem bayerischen Mittersberg ein kleiner, auf Reparaturen von Flugzeugen bis 5,7 Tonnen spezialisierter Betrieb dazu. Für Aufmerksamkeit in der Branche sorgte 2018 die Übernahme der damals insolventen Gomolzig Aircraft Services aus Schwelm mit 30 Mitarbeitern. Der Betrieb genießt einen exzellenten Ruf bei Schweißarbeiten und dem Bau von Abgasanlagen. "Wir mussten die Preise anheben, um wieder rentabel zu arbeiten", sagt Nils Janßen. Im Zuge der Transaktion ging auch die Musterzulassung des Trainingsflugzeugs AS-202 Bravo in den Besitz von ACC Columbia über. Geplant war eine Neuauflage mit Garmin-Avionik, derzeit liegt das Projekt aber auf Eis. Dank der Übernahmen vereint ACC Columbia heute viel Know-how bei Metallreparaturen und Schweißarbeiten, wovon auch die Business Aviation profitiert. 90 Prozent des Geschäfts macht die Wartung von Jets in Hannover und Köln aus.

ACC Columbia

Das MRO-Geschäft beschreiben Nils Janßen und Christian Kinitz als schwer planbar und stark konjunkturabhängig. Mehr als zwei bis drei Monate Vorlaufzeit sind auch bei großen Projekten selten, kleinere Aufträge kommen spontan rein. Die Probleme aus der Coronazeit sind dabei noch lange nicht überwunden: Die Lieferketten haken vielerorts immer noch, nicht selten mangelt es an einfachsten Verschleißteilen wie zum Beispiel neuen Reifen, und die Preise sind gestiegen. Kinitz bringt die Situation auf den Punkt: "Katastrophe!" Oft müsse sich der Wartungsbetrieb für die Versäumnisse der Hersteller gegenüber dem Kunden rechtfertigen. Dazu kommt die Preisfindung: "Auch wenn wir einen hohen Umsatz haben, sind die Margen für uns oft gering." Flexibilität war nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und den Sanktionen gefordert. "Wir hatten vor dem Krieg einen gewissen Anteil an russischen Kunden beziehungsweise Flugzeugen, die im Besitz russischer Staatsbürger waren. Glücklicherweise konnten wir diese neue Situation mit Kunden aus anderen Teilen Europas und der Welt schnell ausgleichen."