Der erste Alleinflug bleibt den meisten Piloten wahrscheinlich als besonders emotionales Ereignis in Erinnerung. Die Aufregung vor dem Start, dann plötzlich die Erkenntnis, dass es auch ohne Fluglehrer geht, und schließlich das befreiende Glücksgefühl nach der ersten gelungenen Sololandung. Nach einer längeren Unterbrechung ist die Rückkehr ins Cockpit unter Umständen ebenfalls mit Anspannung und Nervosität verbunden. Um wieder auf einen guten Trainingsstand zu kommen, fliegt man üblicherweise zuerst einige Platzrunden mit Fluglehrer, bevor es dann wieder allein in die Luft geht. Eine Gefahr dabei: Eingeübte Handgriffe, die bei der Pilotenausbildung zu automatischen, reflexartigen Handlungen gefestigt wurden, sind nach einer langen Unterbrechung womöglich nicht mehr so präsent wie davor. Die Reaktionszeit kann allerdings in einer kritischen Situation entscheidend sein. Möglicherweise war es der Faktor Zeit, der einen UL-Piloten im baden-württembergischen Mittelfischach im April 2018 in lebensgefährliche Bedrängnis brachte.
Training ohne Probleme
Nach einer längeren Pause will der 66-Jährige wieder Routine im Cockpit bekommen und dafür mit einem Fluglehrer Platzrunden trainieren. Am Nachmittag des 24. April beschließen beide zunächst, das Flugtraining auf den Abend zu verlegen, da der Wind am frühen Nachmittag noch unangenehm böig ist. Tatsächlich lassen die Böen im Laufe des Tages nach. Gegen Abend ist es dann nahezu windstill, als das Ultraleichtflugzeug vom Typ Skylane zum ersten Mal startet. Zusammen mit dem Fluglehrer dreht der UL-Pilot insgesamt sieben Platzrunden sowohl von der Piste 15 als auch in entgegengesetzter Richtung von der 33 aus. Dabei achtet der Fluglehrer besonders darauf, dass der 66-Jährige die in der Anflugkarte vorgegebene Platzrunde genau einhält. Der UL-Pilot steuert die Skylane bei den Übungsflügen ohne Probleme. Nach Angaben des Fluglehrers ist er dabei weder nervös noch zeigt er irgendwelche körperlichen Beeinträchtigungen. Um 19:36 Uhr gelingt auch die Abschlusslandung problemlos. Danach startet er zu einem abschließenden Soloflug. Dazu steht er per Funk mit dem Fluglehrer in Verbindung.

Der letzte Start
Um 19:45 Uhr steht die Skylane auf der Schwelle 15, der Pilot setzt die Klappen auf Stufe eins und beschleunigt. Der Startlauf ist unauffällig. Nach 150 Metern hebt das UL ab und geht in einen flachen Steigflug. Plötzlich wird aus diesem moderaten Anfangssteigflug aber ein steiler 70-Grad-Anstieg. Der Fluglehrer reagiert sofort und gibt über Funk die Anweisung: „Nachdrücken!“ Der UL-Pilot reagiert darauf jedoch nicht. Dann kippt die Skylane aus einer Höhe von etwa 60 Metern nach vorn und rollt gleichzeitig nach links. Der Fluglehrer versucht erneut einzugreifen und ruft ins Funkgerät: „Rechtes Seitenruder!“ Doch vermutlich ist es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät. Dann dreht die Skylane in die andere Richtung und kracht Augenblicke später in leichter Rückenlage etwa 450 Meter vor der Schwelle der Piste 33 auf eine Wiese. Dabei fängt das UL Feuer. Die beherzte Brandbekämpfung des Fluglehrers, der als Erster den Unfallort erreicht, ist vergebens. Der Pilot überlebt den harten Aufschlag nicht, das Ultraleichtflugzeug brennt völlig aus.
Keine Chance für den Piloten
Die Unfallstelle mit der kaum noch zu erkennenden Skylane bietet ein Bild des Grauens. Nach den Löscharbeiten der Feuerwehr entschärfen Beamte des Landeskriminalamtes, die zur Unfallstelle gerufen worden waren, den Raketenantrieb des Gesamtrettungssystems. Der Fallschirm steckt ungenutzt im Pack-Container.
Warum der Soloflug auf derart verhängnisvolle Weise enden musste, ist rätselhaft. Der Pilot hatte das UL bei dem Trainingsflug mit Fluglehrer kurz zuvor gut im Griff gehabt, er hatte keine Anzeichen von Stress, Anspannung oder Überforderung gezeigt. Hinweise auf ein technisches Problem finden die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) nicht. Viele Ansatzpunkte für die Ursachenforschung bietet das ausgebrannte Wrack der Skylane darüber hinaus nicht.
Medizinischer Notfall?
Der anfangs flache Steigflug, aus dem der Pilot das UL dann abrupt in einen sehr steilen Anstellwinkel brachte, lässt unterschiedliche Szenarien möglich erscheinen. Eine naheliegende Erklärung wäre ein medizinischer Notfall. Infolge eines Herzinfarkts könnte der Pilot das Steuerhorn reflexartig an sich gezogen und damit den großen Anstellwinkel herbeigeführt haben. Für dieses Szenario spricht die Tatsache, dass er auf die per Funk durchgegebenen Anweisungen des Fluglehrers keine erkennbare Reaktion zeigte. Da aber an der Leiche des Piloten keine Obduktion vorgenommen wurde, ist eine mögliche körperliche Beeinträchtigung nicht nachweisbar. Zwar sind aus diesem Grund konkrete Hinweise auf einen medizinischen Notfall im summarischen Bericht der BFU nicht zu finden, völlig ausschließen kann man ein solches Szenario aber nicht.
Der steile Abflug könnte aber auch durch ein Problem an den verstellbaren Sitzen verursacht worden sein. Denkbar wäre, dass der Pilot schlicht verrutschte, sich daraufhin am Steuerhorn festhielt und dann die Kontrolle über das UL verlor. Auch dafür waren nach dem Brand an der Unfallstelle aber keine Hinweise mehr auffindbar.

Fehlende Routine?
Eine wahrscheinlichere Erklärung ist allerdings das für den Piloten ungewohnte Handling des ULs im Soloflug. Die stark motorisierte Skylane schafft sogar mit zwei Personen an Bord noch eine beachtliche Steigrate von über sechs Metern pro Sekunde. Das deutlich geringere Abfluggewicht ohne Fluglehrer überraschte den Piloten womöglich derart, dass er zu steil in den Himmel stieg. Die Folge: Das UL verlor innerhalb weniger Sekunden so viel Fahrt, dass es in den Stall-Bereich kam. Beim Strömungsabriss gilt die Skylane zudem als sehr giftig. Das nötige Nachdrücken kam dann zu spät oder gar nicht. Für eine schnelle Reaktion fehlte dem Piloten vermutlich die Routine.