Konfliktverkehr wird oft als gefährliche Annäherung von zwei Luftfahrzeugen verstanden. Aber auch Bodenfahrzeuge sind am Flugplatz mitunter an kritischen Situationen beteiligt. Die Gefahr von Missverständen ist dabei womöglich sogar noch größer, da die Piloten mit den Fahrern normalerweise nicht in Funkkontakt stehen.
Auch am Flughafen Sylt steht der Fahrer eines Bodenfahrzeugs am 17. Oktober 2017 nur mit dem Flugplatzlotsen in Funkkontakt. Er hat am späten Vormittag gerade ein Wettermessgerät auf der alten, nicht mehr genutzten Piste 12/30 gereinigt und macht sich nun auf den Weg zu einem zweiten Messgerät (siehe Grafik unten).
Zur gleichen Zeit ist ein zweistrahliger Jet vom Typ Cessna 510 Mustang im Anflug auf den Flughafen Sylt. An Bord sind außer dem Piloten und dem Copiloten auch zwei Passagiere. Der Jet hat gerade die Wolkendecke durchflogen, um die Piste 32 per IFR anzusteuern, als sich die Piloten wegen des starken Westwindes entschließen, die zweite der gekreuzten Bahnen, die Piste 24, nach VFR anzufliegen. Um 10.54 Uhr erhält die Cessna vom Lotsen die Freigabe für den Sichtanflug auf die 24.

Eingeschränkte Freigabe
Nur wenige Sekunden danach erbittet auch der Fahrer des Bodenfahrzeugs eine Freigabe. Er will zu seinem nächsten Einsatzort auf dem Flughafengelände. Das Wettermessgerät steht an einem Rollweg nahe der Landebahn 14/32. Dieser Rollweg führt von der in Betrieb befindlichen Piste 14/32 zur östlichen Schwelle der alten 30. Über Funk meldet der Fahrer: "So, von der Foxtrott über Lima, eins vier zur alten drei null."
Der Lotse gibt die Freigabe für den entsprechenden Abschnitt der Piste 14/32: "Ähm, das ist genauso genehmigt." Er fügt jedoch einschränkend hinzu: "Und vom Sicherheitsbereich der Piste zwo vier freibleiben." Damit hat der Fahrer nur eine Freigabe für den vorderen Teil der Piste 14/32. Um zu seinem Ziel zu kommen, muss er jedoch die kreuzende Bahn 24 überqueren. Für diese hat der Lotse ausdrücklich keine Freigabe erteilt. Der Fahrer antwortet um 10.54 Uhr: "Ja, vom Sicherheitsbereich der zwo vier bleib ich weg. Dankeschön." Trotz dieser Meldung biegt das Bodenfahrzeug nun über die Wegpunkte Foxtrott und Lima auf die Piste 14/32 ab und nähert sich der kreuzenden Piste 24. Zur gleichen Zeit nähert sich die Cessna 510 im Endanflug der Schwelle 24. Kurz bevor der Jet aufsetzt, bemerkt der Lotse, dass das Bodenfahrzeug gerade im Begriff ist, diese Landebahn zu überqueren. Da die Gefahr einer Kollision nun eine Frage von Sekunden ist, sieht er keine Zeit mehr, beide Parteien, die Piloten und den Fahrer, zu informieren. Er entscheidet sich für die schnellste und vermutlich sicherste Lösung und weist den Fahrer an, den Kreuzungsbereich sofort zu verlassen: "(...) fahr weiter, schnell weiter!" Der Fahrer verlässt daraufhin die Pistenkreuzung in Richtung Südosten und macht die Landebahn frei.
Die Besatzung der Mustang bemerkt das Fahrzeug auf der Landebahn 24 kurz nach dem Aufsetzen. Da der Fahrer die Piste rasch wieder verlässt, können die Piloten die Landung sicher fortsetzen. Nur etwa 800 Meter liegen zu diesem Zeitpunkt zwischen der Mustang und dem Bodenfahrzeug – eine Distanz, die ein zweistrahliger Jet auch bei der Landung in kurzer Zeit zurücklegt, zumal die Mustang mehr als 700 Meter Landestrecke benötigt. Je weiter der Jet also hinter der Schwelle aufgesetzt hätte, desto größer die Gefahr einer Kollision.
Im Zuge der Ermittlungen der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) gibt der Fahrer zu Protokoll, er habe erst nach der Pistenkreuzung nach links in Richtung der alten Piste 30 abbiegen wollen. Ein direktes Befahren der alten 30 sei aufgrund des Bewuchses mit normalen Fahrzeugen überhaupt nicht möglich gewesen. Außerdem gibt er an, einige Lotsen würden die Freigabe zum Kreuzen erteilen, andere nicht.

Klare Betriebsanweisung
Tatsächlich hatte der Lotse jedoch unmissverständlich klargemacht, dass der Sicherheitsbereich der Piste 24 freibleiben müsse. In den Betriebsabsprachen des Flughafens ist dazu eine klare Anweisung festgelegt: "Das Überqueren bzw. die Benutzung der Piste bedarf in jedem Fall einer gesonderten Freigabe durch die Platzkontrollstelle." Sowohl aus der Anweisung des Lotsen als auch aus der Betriebsvereinbarung wird deutlich: Der Fahrer hätte die Piste 24 nicht überqueren dürfen.
Möglicherweise wurde das fatale Missverständnis durch eine fragwürdige Praxis, die sich in den Betriebsabläufen eingeschlichen hatte, begünstigt. Auch bei der Besichtigung des Flughafens von BFU-Ermittlern erhielt der Fahrer die Freigabe, von der Piste 14/32 auf die alte 30 abzubiegen. Vermutlich war auch diesem Lotsen die eigentliche Absicht des Fahrers unbekannt.