Pilot Report - Rotorvox C2A

Pilot Report
Rotorvox C2A

Zuletzt aktualisiert am 26.01.2018

Ronald Schoppe arbeitete als leitender Ingenieur im Rennsport, ehe er sich vor acht Jahren entschloss, im thüringischen Obermehler die Firma Rotorvox GGC GmbH zu gründen. Er wollte einen Tragschrauber der Premiumklasse schaffen, der die Kunden mit einem besonders großzügigen Raumangebot, innovativen Details, hochwertigen Materialien und einer exzellenten Ver­arbeitung überzeugt. Es dauerte fünf Jahre, bis das Luftfahrzeug fertig war. Kennzeichen seines aufsehenerregenden Designs: eine 1,2 Meter breite Zelle mit Side-by-side-Sitzanordnung, ein außergewöhnlich breites Fahrwerk, eine nach vorne komplett aufklappbare Kabinenverglasung und ein gewaltiges Leitwerk, das beidseitig durch weit ausgestellte, nach hinten verlaufende Träger gehalten wird. Dazwischen arbeitet geschützt der Dreiblatt-Verstellpropeller, angetrieben von einem 115 PS starken Rotax 914. Aus einigen Metern Abstand betrachtet, ist der C2A ein „richtig dicker Brummer“, dessen Leergewicht augenscheinlich noch schwerer als 350 Kilogramm sein müsste. Aber die Konstrukteure haben durch die fast ausschließliche Verwendung von Kohlefasern so viel Gewicht wie möglich eingespart.

Aber wie fliegt sich der neuartige Tragschrauber? Beginnen wir mit der Vorflugkontrolle: Schon beim Checken des Motors erfreut es den Piloten, dass lediglich sechs Schnellverschlüsse umgedreht werden müssen und dann die gesamte obere Motorenabdeckung hochgeklappt und festgestellt werden kann. Damit sind jetzt alle wesentlichen Teile gut und ohne Platznot erreichbar. Zur Kontrolle des Rotorkopfes benötigt man keine Leiter, sondern man steigt einfach auf die breite, waagerechte Fläche auf Sitzhöhe, die als eine Art Tragfläche mit Auftriebswirkung konstruiert ist und die nach hinten verlaufenden Fahrwerks- und Leitwerksträger aufnimmt. Dort, auf der linken Seite, befinden sich auch der abschließbare Tankein­füllstutzen und das Schauglas für die Tank­füllung. Klappt man die gesamte Haube nach vorne auf, so fallen sofort die edel wirkenden, 45 Zentimeter breiten Wildledersitze und das moderne Cockpitdesign im Carbon-Look auf. Am oberen Ende der Lehnen sind auf beiden Seiten herausnehmbare Tragetaschen integriert.

Beim Einsteigen nehme ich positiv zur Kenntnis, dass selbst langbeinige Menschen wie ich keine Probleme bekommen. René Pilz, der Chief Operating Officer, Mitkonstrukteur und Werkspilot des Unternehmens, nimmt neben mir Platz. Auch als wir die Haube schließen, wird es noch immer nicht eng. Das Platzangebot ist überwältigend: eine Rundumsicht wie im Hubschrauber, keine Schulterberührung mit dem Nebenmann, mindestens fünf Zentimeter Luft nach oben zwischen Kopf und Dach und ein halber Meter Raum vor den schon ganz nach vorne gestellten Pedalen. Um so einen Innenraum auch im Winter und bei hoher Luftfeuchtigkeit heizen und belüften zu können, wird die Wärme des Kühlkreislaufes abgenommen und mittels Lüfter durch die Rahmen der Verglasung gedrückt, wo in kurzen Abständen Ausströmlöcher vorhanden sind. Das Instrumentenbrett, bei dem alle Knöpfe auch in angeschnalltem Zustand gut zu erreichen sind, macht trotz der elf analogen Anzeigen einen aufgeräumten Eindruck. Eine digitale Version des Panels ist übrigens schon in Vorbereitung. Der Übersichtlichkeit halber gibt es ein Overhead Panel, auf dem Sicherungen und Schalter für Zündkreise und Lichter platziert sind. Die Mittelkonsole in Edelstahloptik trägt Leistungs- und Bremshebel. Bemerkenswert ist, dass die Bremse elektromagnetisch gehalten wird und verschleißfrei per Knopfdruck feststellbar ist.

Komfortabel, aber auch schwer

Nach einer „technischen Druckbetankung“ durch René Pilz kommt der fliegerische Part. Bereits beim Rollen zur Startbahn stelle ich fest, dass trotz Asphaltuntergrund der Pedaldruck zum Lenken ganz schön kräftig ausfallen muss. Wir sind mit 80 Litern im Tank am Limit der Beladung, und das lastet entsprechend auf dem Bugrad. Die hydraulische Bremse des Hauptfahrwerkes dagegen ist fein dosierbar. Zum Vorrotieren drückt man einen Knopf am Steuerknüppel, der einen eigenen Ölkreislauf aktiviert und über den Hydraulikmotor am Rotorkopf die Blätter in Bewegung setzt. Bei 3500 Motorumdrehungen haben wir 200 RPM am Rotor, und es ist an der Zeit, mittels Knopfdruck die Feststellbremse zu lösen und Vollgas zu geben. Die Außentemperatur beträgt 30 Grad, der Wind kommt mit sechs Knoten fast genau vorn vorne, die Trimmung steht auf neutral und der Verstellpropeller auf kleinster Steigung. Der C2A nimmt nach gut 50 Metern gutmütig die Nase hoch und löst sich nach etwa 100 Metern vom Boden.

Mit 100 km/h steigen wir nun laut Vario konstant mit 2,4 m/s. In 2000 ft/AGL gehe ich auf Reisekonfiguration. Das heißt: Horizontalflug, 120 km/h, Propeller in Reisestellung. Der Motor muss dazu immer noch mit gut 4700 U/min drehen. Nun beginne ich mit dem Kurven, erst mit Standard-Bank, dann auch mit 45 Grad Schräglage. Es dauert jeweils einige Zeit, bis der Tragschrauber die ge­wünschte Fluglage einnimmt, insbesondere beim Seitenwechsel. Trotz der Verwendung von Steuerstangen ist dazu relativ viel Kraftaufwand erforderlich und um sauber zu fliegen auch viel Pedalarbeit. Damit ich keine Höhe verliere, muss ich dabei auch deutlich die Motorleistung erhöhen. Für mein nächstes Manöver möchte ich erst einmal etwas mehr Höhe unter mir haben. Also: Propeller auf kleinste Steigung und Vollgas. Erst nach einer gewissen Verzögerungszeit nimmt der Gyro die Nase hoch und steigt dann bei 100 km/h mit 2 m/s. In 2500 ft/AGL reduziere ich die Fahrt, um festzustellen, wie lange die Höhe zu halten ist. Bei 45 km/h stellt sich unabhängig von der Motorleistung das Sinken ein. Dann gehe ich bei null Fahrt in den Leerlauf und führe eine vertikale Autorotation durch. Erst bleibt das Sinken bei 7 m/s, nimmt aber nach einigen Sekunden um 2 m/s zu. Für ein Schwergewicht wie den Rotorvox kein schlechter Wert. Das Recovern mit Nachdrücken und Motor in Reiseleistung funktioniert sehr zügig mit relativ geringem Höhenverlust.

Stetige Weiterentwicklung

Vor dem Landeanflug weist mich mein Mitflieger noch einmal darauf hin, dass ich mit 100 km/h tief anfliegen soll. Auf der Centerline gehe ich in den Leerlauf und stelle mit Steuerknüppel und Trimmung die geforderte Anfluggeschwindigkeit ein. Kurz nach der Schwelle leite ich – gefühlsmäßig sehr tief – den Abfangbogen ein und erwarte einen ausgeprägten Flare. Doch unmittelbar nach dem Ausleveln bricht die Fahrt rasch auf unter 60 km/h zusammen, und der Tragschrauber möchte sich zügig hinsetzen. Bei einem höher angesetzten Abfangbogen könnte das zu einer harten Landung führen, bei der aber das abgefederte Fahrwerk für Knitterfreiheit sorgen würde.

Dieser Tragschrauber zeigt insbesondere durch viele innovative Detaillösungen deutliche Unterschiede zu Mitbewerbern. Die Flugeigenschaften dagegen werden durch sein Volumen und sein Gewicht auf ein verbesserungs­würdiges Maß reduziert. Nach Aussage des Managements arbeitet das zehnköpfige Team aber bereits an Motor, Propeller und Rotorsystem, um auch die Performance auf Oberklassenniveau zu bringen. Dann dürften Kunden auch 160 000 Euro (netto) dafür zu zahlen bereit sein. Bisher konnten schon vier Exemplare verkauft werden.

Dem Rotorvox C2A wurden 2013 die vorläufige Verkehrszulassung und zwei Jahre später die Musterzulassung erteilt. Nach einer firmeninternen Umstrukturierung 2015 gehört Rotorvox nun zur Lindig-Gruppe mit Sitz in Eisenach. Der derzeitige Standort in Obermehler wird zum Jahresende aufgegeben und an den Flugplatz Eisenach-Kindel verlegt. Dort errichtet der Eigentümer Sven Lindig im Moment ein luftfahrttechnisches Kompetenzzentrum und wird seinen Tragschrauber dann auch in einem repräsentativen Umfeld vorstellen können.

Technische Daten

Antrieb
Motor: Rotax 914 UL, 115 PS
Tank: 90 l
Rotor: Averso 860 x 21,6 cm
Profil: NACA 8H12
rpmMAX: 566
Propeller: Helix H50, 3-Blatt, d=175 cm
rpmMAX: 2263

Außenmaße
L x B x H: 542 x 247 x 285 cm
Fahrwerk: 210 cm

Innenmaße
Tür – Tür: 120 cm
Lehne – Pedal: 130 cm

Gewicht
Leer: 345 kg
MTOW: 560 kg

Flugleistungen
VA: 130 km/h
VNE: 162 km/h
VSO: 45 km/h
VX: 3,7 m/s bei 100 km/h
Preis: 160 000 €

aerokurier Ausgabe 01/2018