Schmierstoffanalyse
Der Datenstrom im Öl

Medizin und Maintenance haben – abgesehen davon, dass beide Begriffe mit M anfangen – auf den ersten Blick wenig gemein. In einem aber sind sie sich sehr ähnlich: der Diagnostik. Die Bedeutung eines Blutbildes für das Erkennen von Krankheiten ist hinlänglich bekannt, und auch in der Instandhaltung von Flugzeugen können die Lebenssäfte, vor allem das Öl, Hinweise auf den Zustand des Herzens liefern.

Der Datenstrom im Öl

Die Wartungspläne in der Luftfahrt sind gnadenlos: Ölwechsel alle 50 bis 100 Betriebsstunden schreiben die meisten Handbücher vor. Kaum ist die Ölablassschraube herausgedreht – und bestenfalls nicht auf dem Boden des Auffanggefäßes gelandet –, nimmt man gemeinhin nur einen muffigen Strahl schwarzer Plörre wahr, die aufwendig entsorgt und durch teures Frischöl ersetzt werden muss. Bei um die zehn Euro je Liter ist das schnell eine halbe Flugstunde, die da in Form von Schmierstoff ins Aggregat wandert. Mit Naserümpfen und skeptischem Blick ins Auffanggefäß tut man dem ausgedienten Öl aber zutiefst unrecht. Vielmehr schwappt da ein schier unendlicher Datenschatz, der nur darauf wartet, entschlüsselt zu werden – und dem Experten Einblicke ins Innenleben von Conti, Lycoming und Co. zu verschaffen.

Das dafür notwendige Know-how gibt es beispielsweise in Brannenburg, gut 15 Kilometer südlich von Rosenheim. Hier hat das Unternehmen Oelcheck seinen Firmensitz. Rund 80 Mitarbeiter analysieren nahezu im Akkord Schmier- und Hydrauliköle und andere technische Betriebsstoffe – rund 350 000 Proben jedes Jahr. „Wir sind, was Ölanalysen angeht, eins der führenden Testlabore weltweit“, sagt Steffen Bots, Leiter Vertrieb und Kundendienst bei Oelcheck, und verweist auf die Erfahrung aus mehr als 25 Jahren Firmengeschichte. „Was auch immer in einem Motor vorgeht, hinterlässt charakteristische Spuren im Öl. Diese zu finden und zu bewerten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und Empfehlungen für den Halter abzugeben, das ist unsere Kompetenz.“ Wenngleich der Löwenanteil bei den Motorölproben aus dem Bereich Automotive stammt, haben Bots und seine Kollegen inzwischen auch einen reichen Erfahrungsschatz in Bezug auf Luftfahrtantriebe aufgebaut. „Das ist schon eine besondere Sparte, weil hier die Betriebssicherheit – ähnlich wie in der Schifffahrt – maßgeblich vom Antrieb abhängt.“

Unsere Highlights

Luftfahrtöle – die Schmierstoff-Dinosaurier

Man bewege sich dabei in einem Metier, das dominiert wird von mitunter 60 oder mehr Jahre alten Motorkonstruktionen, die entsprechend „rustikale“ Schmierstoffe fordern. „In der Luftfahrt kommen überwiegend Mineralöl-basierte oder Hydrocrack-Öle zum Einsatz“, sagt Bots. „Mineralisch heißt, dass sie im Destillationsprozess direkt aus Rohöl gewonnen und anschließend nur noch gereinigt werden. Bei Hydrocrack-Ölen – oft als teilsynthetisch bezeichnet – werden zusätzlich anfällige Moleküle unter Druck und Temperatur aufgebrochen und anschließend wieder gesättigt. So verbessern sich die Eigenschaften des Grundöles bezüglich der Alterungsstabilität und des Viskositäts-Temperaturverhaltens.“ Vollsynthetische Öle, die in einem aufwendigen chemischen Prozess aus Grundölen komplett neu zusammengesetzt werden, kämen in der Luftfahrt praktisch nur in modernen Flugdieselmotoren, wie sie beispielsweise von Austro Engine oder Continental gebaut werden, zum Einsatz. Wichtig sei, so Bots, dass man sich beim Öl ganz genau an die Herstellervorgaben halte. „Ein modernes Öl mit seinen zahlreichen Additiven kann in einem Flugmotor nicht nur seine Potenziale nicht ausspielen – man muss sogar davon ausgehen, dass es dem Aggregat schadet.“

Eine wichtige Forderung bei Ölen für luftgekühlte Flugmotoren sei beispielsweise die Aschefreiheit. Additive, die Asche bilden, sind Standard in modernen Motorölen, in Flugmotoren können sie jedoch Ablagerungen bilden, wenn Motoröl verdampft. „Man spricht deshalb auch davon, dass Luftfahrtöle gering legiert sind, also grundsätzlich weniger Additive enthalten. Dadurch fehlen dem Öl weitere Fähigkeiten wie beispielsweise die, Säuren zu neutralisieren, die sich durch im Kraftstoff enthaltenen Schwefel bei der Verbrennung bilden können. Daher auch die kurzen Ölwechselintervalle. Das Öl altert einfach viel schneller.“ Ein Sonderfall seien Öle in Turbinentriebwerken. „Zum einen kommt das Öl da kaum mit Verbrennungsprodukten in Berührung, zum anderen hat man durch kleinste Undichtigkeiten an drehenden Teilen stets einen gewissen Betriebsverlust, der durch die Zuführung von Frischöl ausgeglichen wird“, erklärt der Fachmann. Aber da sei man schon sehr nahe am Bereich der kommerziellen Luftfahrt, und die überlässt Oelcheck lieber großen Playern wie Lufthansa Technik.

Eins aber haben alle Motoröle – egal ob einfach aufgebaut oder hochlegiert – gemeinsam: Sie „sammeln“ Daten über das, was sich im Motor zwischen den Wechseln abspielt. Um herauszufinden, wie es um einen Motor steht, reicht den Fachleuten eine Probe von 100 Millilitern. „Wer einen Ölcheck machen will, bekommt von uns ein Analyseset zugeschickt. Es enthält das Probengefäß, einen Probenbegleitschein und eine öldichte Versandverpackung“, erklärt Bots den Beginn der Analysekette. „Einfach das Fläschchen vollmachen, den Begleitschein möglichst detailliert mit Angaben zum Flugzeug, zum Motor, seinen Betriebsstunden und dem bisher verwendeten Schmierstoff ausfüllen und abschicken.“ Für alle Proben, die bis 12 Uhr eingehen, verspricht Oelcheck das Ergebnis bis zum Ende des nächstens Werktages. „Die Auswertung gibt es per Mail“, so Bots.

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Registrierung, Begutachtung, Analyse

In Brannenburg angekommen, beginnt der etwa zehn Stunden dauernde Laborumlauf mit dem Auspacken und Registrieren der Probe. Bei Neukunden wird händisch ein Datensatz angelegt. Das entfällt, wenn es eine Wiederholungsprüfung ist und zu dem jeweiligen Motor schon ein Eintrag vorliegt. Welche Untersuchungen genau gemacht werden, ergibt sich aus der Deckelfarbe des Probengefäßes: von Weiß für den Basisservice bis zu Blau für die höchstmögliche Datenausbeute. Für eine solide Basisuntersuchung empfiehlt Bots das Analyseset mit dem schwarzen Deckel für 61,50 Euro inkl. Versand.

Am Anfang der Untersuchung steht noch immer der geschulte Blick des Chemielaboranten. „Die Probe wird zunächst 15 Minuten auf dem Kopf stehend gelagert. Festkörper wie Späne sinken im Öl nach unten und sind nach dem Öffnen im weißen Deckelinneren zu erkennen. Weiterhin wird die Probe in einem Magnetfeld untersucht, um die Menge an Metallpartikeln zu quantifizieren. Schließlich wird jede Probe fotografiert“, erklärt Bots. So ließen sich beispielsweise Phasenbildungen festhalten. Im Anschluss spritzt der Laborant eine kleine Menge Öl auf eine Heizplatte. Bei diesem sogenannten Spratztest verdampft im Öl enthaltenes freies Wasser, und der Fachmann kann abschätzen, inwiefern die Probe damit verunreinigt ist. Später wird der Wassergehalt noch genau bestimmt. Bei fast allen folgenden Schritten sind die Labormitarbeiter nur noch überwachend tätig – Roboter erledigen die eigentliche Arbeit.

Die wohl wichtigste Untersuchung ist die Elementanalyse mittels optischer Emissions-Spektroskopie. Dabei wird ein Milliliter der Probe mit Kerosin verdünnt und in einen Strom aus Argongas eingenebelt, der dann in ein rund 10 000 Grad Celsius heißes Plasma geleitet wird. Durch dessen hohe Energiedichte werden die Atome angeregt und emittieren beim Verlassen des Plasmas eine charakteristische Strahlung. Diese wird von einem Sensor erfasst und der Anteil der jeweiligen Elemente in parts per million (ppm) angegeben. „Anhand dieses Wertes können die Ingenieure, die jeden Laborbericht am Ende lesen und kommentieren, sehr genaue Rückschlüsse auf die Vorgänge im Motor ziehen“, erläutert Bots. „Viel Eisen deutet auf allgemeinen Verschleiß hin, Chrom stammt von den Kolbenringen und Blei und Kupfer zumeist aus Lagern, wobei die mit verbleitem Avgas betriebenen Motoren meist ohnehin einen erhöhten Bleianteil im Öl aufweisen. Ein erhöhter Siliziumanteil lässt sich häufig durch einen defekten Luftfilter erklären, da das Element in Sand vorkommt.“ Hohe Natrium- und Kaliumwerte seien bei Motoren mit Flüssigkeitskühlung Anzeichen für einen Defekt im Kühlsystem, da sie in den Zusätzen für das Kühlwasser enthalten sind. Mithilfe der sogenannten Infrarotspektroskopie, die sich unterschiedliche Absorptionsraten der verschiedenen im Öl enthaltenen Moleküle zunutze macht, kann der Alterungsprozess des Öls nachvollzogen werden. „Ab 60 Grad Öltemperatur bilden sich Oxidationsprodukte“ sagt Bots. Auch Ruß und Nitrationsverbindungen, die aus Stickoxiden in den Verbrennungsabgasen entstehen, werden hier ermittelt. „Im Prinzip ergibt die Infrarotspektroskopie eine Art chemischen Fingerabdruck des Öls, und anhand des Abgleichs mit unserer Frischöl-Datenbank können wir schlussfolgern, wie weit die chemische Alterung fortgeschritten ist.“

Auswertung vom Fachmann

In Verbindung mit weiteren Schritten wie der Gaschromatographie, die den Kraftstoffeintrag ins Öl ermittelt und so Rückschlüsse auf die Abdichtung des Brennraums gegenüber dem Ölkreislauf zulässt, und Untersuchungen zum pH-Wert und zum Schmutztragevermögen ergibt sich am Ende ein umfassendes Bild über den chemischen und physikalischen Zustand der Ölprobe. „Wenn die Probe ihren Lauf durch das Labor beendet hat, geht der Bericht an die Ingenieure zur Auswertung“, erklärt Bots. „Dahinter steht dann wirklich menschliche Denkleistung, ein Computerprogramm kann das nicht.“ Es brauche Erfahrung, um aus ppm-Werten zu Elementen, veränderter Viskosität, Partikelzahlen und Alterungsprodukten sowie Typ und Laufleistung eines Motors die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Und das Entscheidende ist: Wenn ein Kunde eine Rückfrage hat, kann er anrufen und direkt mit den Ingenieuren sprechen. So lassen sich Unklarheiten gezielt ausräumen.“

Bezüglich der Interpretation der Messwerte gibt es einen regen Austausch zwischen Oelcheck und den Herstellern. „Mit Rotax haben wir eine enge Kooperation und jüngst gemeinsam Grenzwerte für bestimmte Faktoren abgestimmt, und auch mit Austro Engine, bei denen das Öl-Monitoring zum Serviceumfang gehört, sprechen wir intensiv darüber, inwiefern das, was wir messen, mit Berechnungen und Prüfstandsergebnissen übereinstimmt“, so Bots. Schwieriger sei es mit amerikanischen Herstellern wie Lycoming oder Continental. Auch jenseits des Großen Teichs gebe es Fachlabore, die Ölanalysen anböten, von daher sei das Interesse der US-Luftfahrtunternehmen an einer Kooperation eher verhalten. Dennoch könne man sich auch als Lycoming- oder Continental-Besitzer an Oelcheck wenden. „Wir haben Erfahrungswerte, anhand derer wir auch ohne Anbindung an die Hersteller präzise Aussagen zum Zustand des Motors treffen und Empfehlungen für Prüfungen oder Instandsetzungen geben.“

Vor mehr als 25 Jahren als Analyselabor gestartet, versteht sich Oelcheck heute als Dienstleister für die gesamte Thematik Schmierstoff. Ob Festlegung längerer Ölwechselintervalle, Optimierung und Vereinfachung der Schmierstoffe oder Beurteilung von Schadensfällen und Gutachten – die Brannenburger Expertise ist gefragt. „Unser Portfolio über die Ölanalyse hinaus lässt sich aber nur bedingt auf die Luftfahrt übertragen, da hier andere Regularien zugrunde liegen als beispielsweise bei Autos oder Baumaschinen“, räumt Bots ein.

Schließlich können all jene, die sich intensiver mit Ölen beschäftigen wollen, vom Oelcheck-Erfahrungsschatz profitieren. „Unsere OilDoc-Akademie bietet regelmäßig Schulungen zum Thema Schmierstoffe an. Es werden je nach Kurs technisches Allgemeinwissen oder Spezialkenntnisse vermittelt. Und wenn es genug Interessenten für den Bereich Luftfahrt gibt, dann ließe sich sicher auch dazu ein Schwerpunkt bilden.“

Kontakt Oelcheck GmbH
Kerschelweg 28
83098 Brannenburg
Tel. +49 8034 90470
www.oelcheck.de

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