Flugmotor Rotax 912: Motorschäden durch Pilotenfehler?

Störungen bei Rotax-Motoren
Sind die Piloten selbst Schuld?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 08.08.2025
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Seit geraumer Zeit haben wir in unserem Verein eine nicht enden wollende Diskussion über die Zuverlässigkeit der Vergaserversionen des eigentlich sehr beliebten Rotax 912. Viele Unfälle in den vergangenen Jahren haben diese Unsicherheit ausgelöst. Auch der aerokurier hat mehrfach darüber berichtet und den jeweils aktuellen Stand der Dinge zusammengefasst.

Angesichts der Tatsache, dass vier der sieben Motorflugzeuge unseres Vereins mit genau diesem Motor ausgestattet sind, ist es wenig überraschend, dass dies auch bei uns ein Dauerthema ist. Mittlerweile verdichten sich die Anzeichen, dass die Schäden bei unseren Triebwerken auf unkontrollierte Verbrennungsvorgänge zurückzuführen sind, was BRP-Rotax selbst in seinem Service-Bulletin B-912-079R2 sowie die Arbeitsgruppe "Rotax" des DAeC in ihren Berichten erläutert haben.

Die laufenden technischen Untersuchungen sind sehr aufwendig und Sache der Hersteller oder der Behörden. Wir Piloten werden die endgültigen Ergebnisse abwarten müssen. Die Umsetzung möglicher Gegenmaßnahmen liegt dann zwangsläufig auch in den Händen der Hersteller und Wartungsbetriebe.

Es bleibt allerdings ein wesentlicher Aspekt: Der richtige Umgang mit den Motoren während des Flugbetriebs ist eindeutig Sache der Piloten. Bei einem unserer Fliegerstammtische kam daher die Frage auf, ob und wie leicht ein Pilot wegen Unachtsamkeit oder schlicht wegen schlampiger Fliegerei den Motor schädigen kann.

Private Nachforschungen

Daraus entstand das Projekt, das wir in diesem Beitrag vorstellen und in die Diskussion einbringen wollen. Unsere Idee war, mit einer Aquila A210 einen vereinstypischen 08/15-Reiseflug nachzustellen und dabei die vom Piloten eingestellten Lastpunkte zu protokollieren.

Da wir nicht in die Technik der Aquila eingreifen und auch keine aufwendige Messtechnik installieren wollten, haben wir mit einer Kamera die Fluginstrumente abgefilmt und nach jeder Sekunde ein Foto der MAP- (Manifold Pressure) und der Propeller-RPM-Anzeige (Revolutions Per Minute) abgespeichert. Im Nachgang haben wir diese Aufnahmen per Software mit einem Python-Skript ausgewertet.

Das Skript bestimmt aus jedem Foto den Winkel der relevanten Zeiger, rechnet sie über eine einfache Interpolation in Tabellenwerte zu Saugrohrdruck und Propellerdrehzahl um und speichert diese Werte in einer Datei. Die gesammelten Werte kann man dann leicht mit den veröffentlichten Diagrammen zu den Klopfgrenzen vergleichen.

Wir wollen an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die nach- folgenden Erklärungen nicht auf wissenschaftlich erhobenen und verifizierten Forschungsergebnissen basieren. Dafür sollte man genaue Messinstrumente und einen Datenlogger verwenden und nach exakt reproduzierbaren und genau definierten Rahmenbedingungen fliegen.

Was wir aber zeigen können, ist ein typischer Flugverlauf mit den Cockpitanzeigen, wie der Pilot sie an diesem Tag vor sich hatte. Daraus lassen sich durchaus interessante Erkenntnisse ableiten.

Das Zwischenergebnis vorweg: Mit Super Plus und 98 RON scheint es einen ausreichenden Abstand zur Klopfgrenze zu geben. Wenn man jedoch mit Super 95 RON fliegt, kann man den Motor durch Fehlbedienungen offenbar sogar sehr leicht in klopfkritische Betriebszustände bringen und damit schädigen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die korrekte Nutzung der Vergaservorwärmung. Sie hat einen großen Einfluss auf die Klopfneigung und sollte angemessen und mit großer Aufmerksamkeit gehandhabt werden.

Datenaufzeichnung mit einer GoPro

Unser erster Testflug dauert fünf Minuten und beginnt bei besten Bedingungen (18 Grad Celsius, QNH: 1020, Elevation Worms: 295 Fuß). Wir starten mit zwei Personen an Bord von der Piste 24, drehen gleich nach Süden ab und steigen mit Vollgas auf 3000 Fuß, zunächst mit 70 Knoten, dann mit 80. Der Übergang vom Vollgas-Steigflug in den Reiseflug erfolgt zur Einstellung MAP: 24 inHg / RPM: 2000/min.

Während des Fluges erfasst eine GoPro 9 Action Cam die für die Fluganalyse wichtigen Informationen vom Instrumentenpanel. Hierbei werden im Zeitraffermodus in einem Abstand von einer Sekunde Einzelbilder aufgenommen. Die Objektiveinstellung ergibt dabei einen Abstand der Kamera von 330 Millimetern zum Instrumentenbrett, um eine Breite von 650 Millimetern sicher zu erfassen. Angebracht wird die Kamera mit Hilfe einer handelsüblichen Action-Cam-Klammer am oberen Rand des Instrumentenbretts. Eine Leichtbau-3D-Druck-Kon-struktion ermöglicht eine genaue Positionierung der Kamera.

Die Auswertung der rund 300 Bilder aus den oben genannten fünf Minuten Flugzeit erfolgt anschließend zweistufig mittels eines Python-Skripts. In einem zweiten Schritt sucht ein weiterer Algorithmus jeweils die längste gerade Linie im Bild – der Zeiger des überwachten Messinstruments am Panel – und bestimmt den Winkel zur Horizontalen. Daraus lässt sich dann über eine lineare Umrechnung der Messwert bestimmen. Aber Vorsicht: Spiegelungen können dabei leicht zum Problem werden. Überträgt man die erfassten Anzeigen in entsprechende Zeitverläufe, so erhält man die in der Grafik dargestellten Kurven. Zu erkennen sind eine dreiminütige Volllastphase und der anschließende Übergang in den Reiseflug.

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Veit Held

Auswertung der Flugdaten

Die so erfassten Messwerte lassen sich nun in das von BRP-Rotax und vom DAeC veröffentlichte Diagramm der Klopfgrenzen übertragen und auswerten. Ergebnis: Wir kommen den veröffentlichten Grenzen auf unserem Flug tatsächlich sehr nahe. Mit dem Kraftstoff Super 95 RON im Tank hätten in unserem Fall schon kleine Fehlbedienungen genügt, um den Motor in die Klopfzonen zu bringen.

Bei den internen Diskussionen der Piloten im Verein wurde immer wieder festgestellt, dass das Diagramm von BRP recht komplex und daher ohne Übung nicht ganz leicht zu interpretieren ist, weil sehr viele Informationen in eine einzige grafische Darstellung übertragen wurden. Die Sache wird wesentlich einfacher, wenn man das Diagramm zum besseren Verständnis schrittweise entwickelt. Die Basis ist das Lastdiagramm, in das wir die durch die Drehzahl (RPM) und den Saugrohrdruck (MAP) definierten Lastpunkte unseres Fluges übertragen haben.

Die roten Punkte im Diagramm sind die ermittelten Lastpunkte zu jeder vollen Sekunde unseres Testflugs (Taxi, Startlauf, Steigflug-phase und Reiseflug). Je weiter oben und rechts die Punkte im Diagramm liegen, desto höher ist die Leistung des Motors. Beim Steigflug häufen sich die Punkte oben rechts, beim Reiseflug braucht man etwas weniger Leistung und die Punkte wandern etwas nach unten und nach links.

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Veit Held

Die orange gepunktete Linie zeigt den Saugrohrdruck bei voll geöffneter Drosselklappe (Vollgas), wenn draußen 1013,25 hPa Druck und 15 °C vorliegen und das Flugzeug auf Höhe Null steht (Normatmosphäre). Das heißt, diese Linie markiert den maximalen Druck, der sich bei diesen Bedingungen im Saugrohr einstellen kann. Bei RPM = null ist das der Außendruck, bei höheren Drehzahlen fällt der Druck durch die Strömungswiderstände in der Luftführung etwas ab. Die Abkürzung WOT in der Kurvenlegende bedeutet Wide Open Throttle, also Vollgas.

Klopfgrenzen nicht überschreiten

Der Motorenhersteller BRP hat Kurven zum Klopfverhalten veröffentlicht und in dieses Basisdiagramm übertragen. Für einfachen Super-Kraftstoff mit einer ermittelten Oktanzahl von 95 (Researched Octane Number, kurz RON) erhält man die blaue Linie. Wenn wir bei diesem Kraftstoff Lastpunkte oberhalb der blauen Linie einstellen, ist die Klopfgrenze in der Regel überschritten und die Verbrennung läuft anders als eigentlich vorgesehen ab.

Während bei einer kontrollierten Verbrennung eine einzelne Flammfront beginnend von der Zündkerze nach außen läuft, entstehen beim Klopfen im Brennraum unkontrolliert Flammenfronten, die sich ausbreiten. Die Kollision der Flammenfronten erzeugt dort hohe Druck- und Temperaturspitzen, welche in der Folge zu Materialüberlastungen und extensiven Schädigungen von Kolben und Kolbenringen führen. Diese Druckspitzen kann man als klopfendes oder klingelndes Geräusch hören, was dem Phänomen den Namen gab.

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Veit Held

In Diagramm eins treffen sich die blaue und die orange gepunktete Linie bei etwa 2200 Umdrehungen. Das heißt, dass der Pilot oberhalb dieser Drehzahl mit dem Gashebel nichts mehr falsch machen kann, weil sich selbst bei komplett geöffneter Drosselklappe kein Druck oberhalb der blauen Linie mehr einstellen kann. Wenn wir in Lukla starten würden (9000 Fuß), dann läge diese Außendrucklinie viel tiefer, der maximal mögliche Zylinderdruck sänke, es gäbe also keine roten Punkte über dieser neuen Linie, und wir wären erst recht auf der sicheren Seite.

Die roten Punkte unseres Testflugs liegen allesamt unter der blauen Linie, das heißt, auch bei 95 RON wäre normalerweise alles im grünen Bereich. Doch hier kommt das große Aber: Wenn ich als Pilot die Drehzahl bei gleicher Gasstellung unter 2100 Umdrehungen gezogen hätte, wären die Punkte nach links gewandert und es hätte in der Tat zu Schädigungen kommen können. Die orangefarbene Kurve für 98 Oktan Super Plus zeigt, dass der Kraftstoff sogar über der gelb gepunkteten Linie liegt. Selbst bei komplett offener Drosselklappe bleibt die Verbrennung immer unter der Klopfgrenze.

Probleme durch die Vergaservorwärmung

Es bleibt allerdings ein Problem, auf das BRP im Service-Bulletin SB-912-079R2 ausdrücklich hinweist: Bei gezogener Vergaservorwärmung steigt die Klopfgefahr an. Bei unserem Flug wären wir offenbar nur während des Reiseflugs oder beim Sinken auf der sicheren Seite gewesen.

Ich erinnere mich noch an meine Ausbildung auf der Cessna 152, bei der die Vorwärmung sehr häufig und früh gezogen wurde. Das sollte man sich in der Aquila absolut abgewöhnen. Sobald man nennenswert Leistung braucht und den Gashebel in die Hand nimmt, kommt man sehr schnell in die Klopfzone. Verhindern lässt sich das nur durch Absenken des Saugrohrdrucks während der Vergaser-Vorwärmphase.

Testflüge dieser Art können äußerst aufschlussreich sein. All die theoretischen Erklärungen werden schlagartig real, wenn man sie in der Praxis erlebt. Was zunächst sehr beruhigend ist: Zwar kann man gemäß der Handbucheinstellungen im Steigflug unter Volllast sowie im Reiseflug mit dem Kraftstoff Super Plus (98 RON) die vom Hersteller veröffentlichten Klopfgrenzen anscheinend nicht überschreiten.

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Veit Held

Bei Verwendung von Super (95 RON) sieht das allerdings ganz anders aus. Dieser Kraftstoff ist aufgrund der kleineren Oktanzahl problematisch. Wenn man im Steigflug den Gashebel stehen lässt und die Propellerdrehzahl unter 2100 Umdrehungen zieht, ist man bereits im Klopfbereich.

Der Sicherheitsabstand ist demnach nur klein: Die Lastpunkte im Steigflug liegen bei 28 inHg und die Klopfgrenze für 95 Oktan bei 28,5. Die Differenz ist in der Größenordnung der Messfehler, das heißt: Vollgas ist hier unter Umständen problematisch.

Zudem können die vom Hersteller veröffentlichten Klopfgrenzen bei gezogener Vergaservorwärmung schnell sehr kritisch werden. Vergisst man beispielsweise beim Durchstarten mit Vollgas vorher die Vergaservorwärmung auf "kalt" zu stellen, ist man unweigerlich im Klopfbereich – unabhängig von der verwendeten Kraftstoffsorte.

Persönliche Schlussfolgerungen

Wir haben in unserem Verein bereits einige Schlüsse aus dem Test gezogen und Super 95 daher grundsätzlich verbannt. Ein Vereinsflugzeug wird von vielen verschiedenen Piloten bewegt und in der Schulung eingesetzt. Dabei kann man nicht davon ausgehen, dass alle Piloten immer alles richtig machen. Und weil Klopfschäden kumulativ sind und erst über die Zeit zu Ausfällen führen, kann man einen Schaden auch nicht mehr einem einzelnen Ereignis und einem einzelnen Piloten zuordnen.

Die Methode der Protokollierung und Auswertung bietet sehr viele weitere Anwendungsmöglichkeiten. Grundsätzlich kann man auf diese Weise ohne Eingriffe in die Flugzeugelektronik alle Instrumentendaten auswerten. Wir haben beispielsweise bereits geplant, mit diesem Ansatz die typischen Leistungsprofile in den Platzrunden aufzuzeichnen und dabei auch die Temperaturen zu protokollieren.

Durch Messflüge dieser Art ist es möglich, technische Abläufe, die normalerweise nicht zu sehen sind, sichtbar zu machen. Wenn der Umgang mit dem Triebwerk dadurch sicherer gestaltet werden kann, ist schon viel gewonnen.