Auf der Straße gehören Hybridantriebe heute zum Alltag. In Ballungsgebieten schonen damit angetriebene Pkw die Umwelt vor Feinstaub und Kohlendioxyd. Aber welchen Nutzen hat ein Hybridantrieb in der Luftfahrt? Feinstaub und Kohlendioxyd sind hier keine Ausschlussgrößen.
Für das spanische Start-up Axter Aerospace war das Plus an Sicherheit, das ein zusätzlicher Elektroantrieb bieten kann, das ausschlaggebende Argument, einen Hybridantrieb für die Luftfahrt zu entwickeln. Im ersten Modell, dem AX-40S, mit einem 30 Kilowatt (40 PS) starken E-Motor für die Rotax-Motoren 912 und 914 gewinnt der Erprobungsträger, das Light Sport Aircraft Tecnam P92J, aus dem Lithium-Akku die Option für sieben Minuten reinen Elektroflug. In einer bereits für einen Kunden realisierten Version in einer Tecnam P2004 mit Verstellpropeller sind es zwölf Minuten, die der Pilot bei einem Ausfall des Kolbentriebwerks an E-Power gewinnt.

Was das bringt? Die beiden Axter-Gründer Miguel Suárez und Daniel Christóbal haben tief in die Unfallstatistiken geschaut, bevor sie sich nach acht Berufsjahren, die sie mit Airbus-Projekten zugebracht haben, in das Wagnis Hybridantrieb stürzten. Der Luftfahrt-ingenieur Suárez und der Elektronikingenieur Cristóbal wollen mit ihrer Entwicklung der traurigen Jahresbilanz für Europa und USA von durchschnittlich 71 Toten allein aufgrund von Motorausfall im Flug begegnen. Derzeit verschafft der Hybrid den Piloten jedenfalls eine Verschnaufpause von dem Schreck nach einem Triebwerksausfall für stressfreies, überlegtes Handeln.
Die spanische Regierung fand das Projekt förderungswürdig und steuerte eine Anschubfinanzierung bei. Die CT Engineering Group in Madrid-Getafe, die mit Ingenieur-Dienstleistungen für Airbus, Dassault und ATR ein starkes Standbein in der Luftfahrt hat, stieg als strategischer Partner ein. Jesus Prieto, der luftfahrtaffine Chef des 1500 Mitarbeiter starken Unternehmens, sorgt damit dafür, dass Axter mit Finite-Elemente-Rechnungen (FEM) und Strukturanalysen unterstützt wird. Beim Entwurf der Leistungselektronik kam Hochschul-Know-how der Madrider Universität Carlos III hinzu.
Grundstein für eine Hybridfamilie

Das inzwischen patentierte Hybridsystem von Axter ist der erste Schritt zu weiteren und leistungsfähigeren Systemen bis hin zum reinen Elektroantrieb. Angestrebt werden Zulassungen für Experimentals, Light Sport Aircraft (LSA) und Very Light Aircraft (VLA) bis hin zu Flugzeugen der Zulassungskategorie CS-23 und CS-25. VLA, die bis zu 750 Kilogramm maximaler Abflugmasse zugelassen werden können, sollten kein Problem mit der Zusatzmasse für das Hybridsystem haben.
Das AX-40S wurde als die vom Aufwand her noch überschaubare Einstiegsvariante für die Anwendung im LSA- und Experimental-Bereich und den dort stark vertretenen Rotax-Motoren verwirklicht. Es ist inzwischen von der spanischen Luftfahrtbehörde zugelassen.
Das System lässt sich an vier Punkten am Rotax 912/914 montieren. Der Träger gehört zum System. Die Kurbelwelle mündet in eine automatisch arbeitende Kupplung zum Elektromotor, den Endrax in Slowenien speziell für Axter fertigt. Der E-Motor kann nach Belieben zugeschaltet werden und arbeitet bei einem Motorschaden entkoppelt vom Kolbentriebwerk. Im Reiseflug allein mit dem Verbrenner können die Akkus wieder aufgeladen werden, sofern der E-Antrieb für den Start und den Anfangssteigflug mitgenutzt wurde.
In Casarrubios del Monte, einem stark frequentierten Platz der Allgemeinen Luftfahrt südwestlich von Madrid mit 950 Meter langer Asphaltpiste, demonstriert Miguel Suárez den Einsatz des AX-40S. Vergleichsstarts auf dem 2050 Fuß hoch gelegenen Gelände bei 35 Grad Celsius ohne und mit Unterstützung des Hybrids überzeugen.
Unter Standardbedingungen verkürzt der Hybrid die Startrollstrecke der Tecnam P92J mit der maximal zulässigen Abflugmasse von 600 Kilogramm von 200 auf 145 Meter. In der großen Dichtehöhe von Casarrubios fällt der Unterschied spürbar größer aus. Anders als das Kolbentriebwerk verliert der E-Motor mit zunehmender Dichtehöhe ja nicht an Leistung.
Im reinen Elektromodus steigt die Hybrid-P92J bei 135 km/h noch mit 200 ft/min. Zum Beweis schaltet Miguel Suárez den Rotax aus. Das Leistungsplus des Hybrids bei Start und Steigflug zählt vor allem unter Hot-and-High-Bedingungen beziehungsweise auf kurzen Plätzen (mit höherem Gras, ansteigender Piste, …). Auf der anderen Seite kann der E-Antrieb unter Normalbedingungen genutzt werden, um die Leistung des Kolbentriebwerks zu reduzieren und damit den Lärm. Für den Hybridantrieb könnten somit Flugplätze mit zeitlichen Beschränkungen zur Lärmreduzierung wieder voll nutzbar werden.
Sicherheit, wo kein Rettungssystem hilft

Beim Anflug auf die Piste 26 von Casarrubios arbeitet der Rotax wieder mit. Das wild zerklüftete Gelände im Endanflugbereich beeindruckt. Sollte gerade hier der Kolbenmotor ausfallen, kann der E-Antrieb das Flugzeug noch sicher bis zur Piste schleppen – für den Einsatz des Gesamtrettungssystems wäre man in dieser Situation vermutlich schon zu tief.
Das Ein- und Zuschalten des Elektroantriebs erfordert an der Bedien- und Steuereinheit im Instrumentenpanel nur einen Dreh am Leistungssteller, einem Drehknopf, – wenn der Hauptschalter bereits auf EIN steht. Das Display informiert über die wichtigsten Leistungsparameter. Für den Alarm bei Fehlfunktionen gibt es im Instrument diverse LEDs.
Größere Änderungen an der P92 waren bei der Ausrüstung mit dem Hybrid nicht notwendig. Die Zusatzmasse von Träger (0,9 kg), Kupplung (5 kg) und E-Motor (12 kg) ergeben mit dem Ausgleich durch Controller (6 kg) und Akkus (20 kg), die hinter den Sitzen Platz gefunden haben, keine Schwerpunktverschiebung. Auch der jetzt weiter vorn sitzende Propeller fiel in den unterschiedlichsten Flugkonfigurationen nicht durch negativen Einfluss auf. Während 200 Flugstunden hat sich das Axter-System AX-40S inzwischen schon bei Testflügen für die Zulassung bewiesen.
Für den Einsatz in Flugschulen haben die Axter-Ingenieure mit dem Einsatz des Hybrids nicht zu ignorierende Kostenvorteile errechnet – mittels Einsparungen beim Spritverbrauch und reduziertem Wartungsaufwand dank geringerer Nutzung des Rotax auch beim Rollen. Der Elektroantrieb und die Kupplung sind wartungsfrei. Auch mit einem verringerten CO2-Ausstoß kann das Hybridsystem punkten.
Für das in Getafe gefertigte Gesamtpaket, das eine einfache Montage erlaubt, müssen derzeit 18 700 Euro plus Steuern und Versand aufgebracht werden. Miguel Suárez erklärt, dass es sich hierbei nur um die reinen Fertigungskosten handelt.
Ein zweites Kundenflugzeug wird derzeit ausgestattet. Zwei Einheiten gehen dann an die Cranfield University für deren Drohnenforschung.
aerokurier Ausgabe 09/2016