Frank, du bist Jurist, Sachverständiger, Pilot und Fluglehrer. Sollten sich die Piloten mehr mit Luftrecht beschäftigen?
Ja. Es ist mein Hauptanliegen, den Leuten zu transportieren: Beschäftigt euch mehr mit Luftrecht! Das neue EU-Recht betrifft alle. Strafrechtlich, haftungsrechtlich und zivilrechtlich passiert immer mehr. Bei einem Verfahren versucht jeder zu seinem Recht zu kommen, und gerade in der Luftfahrt geht es schnell um große Beträge. Bei einer unklaren Papierlage, die die Piloten nicht kennen, können sich haftungsrechtliche Prozesse über Jahre hinziehen. In einigen Fällen sind es Unachtsamkeiten, wie das Nichteinhalten der 90-Tage-Regel, die zu gewichtigen Konsequenzen für die Beklagten oder deren Hinterbliebenen führen. Das ließe sich vermeiden. Das Luftrecht ist komplexer geworden, aber als Pilot muss ich mich mit diesen Fragen beschäftigen!
Gibt es zu viele Rechtsvorschriften in der Luftfahrt?
Ja, weil offensichtlich Organe, die mit der Vorschriftengebung betraut sind, ungern ihr „Gesamtkunstwerk“ aufgeben wollen. Betrachten wir doch nur einmal das nationale und das EU-Recht: Alles, was über EU-Recht geregelt ist, muss doch nicht noch national geregelt werden. Nehmen wir auch als Beispiel SERA. Da gibt es jetzt in Europa einheitliche Luftverkehrsregeln, die 80 Prozent denen des ICAO Annex II entsprechen.
Schaue ich mir dann die nationale Gesetzgebung an, muss man ehrlicherweise fragen: Brauche ich ein neues, nationales Regelwerk mit genauso vielen Paragrafen wie die alte Luftverkehrsordnung?
Im nationalen Luftrecht muss doch nur das geregelt werden, was nicht durch EU-Recht geregelt ist. Wenn man das reduzieren könnte, wäre uns sehr geholfen. Wir müssen wieder „back to the roots“, zurück zur ICAO-Regelung kommen. Ich muss nicht versuchen, jeden Lebenssachverhalt gesetzgeberisch zu erfassen. Bei uns ist die EU in der Gesetzgebung und in der Verwaltung noch nicht angekommen.
Ärgert dich als Anwalt die unterschiedliche Auslegung von Rechtsvorschriften durch verschiedene Luftämter beziehungsweise Regierungspräsidien?
Es ist nur ab und zu ein Ärgernis. Es gibt ja das Sprichwort von den zwei Juristen und vier Meinungen. Die unterschiedlichen Auslegungen durch die jeweiligen Luffahrtbehörden haben manchmal auch Vorteile, denn das föderale System bringt auch verschiedene Ideen hervor, die neue Aspekte in einen Sachverhalt bringen. Da kann man auch Überzeugungsarbeit leisten und auch an der Entwicklung einer Rechtsauslegung teilhaben.
Du bist aktiver Pilot. Wie bist du zum Fliegen gekommen?
Als kleine Kinder wurden wir von den Eltern nach Stuttgart zum Flughafen gefahren und erhielten dort eine Tasche mit der Aufschrift „UM“ um den Hals gehängt. Die Lufthansa flog uns dann zu den Großeltern nach Köln. Die Lufthansa hatte sich damals sehr um uns Kinder gekümmert. Wir durften immer ins Cockpit. Da war für mich als technikbegeisterter Junge klar: Das willst du auch machen. Das war eine tolle, wenn auch sicher glorifizierte Welt. Ich habe dann mit Modellbau angefangen und viel experimentiert. Kleiner UHU, Wurfgleiter und so. Und immer ohne Fernsteuerung, die konnten wir uns nicht leisten.
Ich habe jedes Buch über die Fliegerei nicht gelesen, sondern verschlungen. Der örtliche Segelflugverein hatte dann in den Ferien eine Sommerfreizeit für Kinder angeboten. Ich habe meinem 14. Geburtstag entgegengefiebert, um endlich mit dem Segelfliegen anfangen zu dürfen. Nach 41 Starts auf dem Bergfalken durfte ich endlich alleine fliegen. So ein Erfolg motiviert.

Würde dich ein rein fliegerischer Job denn heute noch reizen?
Mich würde jeder fliegerische Job reizen, weil man einfach das Flugerlebnis hat. Wenn‘s dann zum Beruf wird, wird‘s natürlich auch komplexer. Der Job eines Berufspiloten bei einer Airline hat aber an Glanz verloren. Heute ist das ein hochfordernder, technischer Job, der auch vorschriftenbeladen ist. Da bleibt vom Flugerlebnis nicht mehr so viel übrig. Das wäre zum Beispiel bei einem Rettungshubschrauberpiloten ganz anders. Ich höre diesen Piloten bei ihren Erzählungen über ihre fliegerischen Erlebnisse immer sehr respektvoll zu.
Gibt es einen fliegerischen Traum, den du dir unbedingt noch erfüllen möchtest? Wasserfliegen auf den Malediven oder Buschfliegen in Papua-Neuguinea beispielsweise?
Das würde ich alles gerne machen. Das ist sehr reizvoll, Fliegen, eingebunden in die Natur. Das würde ich wahnsinnig gerne einmal machen. Ich wollte immer Hubschrauber fliegen lernen. Das ist die anspruchsvollste Art der Fliegerei. Aber um es privat zu machen, ist es einfach zu teuer. Auch segelfliegen würde ich gerne wieder einmal. Das ist das ästhetischste Fliegen und jedes Mal eine schöne Herausforderung für Piloten. Dort erlebt man Fliegen in seiner ursprünglichsten Form.
Du warst Flightline-Chef bei Tannkosh. Kommt da nicht Ende August Wehmut auf?
Ich mache das nicht am Termin Ende August fest, zumal es ja auch zwischendrin Terminverschiebungen gegeben hatte. Die Wehmut kommt jedes Jahr auf. Tannkosh war eine superschöne, beeindruckende Veranstaltung, die aus wirklich kleinen Anfängen groß geworden ist. Das war fast nicht mehr ausbaufähig. Also geht‘s auf zu neuen Erlebnissen und Veranstaltungen. Vielleicht wird es ja etwas in der ein oder anderen Form wieder geben, sei es in Tannheim oder anderswo.
Du bist bei verschiedenen Verbänden als juristischer Beistand engagiert. Gibt es bei dir auch ein Leben außerhalb der Luftfahrt und der Juristerei?
Ganz klar ja! Das hätte ich mir früher nicht vorstellen können, aber es gibt sehr wichtige Dinge außerhalb der Fliegerei. Mein kleiner Sohn ist das Wichtigste.
Es gibt auch andere Möglichkeiten, sich sinnvoll zu beschäftigen. Berge, Wandern, Skifahren, Fahrrad fahren. Das mache ich gerne und will ich nicht missen. Ich muss im Urlaub nur daran denken, das Telefon konsequent auszuschalten.
Über Frank-Peter Dörner

Frank-Peter Dörner ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Diplom-Luftfahrtsachverständiger. Er hat zwei Kanzleien, eine in Murnau am Staffelsee und eine in Oberpfaffenhofen. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge zu Luftrechtsfragen, unter anderem auch im aerokurier. Seine Website ist unter www.air-law.de zu finden. Dörner kennt die Luftfahrt nicht nur aus der Sicht eines Juristen, sondern auch aus der Cockpitperspektive. Als Pilot und Fluglehrer ist er regelmäßig im Flugzeug unterwegs. An seinem Heimatflugplatz Tannheim war er bei Europas größtem Fly-in, Tannkosh, als Flightline-Chef jahrelang für die Organisation und Durchführung des Bodenbetriebs zuständig.
aerokurier Ausgabe 07/2015