Die Saison 2020 begann nicht nur verspätet, sondern erwartungsgemäß auch mit den üblichen Unfällen, wie sie jedes Jahr passieren. Ob es in diesem Jahr durch die Corona-bedingt längere Winterpause mehr Unfälle waren als sonst, wird die BFU-Statistik zeigen. Bis die Zahlen aber vorliegen, dürfte mancher Schock über Unfälle im Freundes- und Bekanntenkreis überwunden sein, ebenso dürfte sich der Wille, etwas verändern zu wollen, relativiert haben. Aus diesem Unwillen zur Veränderung resultiert eine seit 40 Jahren nahezu gleich bleibende und viel zu hohe Anzahl von Unfällen mit Verletzten und Toten in der Allgemeinen Luftfahrt.
Die Verkehrsluftfahrt zeichnet dabei ein gänzlich anderes Bild. Wenn auch manche Unfälle aus der Berichterstattung herausstechen – Stichwort Boeing 737 MAX –, ist die Unfallhäufigkeit hier so weit gesunken, dass sie statistisch kaum noch wahrnehmbar ist. Weniger als ein Todesfall pro eine Million Starts ist heute das akzeptierte Restrisiko, der reale Wert liegt noch niedriger. Was zu dieser Entwicklung geführt hat, ist seit Langem bekannt und wäre auch auf die Allgemeine Luftfahrt anzuwenden – wird aber nicht angenommen! Und warum nicht? Weil Unfälle immer nur den anderen passieren; weil wir es schon immer so gemacht haben; weil wir diesen neumodischen Quatsch nicht brauchen etc.
Um es vorwegzunehmen: Es gibt sie nicht, die eine Lösung für alle Probleme. Es sind unzählige Rädchen, die ineinandergreifen müssen, um die Zahlen der Unfallstatistik zu verändern. In der Verkehrsluftfahrt hat es Jahrzehnte gedauert und viel Überzeugungsarbeit gebraucht, teils gegen erheblichen Widerstand, um den Flugbetrieb so sicher zu machen. Und es ist kein Selbstläufer. Nur durch kontinuierliche Arbeit an der Flugsicherheit ist dieser hohe Standard zu erreichen und zu halten. Aber es ist den Versuch wert, die Errungenschaften der kommerziellen Luftfahrt zu nutzen.

Technische Entwicklung
Hier haben Piloten, Vereine oder Verbände allenfalls über ihre Kaufentscheidung Einfluss. Vielmehr sind es die Hersteller, die die technischen Möglichkeiten ausschöpfen müssen, nicht zuletzt, um mit ihrem Produkt am Markt zu überleben. War Anfang der 60er Jahre noch mit ziemlicher Regelmäßigkeit eines der vier Triebwerke eines Langstreckenflugzeugs ausgefallen, sind diese heute so sicher geworden, dass selbst zweimoto- rige Maschinen den Pazifik überqueren dürfen. Ein passendes Beispiel für die GA ist das Kollisionswarnsystem FLARM. Solche Innovationen können bei konsequenter Anwendung schon Großes bewirken. Die bestehenden Möglichkeiten müssen nur genutzt werden, analog zu Anschnallgurt und Airbag im Pkw.

Checklisten
Ähnlich unbeliebt bzw. inkonsequent angewendet wie in weiten Teilen der Allgemeinen Luftfahrt heute, hatten es Checklisten anfangs auch in der Verkehrsluftfahrt schwer. Doch schon 1969 erkannte die US-amerikanische Unfalluntersuchungsbehörde NTSB nach Auswertung unzähliger Unfälle, dass "[…] die missbräuchliche Verwendung oder Nichtverwendung der normalen Checklisten durch Flugbesatzungen als Hauptursache für Flugunfälle" anzusehen ist. Das war der Beginn der allumfassenden Einführung von Checklisten. Häufig nämlich beginnt die Ereigniskette, die am Ende zu einem Unfall führt, schon am Boden, lange bevor das Flugzeug überhaupt abgehoben hat. Checklisten wurden für jedes Flugzeugmuster mit all seinen Besonderheiten geschrieben, um genau das zu verhindern. So schmerzen ein Unfall aufgrund eines vergessenen Spornkullers oder ein misslungener Startabbruch – ob an der Winde oder im Eigenstart – umso mehr, wenn sie durch die Berücksichtigung der Checkliste mit dem entscheidenden Hinweis hätten vermieden werden können.
Checklisten dienen dazu, die langen Ketten, die zu einem Unfall führen, zu durchbrechen. Sie schaffen freie Kapazitäten und geben Sicherheit. Und trotzdem wird deren Benutzung teilweise immer noch als Schwäche angesehen, als etwas, was ein "richtiger" Pilot nicht braucht. Eine Einstellung, die in der Verkehrsluftfahrt schon vor einem halben Jahrhundert überwunden wurde!
Ein spezielle Checkliste ist das sogenannte Memory Item. In der kommerziellen Luftfahrt bezeichnet man so Handlungsanweisungen für Situationen, die sofort eine Reaktion erfordern, beispielsweise ein Triebwerksbrand, ein plötzlicher Druckverlust oder ähnliches. Die dann unmittelbar anzuwendenden Schritte sind so zusammengefasst, dass sie mental trainiert werden und im Ernstfall ohne Nachschlagen im Handbuch abgerufen werden können. Mit der von mir entwickelten App Easy Memory Item steht jetzt auch Privatpiloten ein Tool zur Verfügung, mit dem Memory Items für Cessna, Piper und sogar für Segelflugzeuge trainiert werden können. (Link zur App)

Simulatoren
Über viele Jahre gab es in der kommerziellen Luftfahrt zahlreiche Trainingsunfälle. Das führte zu dem Kuriosum, dass seinerzeit auf verschiedenen Flugzeugtypen mehr Menschen beim Trainieren eines Fehlers verunglückt sind als beim Erfahren dieses Fehlers im realen Flugbetrieb. Mit der enormen Entwicklung im Bereich der Simulationstechnik konnten diese Unfallursachen nicht nur vollständig ausgeräumt werden, es kann heute mehr denn je trainiert werden. Und das deutlich preiswerter!
Natürlich leben wir in der Cessna oder im Segelflugzeug vom Sitzdruck, von dem, was der Flügel uns von der uns umgebenden Luft vermittelt. Aber es sind eben auch die Standards, die immer wiederkehrenden Handgriffe, die es zu trainieren gilt. Wenn das Seil beim Start reißt, muss intuitiv gehandelt werden. Da bleibt keine Zeit, nachzudenken. Und die Vielzahl der notwendigen Handgriffe bei Triebwerksausfall oder Feuer in einer Einmot sind nicht weniger komplex als in einem Airliner!
Selbst einfache Verfahren wie beispielsweise die Platzrunde oder das Durchfliegen verschiedener Lufträume kann mit einem Flugsimulator zu Hause trainiert werden. Wenn kein Simulator zur Verfügung steht, bewirkt auch eine Stunde im realen Cockpit mit dem Flughandbuch auf dem Schoß oft schon wahre Wunder. Denn wenn man den Griff fürs Rettungssystem nach dem Zusammenstoß in der Luft erst suchen muss, kann das die entscheidenden Sekunden kosten. Aber zum Glück stoßen ja immer nur die anderen zusammen ... Schon die Astronauten des amerikanischen Mondfahrtprogramms haben in Simulatoren "Fingerübungen" abgehalten und so Verfahren trainiert und Erfahrung gesammelt. Warum schaffen wir es 70 Jahre später in der Allgemeinen Luftfahrt immer noch nicht, diese existierenden Hilfsmittel sinnvoll zu nutzen?

Recurrent
Seien wir ehrlich: Die ein, zwei oder drei Platzrunden mit Fluglehrer zum Jahresanfang sind schlichtweg ein Witz. Es gibt zu viele Situationen, die unser ganzes Können erfordern, und sie alle auch nur zu streifen ist in dieser kurzen Zeit unmöglich. Ohne regelmäßige Flüge mit FI köchelt man in seinem eigenen Süppchen, ohne rechtzeitig auf sich einschleichende Marotten und Fehler hingewiesen zu werden.
Wie sieht es bei den Jungs und Mädels aus, die Touristen oder Päckchen durch die Luft kutschen? Obwohl man sich über mangelnde Routine angesichts vieler hundert Flugstunden im Jahr kaum beklagen kann, kommen jährlich mindestens noch zwei Sessions zu je acht Stunden im Simulator dazu, in denen intensiv alle möglichen und unmöglichen Notverfahren trainiert werden. Ein Checkflug mit Ausbildungskapitän schließt das Training ab. All das ergänzen noch regelmäßige Kurse zur Feuer-bekämpfung, zum Umgang mit gefährlichen Gütern oder in Erster Hilfe. Denn nur das, was regelmäßig trainiert wird, bleibt präsent.
Nicht anders verhält es sich bei einem Motorausfall während eines Überlandflugs oder beim Seilriss an der Winde. Werden solche Ereignisse nicht regelmäßig trainiert – und sei es nur mental –, kommt die erforderliche Reaktion mög-licherweise um die eine verhängnisvolle Sekunde zu spät.

Kommunikation – CRM
Einen großen Schritt nach vorn haben die schwedischen Segelflieger mit der konsequenten Einführung des Crew Resource Managements, kurz CRM, Ende der 80er Jahre unternommen.
Das Erlernen der richtigen Kommunikation nicht nur der Cockpit-Crew untereinander, sondern zwischen allen am Flugbetrieb Beteiligten hat bereits in der Verkehrsluftfahrt vieles zum Positiven verändert. Die katastrophale Unfallstatistik der schwedischen Segelflieger Ende der 80er Jahre führte zum Umdenken. CRM wurde zum Muss – auf Zwang durch den Verband. Wenn auch anfangs nur zähneknirschend akzeptiert, gab der Erfolg, ablesbar in sinkenden Unfallzahlen, den Entscheidern Recht. Was hierzulande immer noch allzu oft als Gehirnwäsche oder Hokuspokus abgetan wird, funktioniert. Aber warum weigert sich die Masse von uns, das zu akzeptieren?

Fazit
Vom Flughandbuch angefangen über Seminare, Trainings, Simulatoren bis hin zu aller möglicher Software und Apps gibt es unzählige Möglichkeiten, dem Unfallgeschehen ein Schnippchen zu schlagen. Wir müssen es nur wollen. Und zwar regelmäßig!