Vereinsporträt Motorfluggruppe Grenzland

Vereinsporträt Motorfluggruppe Grenzland
Spaß zu viert für 100 Euro?

Zuletzt aktualisiert am 05.01.2018

Als ich bei einem eher zufälligen, winterlichen Besuch im Tower des kleinen Grasplatzes Grefrath (EDLF) von den Charterflugkonditionen des örtlichen Vereins höre, traue ich meinen Ohren nicht: 90 Euro die Stunde für eine 172er Cessna, und das auch noch nass? Mit ’nem total rotten Drachen kurz nach Ablauf des Verfallsdatums vielleicht machbar, denke ich laut. Der Mann am Funk relativiert. „Die 90 Euro sind unser ‚happy month‘-Tarif, der gilt nur von November bis Januar an Wochentagen“, sagt Günter Judenau, „in der Saison und am Wochenende nehmen wir natürlich mehr.“ Jetzt will ich’s genauer wissen. „111 bis 117 Euro von April bis Oktober für die 172, für die Archer sind’s 126 bis 132“, lautet die knappe Antwort des Flugleiters. Weil mir auch das noch ziemlich moderat scheint, fasse ich nach: „Und wo ist da der Pferdefuß?“ „Sparsam fliegen, heißt bei uns die Devise“, entgegnet Judenau – und lädt mich ein, mir das Tarifmodell der Motorfluggruppe Grenzland genauer anzusehen.

Bei 2200 rpm ist Schluss

Ein wesentlicher Baustein dessen ist ein ökonomischer Umgang mit dem Gashebel. Der Vorstand hat dazu die Verbräuche der Vereinsmaschinen – drei C 172, eine PA-28 und ein UL vom Typ ATEC 321 – bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen genau ermittelt. So verbrenne die Cessna mit dem 150-PS-Lycoming bei Vollgas im Schnitt um die 44 Liter. „Bei 2200 Touren sind es aber selbst in geringen Flughöhen nur noch 24 Liter“, so Günter Judenau. Und weil man dann nur noch mit etwa 90 statt der sonst üblichen 105 Knoten unterwegs sei, erhöhten Streckenflüge auch die Gesamtchartereinnahmen. Trotzdem sei das Tarifmodell klar auf Piloten zugeschnitten, die gern 40 oder mehr Stunden im Jahr in der Luft sein wollen. Für weitere Details verabreden wir einen Termin im Juli, bei dem ich außer dem Vorstand auch ein paar Vereinspiloten und den Nachwuchs kennenlerne.

Zu dem Treffen wird mir präsentiert, was der Vorstand um den Vorsitzenden Horst Wolfers vor dreieinhalb Jahren ausgefuchst hat. Grund waren Zukunftssorgen des Vereins, der damals auf weniger als 50 Mitglieder zusammengeschrumpft war. Finanziell stand die Motorfluggruppe zwar gut da, Neuzugänge wurden allerdings durch die Aufnahmegebühr von 2500 Euro abgeschreckt, zumal der Verein ziemlich viel Wettbewerb hat. Grefrath liegt im Kreis Viersen. Die nächsten ländlichen Vereine sitzen in Kamp-Lintfort und am Krefelder Egelsberg; nach Mönchengladbach, wo es ebenfalls einen Verein mit Flugschulbetrieb gibt, ist es nur ein Katzensprung. Auch das Ruhrgebiet mit nicht eben wenigen Vereinsflugschulen liegt keine Autostunde von Grefrath entfernt. Wer also aus dem Pott oder der Landeshauptstadt kommt und fliegen will, findet Alternativen satt. Trotz eines geringen Monatsbeitrags und durchschnittlich nur zwölf Euro höheren Charterpreisen kamen die fünf Flugzeuge nur auf gute 500 Stunden pro Jahr insgesamt. Der kleine Verein nahe der niederländischen Grenze musste sich also etwas einfallen lassen.

Bei meinem neuerlichen Besuch stehen drei herausgeputzte Cessnas vor den Hallen, die alle in den gleichen Farben lackiert sind und auch von innen aussehen, als kämen sie gerade aus einer Werft mit angeschlossener Polsterei. Die Sitze sind in brokatrotem Leder abgesteppt, wie englische Salonsessel. Aus den in gebrochenem Weiß lackierten Panels leuchtet mir zeitgemäße Avionik entgegen. Zu den klassischen Uhrenläden gibt es zentrale Flymap-GPS, für Sprechfunk und Funknavigation sorgen Garmin GNC 255A, als Audio-Panels und Transponder sind GMA 340 und GTX 330 verbaut, EDM-700-Geräte zeigen Fuel Flow sowie CHT und EGT an.

Perfekte Flieger, perfektes Outfit

Die Ausstattung ist bei allen Viersitzern des Vereins identisch. Gebaut wurden die Cessnas in den Jahren zwischen 1974 und 1980, die Archer ist mit ihrem Baujahr 1988 das jüngste Gerät. Keines der Flugzeuge sieht abgerockt aus, die Piper steht bei meinem Besuch mit demontierter Cowling und demontiertem vorderen Radschuh in der Halle zum Reifenwechsel. Sie und eine der 172er sind vor vier Jahren auf Mogas umgerüstet worden, die beiden anderen Cessnas sind mit 160 PS starken H2AD-Lycos ausgestattet, für die es kein entsprechendes STC gibt. Die jüngere der beiden N-Varianten sowie das älteste Flugzeug haben im Laufe der letzten beiden Jahre das neue Interieur erhalten. Und als wäre die einheitliche Farbenpracht nicht genug, werde ich von einem guten Dutzend Piloten in ebenfalls brokatroten Poloshirts mit Vereinslogo auf der Brust in Empfang genommen. Nur einer begrüßt mich, freudig lächelnd, in einem grauen Kittel, er wird mir schlicht als „Herr Bert“ präsentiert: Herbert Meiers-Fischer. Der selbstständige Maschinenbaumeister ist unter anderem für Wartungsarbeiten an 320er und 360er Lycomings autorisiert. So nimmt er mit vier Vereinskameraden sämtliche 50- und 100-Stunden-Checks nach Arbeitsanweisung der „MOF-Hauswerft“ vor, die größere Arbeiten in Bonn/Hangelar erledigt, die Eigenleistungen der Vereinswarte überprüft sowie die CAMO-Überwachung der Flugzeuge betreibt.

Am Beispiel zweier fiktiver, aus dem statistischen Durchschnitt konstruierter Mitglieder mit den sprechenden Namen Carsten Lever und Sabine Mart, rechnet man mir vor, wie es geht: C. Lever fliegt sich zum Jahresanfang für 90 Euro vier Stunden in den „happy months“ warm, neun weitere Stunden verbringt er für neun Euro mehr von Februar bis März in der Luft. Von April bis Oktober ist er unter der Woche und an den Wochenenden insgesamt 24 Stunden unterwegs, weitere sechs verfliegt er dann in den „happy months“ am Jahresende. Weil er damit insgesamt 43 Stunden in der Luft war, kommen noch einmal zwei Freistunden „Mengenrabatt“ obendrauf. Für diese 45 Stunden hat er dann 4527 Euro gezahlt, 100,60 Euro pro Stunde. Preist man nun noch die in Grefrath entfallenen Landegebühren – der Verein ist einer der beiden Platzbetreiber – und weitere Vergünstigungen wie das DWD-Wetterbriefing am Vereinsrechner mit ein, sinkt der Stundenpreis rechnerisch auf knapp unter 100 Euro. Und weil C. Lever und seine Vereinskollegin S. Mart, die ebenfalls 45 Stunden im Jahr fliegt, sich wechselseitig an mindestens 20 Stunden als Co für Funk und Navigation mit auf die Strecke nehmen, sind beide dafür fast 70 Stunden im Jahr in der Luft! Die anwesenden Mitglieder nicken bei dieser Rechnung zustimmend. Neben den günstigen Flugmöglichkeiten loben sie ihren Verein aber auch für die gemeinsamen Aktivitäten wie Ausflüge, Fortbildungen und Refresher, die ihnen regelmäßig angeboten werden.

Das schafft Zustimmung und Teamspirit. Heute verfügt der Verein wieder über knapp 70 aktive Mitglieder, allein 20 davon sind in den vergangenen zwei Jahren hinzugekommen. Zwar hat die Kassenlage etwas abgenommen, was aber an den Cessna-SIDs, der umfangreichen Interieurerneuerung zweier 172er sowie der Anschaffung des UL in den beiden zurückliegenden Jahren liegt und nicht an der Senkung der Aufnahmegebühr um 1000 Euro und dem Monatsbeitrag von nur 40 Euro, auf den der Vorstand den anhaltenden Zulauf zurückführt.

Eigene Wartung, eigener Platz

Die Motorflug-Vorstände haben gemeinsam mit dem Präsidium des zweiten ansässigen  Vereins die „Flugplatzgemeinschaft Grenzland“ gegründet. Der Luftsportverein Grenzland hat mit seinen 230 Mitgliedern seinen Schwerpunkt im Segelflug. Die einzige Aufgabe der Flugplatzgemeinschaft besteht in der Verwaltung und dem Betrieb des Platzes. Für einen verminderten Beitrag im Partnerverein können Mitglieder die PPL-Ausbildung absolvieren, UL-Schulungen bietet die Motorfluggruppe seither selbst an und gewährt ausschließlich Luftsportgeräte-Interessenten eine nochmals vergünstigte Aufnahmegebühr. Das hat zu weiterem Zulauf geführt, sodass man über ein zusätzliches UL nachgedacht und inzwischen eine Aeroprakt A22L angeschafft hat. Die Platzbetreiberin deckt ihre Betriebskosten aus der Verpachtung von Hangarplätzen, der Flugplatzgastronomie sowie den Mieteinnahmen der kleinen gewerblichen Flugschulen am Platz, die der Motorfluggruppe seit Jahresbeginn allein vier neue Mitglieder beschert haben.

Auch wenn man die reale Nutzung der Vereinsmaschinen im Vorjahr zugrunde legt, scheint das Tarifmodell aufzugehen: Bei 792 Gesamtstunden hatte der Verein 2016 im Schnitt Chartereinnahmen von 108,23 Euro pro Stunde. Dem stehen für Treibstoff, Hangarierung, Versicherung und Wartung 108,47 Euro gegen­über. „Wir decken unsere Flugbetriebskosten also nachweislich zu 99,8 Prozent nur aus unseren Chartereinnahmen“, so Judenau. Die indirekten Einkünfte aus Beiträgen, Aufnahme­gebühren und nicht geleisteten Arbeitsstunden von rund 125 Euro jährlich pro Mitglied lässt der Vorstand in der Kalkulation ebenfalls außen vor – sie fließen in die Vereinsrücklage, aus der die Motorfluggruppe größere Reparaturen oder Neuanschaffungen finanziert. Wie beispielsweise den geplanten Austausch einer Avgas-Cessna gegen eine mit Mogas-STC. Oder vielleicht auch einer zusätzlichen zweisitzigen Echo-Maschine: „Das machen wir vom weiteren Zuwachs und den Bedürfnissen der Mitglieder abhängig.“ Zu denen gehört klar die gute Flugzeugverfügbarkeit, wie mir die Neuzugänge der MOF Grenzland die Entscheidung für diesen Verein begründen: „Wir haben hier auch eine Platzhirsch-Regelung: Während der Saison ist an Wochenenden eine 172er immer nur für maximal 90 Minuten buchbar.“ So steht auch für Kurzentschlossene, die ihren Wochenendbesuch bei schönem Wetter mal spontan zu einem Rundflug über Rhein und Ruhr einladen wollen, immer ein Flugzeug in Reserve.

Ein Zweifel allerdings bleibt mir: Wenn sparsames Powersetting einer der zentralen Bausteine ist, scheidet dieses Tarifmodell für Vereine mit intensivem Schulbetrieb wohl aus. Denn dabei werden überwiegend Platzrunden geschrubbt, wohl die verschleiß- und verbrauchsträchtigste Variante im Flugbetrieb. Doch ich ernte Widerspruch: Auch im Platzrundenbetrieb werde den Mitgliedern das sparsame Fliegen vermittelt. Zum Beweis lädt mich Manfred Zachau mit zwei Neuzugängen zu einer erweiterten Platzrunde ein.

Voll besetzt auf die 25

Gemeinsam mit Jan Schnitzler und Max Reinke setzen wir uns in eine fast voll getankte Cessna. Der Mittvierziger Jan und der erst 25-jährige Max sind der MOF zum Saisonbeginn beigetreten. Zumindest Jan ist etwas kleiner, beide aber, wie auch der Pilot Manfred, erkennbar schlanker als ich. Gleichwohl dürften wir die Payload der Cessna nur um einen knappen Zentner unterschreiten, und ich bin auf die Performance des 150-PS-Maschinchens unter diesen Voraussetzungen gespannt. Es ist sommerlich warm und die Grasbahn, an deren beiden Enden in einigem Abstand Bäume und Bebauung lauern, nur 575 Meter lang. Nach dem Aufrollen setzt Manfred im Fullstop die Klappen schon mal auf 10 Grad und schiebt das Gas, ohne die Bremsen zu halten, bis zum Anschlag nach vorn. Bereits auf Platzrundenhöhe zieht er es auf 2400 rpm zurück. Trotz unserer Zuladung bleibt noch ein moderater Reisesteigflug von 300 ft/min übrig. Nach dem Ausleveln zieht Manfred das Gas nochmals um 200 Touren zurück – der Fuel Flow stimmt. Wir sind nun oberhalb der Platzrundenhöhe südlich des Gegenanflugs mit ordentlichem Rückenwind unterwegs. Obschon die Fahrtmessernadel bei nur 85 Knoten steht, weist das GPS eine Ground Speed von 108 Knoten aus. Manfred genießt diesen „Geizflug“ sichtlich und legt unsere erweiterte Platzrunde großzügig aus. Der Rest verläuft noch sparsamer: Manfred muss nicht einmal Fahrt zurücknehmen, um die Klappen zu setzen. Mit nochmals reduziertem Gas geht es auf Platz­rundenhöhe Richtung Queranflug zurück,
im Gleitflug setzen wir nach einer knappen Viertelstunde wieder auf der 25 auf.

Sicher ist das Modell, das die sympathische Truppe vom linken Niederrhein da betreibt, ungewöhnlich. Wer Interesse an einer Mit­gliedschaft oder dem Austausch über die Kalkulation von Vereinscharter hat – die Motorfluggruppe Grenzland steht beidem
offen gegenüber. Den Kontakt findet man im Netz unter www.mofgrenzland.de.

aerokurier Ausgabe 12/2017