Reihenmotor
Auster 5J/1 und Bücker FK 131: Reihe statt Boxer

Bei modernen Flugmotoren sind die Zylinder meist gegenüberliegend angeordnet. Lycoming, Continental oder Rotax – das Boxerprinzip ist State of the Art. Die Marktsituation führt mitunter dazu, dass der Reihenmotor als Urform des Flugmotors aus dem Blick gerät. Am Beispiel eines Oldtimers und eines Oldtimer-Nachbaus zeigt unser Autor den Reiz des klassischen Antriebs.

Auster 5J/1 und Bücker FK 131: Reihe statt Boxer

Boxer, egal ob mit zwei, vier, sechs oder noch mehr Zylindern, haben sich in der Kategorie bis circa 400 PS in der Allgemeinen Luftfahrt durchgesetzt. Sternmotoren überzeugen dank Hubraum und niedriger Drehzahl mehr durch charakteristischen Sound als durch Ökonomie. Völlig vergessen scheint der aerodynamisch sinnvollste Motor – der Reihenmotor.

Jede bekannte Luftfahrtnation hat ihre Reihenmotoren gehabt – Amerika die Rangers oder Menascos, England die Gipsy Majors, Frankreich die Snecmas oder Renaults, Deutschland die Hirths und Argus’, der Ostblock die Walters’ und LOMs – und dies sogar bis in die späten 1960er Jahre. Im Verlauf der Entwicklung wurden Reihenmotoren auch anei-nander gebaut – es entstand beispielsweise der Reihen-V-Motor. Dabei wurden stehende Zylinderanordnungen wie im legendären Rolls-Royce Merlin, hängende wie beim deutschen Rivalen DB 605 oder gar liegende Versionen wie von Junkers realisiert. Grund genug, sich das Konzept des Reihenmotors einmal im praktischen Einsatz genauer anzuschauen. Anhand von zwei interessanten Flugzeugen mit hängenden Vierzylinder-Reihenmotoren lassen sich Alltagstauglichkeit und Ökonomie recht gut analysieren.

Konkret geht es um eine Auster 5 J/1, angetrieben von einem 100 PS starken, hängenden Vierzylinder der Firma Blackburn und eine Bücker FK 131 neuer Produktion mit einem circa 80 PS starken Walter Mikron – ebenfalls als Neuware zu erhalten.

Äußerlich ist die Attraktivität eines Flugzeuges freilich immer abhängig vom persönlichen Geschmack, und zwar nicht nur dem des Konstrukteurs, sondern auch dem des Endkunden. Lieber ein knuffiger Sternmotor oder eine langgestreckte Nase? Der Mittelweg ist der Boxermotor – aber um den geht es hier ja nicht.

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Mit der Auster reist man kommod

Mit 150 km/h Reise ist man in der Auster entspannt unterwegs. Foto und Copyright: Philipp Prinzing

Die Optik  der Bücker 131 Jungmann ist zeitlos, und auch ihre Flugleistungen überzeugen. Lizenzbauten haben in den letzten 70 Jahren rund um den Globus stets Abnehmer gefunden, so auch die FK 131 von Peter Funk. Einst als einmalige Serie von nur zwölf Maschinen aufgelegt, gibt es inzwischen die zweite Serie sowie Bausätze zu kaufen. Die in Deutschland auch als UL zugelassene Maschine entspricht in Gewicht und Leistung nahezu vollständig der Urversion mit 80-PS-Hirth-Motor.

Moderne Bespannungsmaterialien machen das Flugzeug allwettertauglich und erlauben zur Not auch ein mehrtägiges Abstellen im Freien  bei Dauerregen. Das Flugzeug ist wie das Original in Gemischtbauweise hergestellt. Das Cockpit ist eng, man zieht sich das Flugzeug an. Entsprechend direkt ist das Fliegen: Pilot und Maschine bilden eine Einheit. Was den Motor angeht, sieht eine „Jungmann“ natürlich nur dann original aus, wenn ihr Herz ein Reihenvierer ist. Das in Tschechien gebaute Aggregat gilt als besonders leicht in Anbetracht seiner Leistung. Der Motor klingt „historisch“, und so erfreuen sich Besitzer von als US-LSA zugelassenen Mustern ebenso wie jene, die eine ultraleichte Jungmann fliegen, an ihrem „nagelneuen Klassiker“. Die Ersatzteilsituation ist unproblematisch, und was die Wartungsarbeiten angeht, unterscheidet sich der tschechische Motor kaum von einem Rotax. Da der Antrieb jedoch nicht über eine uneingeschränkte Zulassung verfügt, darf er im Bereich der EASA nur in Experimentals oder ULs werkeln.

Unabhängig von Flugzeug- und verbautem Motorentyp gilt aber, dass Reihenmotoren spezifische Vor- und Nachteile haben. Die Aerodynamik ist ein klarer Vorteil, denn kein anderer Motor baut so schmal und bietet entsprechend wenig Stirnwiderstand. Im Ergebnis bedeutet das eine höhere Reisegeschwindigkeit bei relativ geringem Benzinverbrauch – das gilt für die Auster wie für die Bücker. Nachteilig wirkt sich die Zylinderanordnung auf die Kühlung der hinteren Zylinder aus. Denen wird es je nach Wetterlage und Flugphase gerne mal zu heiß. Dennoch sind die Zylinderköpfe der beiden hier vorgestellten Kandidaten nicht dem „Abkochen“ geweiht – anders als mancher Boxer mit gemischter Wasser-Luft-Kühlung. Die lange Schnauze führt natürlich auch zu einer etwas anderen Schwerpunktlage. So steht beispielsweise auf der ersten Seite des Auster-Flughandbuches, dass nicht ohne ein 4,5 Kilogramm schweres Gewicht im Heck gestartet werden darf. Die Bücker kommt ohne Zusatzgewichte aus, da die Zelle der Nachbauten und der Mikron so harmonieren, wie vom Konstrukteur einst vorgesehen.

Man kann nur das Resümee ziehen, dass sich hoffentlich auch die Hersteller auf die Tugenden des Reihenmotors besinnen.

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Luftfahrthistorie neu aufgelegt: die Jungmann

Die Auster ist eine Konstruktion von Gilbert Taylor, der 1927 mit seinem Bruder Gordon die Firma Taylor Aircraft gründete. Nach Umstrukturierungen, an denen auch William T. Piper finanziell beteiligt war – woraus später Piper Aircraft entstand – firmierte das Unternehmen als Taylorcraft Aviation Company. Aus deren Lizenzbetrieb Taylorcraft UK entstand im Jahre 1939 die Auster Aircraft Company. Selbstverständlich mussten die bis dahin verwendeten amerikanischen Motoren gegen heimische Modelle ausgetauscht werden. Der Blackburn Cirrus Minor II war für das Modell 5 J/1 mit seinen 100 PS ausreichend, um drei Personen mit kommoden 150 km/h gut drei Stunden in der Luft zu halten. Er begnügte sich dabei mit durchschnittlich 21 Litern pro Stunde.

Der Motor bedarf allerdings einer zeitgenössischen Bedienung, Pflege und Wartung. Auffällig ist der Spaltfilter für Öl, der vor jedem Anlassen manuell mittels Maulschlüssel zwei bis drei Umdrehungen gedreht werden muss. Auch die Luftschraube will, ähnlich der eines Sternmotors, mehrere Male durchgedreht werden, gilt es doch den Hydraulikschlag des Pleuels durch in Verbrennungsräumen befindliches Öl zu verhindern. Schließlich wollen die Materialien des Motors behutsam aufgewärmt werden – ein „Alarmstart“ mal eben schnell scheidet aus.

Der Betrieb selbst ist allerdings eine Freude, und der Klang des Motors, der seine Abgase durch vier offene Auspuffrohre ins Freie bläst, erinnert durchaus an einen klassischen Straßen-Oldtimer. Übrigens: Einmal abgestellt, markieren die meisten Reihenmotoren ihr Territorium ähnlich wie Sternmotoren. Kein Wunder – fasst doch ein Ventildeckel nahezu drei Deziliter Öl, und die Abdichtung zum Zylinderkopf war noch nie auf dauerhafte Dichtigkeit kon-struiert. Die Ersatzteilsituation für diesen Motor ist eher schwierig. Aufgrund der wenigen noch vorhandenen Motoren rentiert es sich auch kaum, Kleinserien zu produzieren – man ist also auf die Mithilfe anderer Enthusiasten angewiesen.

In der ersten Dekade nach dem Krieg erfreute sich die Auster im europäischen Raum größter Beliebtheit. In Ganzmetall gefertigte Großserien amerikanischer Modelle machten der kleinen englischen Firma dann jedoch zunehmend zu schaffen. Nach einer Insolvenz entstand daraus 1960 die Firma Beagle Aircraft. Mit geringfügig veränderten Modellen der Auster sowie Neuentwicklungen gelang es dem Unternehmen jedoch nicht, in der Allgemeinen Luftfahrt Fuß zu fassen. Ende der 1960er Jahre verschwand die Marke vom Markt.

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