Porträt
Dominique Gisin: Von der Piste ins Cockpit

Mit der Goldmedaille in der Abfahrt 2014 erfüllt sich Skifahrerin Dominique Gisin einen Lebenstraum. Nach dem Ende ihrer Karriere sucht sie nun in der Luft die Herausforderung.

Dominique Gisin: Von der Piste ins Cockpit

Dominique, startest du jetzt als Berufspilotin durch?

Zurzeit studiere ich Physik und mache in meiner Freizeit die Berufspilotenlizenz. Es ist schwer zu sagen, wohin die Zukunft führt, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, später als Berufspilotin oder Fluglehrerin zu arbeiten.

Wie bist du denn zum Fliegen gekommen?

Nach den ersten größeren Erfolgen im Skisport riss ich mir bei einem Sturz das Kreuzband. Die Verletzung zog ernste Komplikationen nach sich, und es war mir in den darauffolgenden Jahren nicht möglich, bei weiteren Skirennen zu starten. Es war eine Zeit voller Rückschläge, und die Fliegerische Vorschule, die mir von einem Freund empfohlen wurde, bot eine willkommene Abwechslung. Dabei entdeckte ich die Leidenschaft fürs Fliegen und absolvierte die beiden Kurse so erfolgreich, dass ich in die Selektion der Militärpilotenanwärter aufgenommen wurde. Letztlich entschied ich mich aber für den Skisport und flog ab 2011 nur noch privat.

Helfen dir die Erfahrungen aus dem Skisport im Cockpit?

Ich bin es gewohnt, umsichtig zu planen und zielstrebig zu handeln, was mir jetzt als Pilotin natürlich zugutekommt. Außerdem hatte ich durch Kontakte aus dem Skisport, wie beispielsweise zu meinem Sponsor Breitling, einen leichteren Zugang zur Luftfahrt.

Unsere Highlights
Inzwischen fokussiert sich Gisins Leidenschaft mehr auf das Cockpit. Foto und Copyright: Breitling

Dank der Verbindung zu Breitling bist du zu Beginn deiner Pilotenlaufbahn sogar in den Genuss gekommen, in einer Aero L-39C Albatros abzuheben ...

Der Formationsflug mit dem Breitling Jet Team war ein eindrückliches
Erlebnis. Was die Piloten im Cockpit leisten, ist Präzisionsarbeit in Vollendung. Von Nigel Lamb erhielt ich ein Jahr danach eine Kunstflug-Einführung auf der MX2, wodurch ich viel über das Verhalten des Flugzeugs in Extremsituationen gelernt habe.

Wirbelst du auch privat durch die Luft?

Die Rundflüge, die ich ins Engel-bergertal unternehme, sind eher ruhiger Natur, interessieren würde mich eine Kunstflugausbildung aber auf jeden Fall!

Was reizt dich am Fliegen?

Ich liebe es, meine Heimat aus der Vogelperspektive zu entdecken. Diese Lichter, diese Farben: Es ist so schön hier, da erübrigen sich Ferien im Ausland. Die Freiheit, abzuheben und die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, ist für mich ein riesiges Privileg und ein wunderbarer Ausgleich.

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Viele Projekte stehen an

Noch heute kann Dominique Gisin die Bretter nicht ganz im Schrank lassen. Foto und Copyright: Engelberg-Titlis Tourismus

Der Schweizer Aeroclub ernannte dich vergangenes Frühjahr zum Ehrenmitglied und zur offiziellen Botschafterin der Leichtaviatik. Inwiefern engagierst du dich persönlich für die Luftfahrt?

Als Vorsitzende des Vereins Pro Flugplatz Kägiswil setze ich mich für den Erhalt des Flugplatzes Sarnen-Kägiswil ein. Der Kanton wollte den Flugplatz per Ende 2014 schließen, doch mit vereinten Kräften konnten wir die Obwaldner Stimmbevölkerung vom Gegenteil überzeugen, sodass der für den Kauf notwendige Kredit abgelehnt wurde. Zahlreiche administrative Fragen sind noch zu klären, doch angesichts der breiten Unterstützung und der guten Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt bin ich zuversichtlich, dass es uns gelingt, den ehemaligen Militärflugplatz in ein ziviles Flugfeld umzuwandeln. Als Botschafterin für die Leichtaviatik möchte ich die Faszination für die Luftfahrt nach außen tragen und damit die Akzeptanz in der Öffentlichkeit fördern.

Ein zentrales Argument der Abstimmung war, dass der Erhalt des Flugplatzes Kägiswil als Ausbildungsstätte insbesondere im Interesse der Jugend liegt. Wie finden Flugschulen und Vereine den Draht zum Nachwuchs?

Gezielte Aktionen, wie etwa Erlebnistage auf dem Flugplatz, vermitteln die Freude am Fliegen. Jugendliche und junge Erwachsene lernen den Ausbildungsbetrieb auf unverbindliche Art kennen und finden Anschluss in den Vereinen. Außerdem sollten für Studenten Kurse in den Semesterferien angeboten werden. Das Interesse an einer Ausbildung ist aufgrund der hohen Kosten aber bestimmt auch konjunkturabhängig.

Soziale Verantwortung nimmst du wahr, indem du dich in die Stiftung „Live Your Dream“ von Pilot und Weltumrunder Carlo Schmid einbringst und jungen Menschen bei der Verwirklichung ihres Traums hilfst. Nach welchen Kriterien wählt ihr die Projekte aus?

Bei uns haben innovative Ideen aus allen Bereichen eine Chance. Wir beraten die Teilnehmer bei der Planung, stellen unser Netzwerk zur Verfügung und helfen ihnen bei der Mittelbeschaffung. Bei der Auswahl legen wir Wert darauf, dass die Projekte realisierbar sind und die Teilnehmer eine Alternative haben, sofern das Vorhaben scheitern sollte. Obwohl die Stiftung noch in ihren Kinderschuhen steckt, sind bereits mehrere vielversprechende Entwürfe, darunter auch eines aus dem aviatischen Bereich, eingegangen. Es macht Spaß, die jungen Visionäre kennenzulernen und sie auf ihrem Weg zu begleiten.

Mit Studium, CPL-Ausbildung und den ehrenamtlichen Aufgaben steht dir eine arbeitsintensive Zeit bevor. Wie bringst du alles unter einen Hut, ohne dabei die Motivation zu verlieren?

Die Koordination ist nicht immer einfach, aber mit vorausschauender Planung gelingt es gut, sämtliche Projekte zu vereinbaren. Ich achte darauf, in vielen kleinen Einheiten zu planen und den Fortschritt zu dokumentieren. Außerdem halte ich mir Energiefenster offen, die es mir erlauben, meinen Leidenschaften zu frönen und auf die Pisten zu gehen.

Make it Happen!

2014 gewann Gisin Gold in der Abfahrtsdiziplin. Foto und Copyright: M. Smelter

Dominique Gisin

Als Kind entdeckt Dominique Gisin die Leidenschaft fürs Skifahren und fährt mit sieben Jahren ihr erstes Rennen. Nach dem Sieg im Ovo-Grand-Prix-Finale steht ihr Entschluss fest, im Spitzensport Karriere zu machen. Doch auf dem Weg zum Erfolg muss Gisin viele verletzungsbedingte Rückschläge hinnehmen und schafft den Wiedereinstieg nur durch eiserne Disziplin. Ab 2006 startet sie im Ski-Weltcup, bei den Winterspielen 2010 stürzt sie beim Zielsprung schwer und erleidet eine Gehirnerschütterung. Gisin überdenkt ihre Strategie und wagt vier Jahre später einen erneuten Versuch: Dieses Mal gewinnt sie das ersehnte Gold in der Abfahrtsdisziplin. Zwei Jahre später veröffentlicht sie „Making It Happen“, ein Motivationsbuch, mit dem sie andere inspirieren will, hart für die eigenen Träume zu kämpfen.

Das Intervie führte Tashi Dolma Hinz

Aerokurier Ausgabe 02/2017

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Erscheinungsdatum 20.03.2023