Pilot Report: Mit Cirrus neuer SR im siebten Himmel

Pilot Report
Mit Cirrus` neuer SR im siebten Himmel

Zuletzt aktualisiert am 06.02.2024

Es ist schon ein ganz eigenes Ding, diese Cirrus-Welt. "Discover the Cirrus Life" – keine deutsche Übersetzung des Slogans, der Besuchern der Website von Cirrus Aircraft als allererstes förmlich entgegenspringt, bringt das Credo des Herstellers richtig auf den Punkt. Das Flugzeug soll Teil des Lifestyles sein statt lediglich schnödes Fortbewegungsmittel. Das iPhone unter den Privatflugzeugen. Das Image, mit dem sich Cirrus unter den Flugzeugbauern abhebt – und abheben will – hat seine Anhänger: Mehr als 9000 Flugzeuge der einmotorigen SR-Serie hat der Hersteller bislang verkauft, allein in Europa fliegen rund 1000. 17 Millionen Flugstunden hat die Flotte geloggt. Cirrus Aircraft hat sich damit als erfolgreichster GA-Flugzeugbauer der letzten Jahre etabliert.

Dabei macht der Hersteller mit Hauptsitz in Duluth, Minnesota, wenig Hehl daraus, dass Piloten nur eine der Zielgruppen sind. Ein erheblicher Anteil der Cirrus-Erstkunden sucht tatsächlich zunächst ein schnelles Fortbewegungsmittel. Das "Cirrus Life" sorgt oftmals erst nach dem Kauf dafür, dass die Leidenschaft zum Fliegen entsteht. Wer seinen Neukundenkreis auch außerhalb der Luftfahrt sieht, für den sind luftfahrtbezogene Argumente wie Flugleistungen nur eine Säule des Produkts. Die anderen sind Komfort und Style.

Cirrus G7 Flug und Details
Cirrus

Luxuslimousine unter den Einmots

Die Ähnlichkeiten zu Produkten der Autoindustrie sind alles andere als zufällig. Seit 2019 ist mit Zean Nielsen gar ein ehemaliger Manager des US-Autobauers Tesla Chef des Unternehmens. Wie kaum ein anderer Hersteller in der Luftfahrtbranche verfolgt Cirrus das automobile Marketingkonzept. Mit Zen-tralverriegelung, Klimaanlage, Airbag, einer breiten Palette von Lackierungen und Lederinnenausstattungen sowie kontinuierlichen Produkt-Updates pflegt Cirrus das Image des Luxuswagens unter den Privatflugzeugen. Äußerlich hat sich bei der G7 dabei nur wenig im Vergleich zum Vorgängermodell von 2017 geändert. Dem Marketingkonzept folgend ist auch das 2024er Modell in einem neuen Lackdesign erhältlich. Der Cirrus-Kenner identifiziert auf einen Blick das Baujahr des Flugzeugs, das da gerade auf dem Vorfeld parkt. Die eigentliche Revolution steckt aber in der Kabine, genauer gesagt: am Arbeitsplatz des Piloten. Schon ein kurzer Blick verrät: Cirrus Aircraft hat dem Cockpit ein komplettes, intensives Brush-up verpasst.

Innendesign mit mehr Übersicht

Nun ist die SR-Serie nicht gerade bekannt dafür, ein unübersichtliches Cockpit zu haben. Mit der G7 beweist der Hersteller aber, dass immer noch ein bisschen mehr geht: Die neue SR ist nochmals aufgeräumter, cleaner. Grund dafür ist vor allem die Avionik: Sie beruht auf Garmins G2000-Suite, die wegen ihrer zusätzlichen, in die Flugzeugsysteme integrierten Funktionen vom Hersteller den Namen "Cirrus Perspective Touch+" erhalten hat. Verschwunden ist das Keyboard für die Avionikbedienung, auch die Standby-Instrumente am unteren Panelrand, beim Vorgänger unter dem Primary Flight Display des Piloten, gibt es nicht mehr. Stattdessen finden sich nun in der Panelmitte zwei Garmin Touchscreen Controller (GTC), also berührungsempfindliche Bildschirme. In der Basisausstattung sind diese zwölf Zoll groß.

Cirrus G7 Flug und Details
Cirrus

Es ist keine zu gewagte Prognose, dass die wenigsten Käufer diese Ausstattung wählen, sondern sich mindestens für das "Cirrus Advantage"-Paket (44 900 Dollar) entscheiden werden. Dieses beinhaltet neben "Taxi Routing" und "Surface Watch" – dazu später – unter anderem 14 Zoll große GTC. Weitere Zusatzpakete sind "Cirrus Executive" (34 900 Dollar) mit Yaw Damper und dem Infrarot-Sichtsystem Enhanced Vision sowie "Cirrus Awareness" (33 900 Dollar) mit aktiver Verkehrswarnung. Zusätzliche Optionen sind Klimaanlage, Iridium-Satellitenverbindung, On-Board-Sauerstoffsystem und Triebwerksvorheizung. Alles zusammen treibt den Listenpreis des turbogeladenen Flaggschiffs SR22T G7 von 969 900 Dollar spielend auf über eineinviertel Million Dollar – zuzüglich Steuer, versteht sich.

Die Frage, ob ein einmotoriger Viersitzer diesen Preis wert ist, stellt sich gar nicht erst, denn die Verkaufszahlen geben dem Hersteller recht. Nicht wenige Cirrus-Kunden tauschen ihre SR regelmäßig – oft mit Ablauf der dreijährigen Herstellergarantie – gegen ein neueres Modell und machen ihre nächste Bestellung schon bei der Übernahme des Flugzeugs klar. Wer heute eine G7 ordert, muss sich deshalb bis Ende 2025 gedulden, bis er sein Flugzeug erhält. Noch nie in der Firmengeschichte hat Cirrus Aircraft eine so große Nachfrage zu Jahresbeginn verzeichnet wie nach der Vorstellung der Generation 7 im Januar 2024.

Preflight-Check im warmen Cockpit

Die N743CG ist eines der ersten produzierten G7-Modelle, sie wartet am McGhee Tyson Airport in Knoxville für einen Demoflug auf Ivy McIver, Produktmanagerin der SR-Modellreihe, und mich. Am Morgen herrschen noch Minusgrade. Weil die G7 aber im beheizten Hangar steht, brauchen wir uns um Raureif keine Sorgen zu machen und können den Preflight-Check im Warmen absolvieren. Klappen ausfahren, Öl checken, Lichter an, Walk-around und das Auge schweifen lassen – immer wieder schick, die LED-Streifen in den Randbögen, selbst wenn sie bereits im Vorgängermodell G6 ihre Premiere hatten.

Cirrus G7 Cockpit
Christof Brenner

Kaum sitzt man angeschnallt in der G7, fällt auf, wie viel mehr Sicht nach draußen das nun deutlich niedrigere Dashboard bietet. Mein iPhone gleitet fast automatisch in das Ablagefach unter dem Autopiloten-Panel. Warnaufkleber gibt es keine, alle Limitierungen zeigen sich während des Hochfahrens der Avionik auf den Bildschirmen. Zum Einblenden von Checklisten lassen sich die Hauptbildschirme teilen, mit einem Wahlrädchen die einzelnen Punkte abarbeiten und bestätigen. Die Frequenzwahl erfolgt genauso über die berührungsempfindlichen Bildschirme wie die Eingabe der Flugroute. Es sei denn, man hat diese schon vorab am iPad erstellt. Dann lässt sich das Routing ganz einfach drahtlos übertragen. Das funktioniert auch in Gegenrichtung. Zudem lassen sich Verkehr und in den USA sogar Wetterdaten auf Navigationssoftware wie ForeFlight darstellen.

Ein Zündschloss sucht man im Cockpit vergeblich. Ganz im Stil moderner Automobile findet sich an seiner Stelle nun ein Anlassknopf, die Magnete lassen sich über einen darumliegenden Einstellring wählen. Wem das wie eine Spielerei vorkommt, der saß noch nie nach dem Preflight-Check angeschnallt im Cockpit, um festzustellen, dass der Flugzeugschlüssel noch in der nun schwer erreichbaren hinteren Hosentasche steckt. Wem die Zen-tralverriegelung der Türen per Fernbedienung nicht genug Diebstahlschutz bietet und wer auch in der SR7 um sein Eigentum bangt, kann den Motorstart mit einem im Fußraum verborgenen Schlossschalter deaktivieren.

Ab in die Luft!

Per Hand steuere ich die SR22T aus dem Charlie-Luftraum von Knoxville. Erleichtert wird die Luftraumbeobachtung durch das neue Panel, weil die Sicht vor allem seitlich durch die Frontscheibe links und rechts an den Bildschirmen vorbei deutlich besser ist. Aber auch die Sicht nach vorne: Spielend lässt sich bei Steep Turns die Nase am Horizont entlangziehen; der Glascockpit-Trick, den grünen Kreis des Flight Path Indicators zur Unterstützung zu nehmen, ist nett, aber nicht nötig. Als wir uns beim Langsamflug dem Strömungsabriss nähern, weist zusätzlich zur akustischen Warnung der Stick mit energischem Vibrieren auf den drohenden Stall hin.

Wie in der Welt der Turbinenflugzeuge wird die Triebwerksleistung des Continental-Sechszylinders in großen Ziffern als Prozentwert angezeigt. Die traditionellen Größen Ladedruck und Drehzahl sind weiterhin darunter zu finden, allerdings lediglich in unauffälliger Größe. Das Spritmanagement überlässt man am besten dem Flugzeug selbst: Der Tankwahlhebel ist in der G7 automatisiert, ein kleiner Servomotor stellt den Fuel Selector in Fünf-Gallonen-Schritten auf den jeweils vollsten Tank. Der Pilot bekommt von all dem nichts mit – der rote Aluminiumhebel ist unter einer Klappe in der Mittelkonsole verborgen. Öffnet man diese, ist die Automatik deaktiviert, und der Tank lässt sich manuell wählen. Grund dafür gibt es im Normalbetrieb keinen.

Cirrus G7 Cockpit
Christof Brenner

Wir sind schnell unterwegs auf dem RNAV-Approach zur Runway 2 des McMinn County Airport (KMMI), 164 KIAS zeigt das Speedtape. Ivy fordert mich auf, die Klappen auszufahren, ungeachtet der VFE mit 50 Prozent von 150 Knoten. Soll ich wirklich? Ich bringe den Hebel auf die erste Stufe: Nichts passiert. Die Avionik Cirrus Perspective Touch + bietet eine Flaps Airspeed Protection, die das Fahren der Klappen bei zu hohen Speeds verhindert. Am anderen Ende des Geschwindigkeitsbandes verhindert sie das Einfahren der Klappen, so lange das Flugzeug zu langsam dafür ist. Ich vertraue darauf, dass dies funktioniert, verzichte aber auf einen Praxisversuch angesichts einer Höhe von 500 Fuß über Grund im kurzen Endanflug.

Der Autopilot führt uns zuverlässig ans Minimum. Ein kleiner Knopf in Daumenreichweite am Triebwerkshebel leitet den Go-around ein. Das Gas zügig nach vorne zu schieben ist die einzige Aufgabe für den Piloten. Den Rest des Fehlanflugs erledigt der Autopilot. Dass die Kolben-Einmot nicht wie manche Turboprops oder Jets über eine Autothrottle-Funktion verfügt, ist einer der Gründe, warum ein automatisches Notlandesystem in der Cirrus-Produktpalette bisher dem Vision Jet vorbehalten bleibt.

Eine Flugzeugfamilie

Zurück in Knoxville, mit 30 Prozent Leistung und 80 Knoten – eine Empfehlung von Ivy, die wunderbar passt –, schwebt die Cirrus Richtung 05L zur Landung. Bis kurz vor dem Ausschweben lasse ich das Gas stehen, dann sitzt die SR22T butterweich. "Knoxville ist ja ein kleiner Platz", bemerkt Ivy fast ein bisschen enttäuscht, doch für mich hat es die Rollanweisung zurück zum Vorfeld trotzdem in sich: Raus bei Bravo 4, über Bravo, Tango, Hold short of runway 5 bei Alpha 4, dann bitte weiter über Alpha und Charlie. Doch kein Problem: Die Rollfreigabe lässt sich über das Touch-Display praktisch in Echtzeit eingeben, das Primary Flight Display zeigt den Weg in 3D-Ansicht an, und die Avionik warnt vor dem Kreuzen der aktiven Bahn.

"Wir wollen unsere Produkte so angleichen, dass der Wechsel von einem Flugzeugtyp zum anderen ein nahtloser Übergang wird", erklärt Ivy. Was sie genau damit meint, soll mir gleich noch klarwerden.

Cirrus Aircraft

Neben dem Demoflug in der SR steht jetzt noch eine Runde im Vision Jet auf dem Programm. Nicht im echten Flugzeug. Mittlerweile betreibt Cirrus Aircraft zwei Level-D-Simulatoren, die vor allem für die Ausbildung zur Musterberechtigung und Checkrides genutzt werden. Ein paar Minuten im Cockpit des vollbeweglichen Trainers und man vergisst, dass man den Boden nie verlassen hat – so realistisch fühlt sich das Fliegen darin an. Das aktuelle Produkt-Update, das Cirrus Aircraft seiner Kolbenmotor-Reihe mit der G7 verpasst hat, sorgt aber vor allem dafür, dass sich der SR-Pilot auf Anhieb auch im Vision Jet zu Hause fühlt. Sogar die Haptik des Steuersticks hat der Hersteller angeglichen. Drei statt zwei Touch-Displays – das ist der Hauptunterschied, was die Hardwareausstattung der Avionik angeht. Ansonsten sind die Bedienelemente genau dort, wo sie der aufstrebende SR-Pilot vermutet. Die Avionik blind zu beherrschen ist eine der größten Herausforderungen beim Erwerb eines Jet-Type-Ratings. Der Aufstieg in die Jet-Welt ist G7-Piloten ein gutes Stück leichter gemacht.