Pilot Report: CAP 222
CAP der guten Hoffnung

Die CAP-Familie hat Zuwachs bekommen. Airrace-Pilot Matthias Dolderer ist den viel versprechenden, 200 PS starken Tandemsitzer CAP 222 geflogen. Lesen Sie seinen Pilot Report, erschienen im aerokurier im Oktober 2001.

CAP der guten Hoffnung

Von Kopf bis Fuß auf Sport getrimmt

Da steht sie, die brandneue CAP 222, knallrot lackiert, den schneeweißen Dreiblatt-Prop unternehmungslustig in Richtung Himmel gereckt. Der Rumpf, der sich zum Leitwerk kaum verjüngt, stützt sich vorn auf einer hochglanzpolierten, einteiligen Alu-Fahrwerksschwinge ab. Das Heck ruht auf einer ausladenden Stahlfeder mit Spornrad.

Schon das Äußere dieses neuen Sportgeräts verströmt Kraft und Herrlichkeit. Die spiegelglatten Tragflügel, nicht mittig, sondern tief platziert, verzichten auf \/-Stellung und Einstellwinkel. An ihren Rückseiten sind zweieinhalb Meter lange Querruder angelenkt.

Unsere Highlights

Das Design dieses Flugzeugs, auf dessen Markterfolg der Hersteller, CAP Aviation, berechtigterweise große Hoffnung setzt, gefällt auf Anhieb. Die Entwicklungsingenieure und Testpiloten attestieren dem Flieger Performancewerte, die denen einer Extra 300 in vielerlei Hinsicht mindestens ebenbürtig sind, dazu den puren Flugspaß einer Pitts und all dies zu Anschaffungs- und Betriebskosten, die den Geldbeutel allenfalls mit +/-1,5 g, nicht aber mit +/- 10 g belasten, die die Struktur des Neulings abkann.

Ich bin sicher, jeder der fliegt, träumt davon, sich einmal auf dem Rücksitz einfädeln zu dürfen, um unter kundiger Anleitung zu erleben, in welcher Leichtigkeit sich mit diesem Flugzeug die Rotationszahl der Erde erhöhen lässt.

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Ende 2002 sollte die JAA-Zulassung vorliegen

Dominique Roland, Kunstflug-Ass und damaliger Chef von CAP Aviation, beim Debriefing mit Matthias Dolderer, dem Autor dieses Pilot Reports. Foto und Copyright: Frank Herzog

Uns war diese Gelegenheit vergönnt. Dominique Roland, Chef von CAP Aviation in Darois, lud uns ein, um den Newcomer am Break-Dance-Himmel, der Ende 2002 IAR-23-musterzertifiziert sein soll, in seinen angestammten Element zu erleben. Klar, dass man sich solch ein Angebot nicht entgehen lässt. Wie wird sich das 200 PS starke Kohlefaserflugzeug im Vergleich zur 300 PS starken Extra 300 -nach wie vor Maß der Dinge - fliegen? Wie in Bezug zur Pitts, die ich ebenfalls kenne?

Ausgangsmodell für die CAP 222 war die Giles G202, ein Aerobatik-Zweisitzer zum Selberbauen. Außer der äußeren Form ist im Rahmen der Tauglichmachung für eine reguläre FAR- beziehungsweise JAR-23-Zulassung kaum etwas übrig geblieben. Schaut man sich den Prototypen F-WWMZ, der für den aerokurier-Flug bereitsteht, genauer an, findet man viele deutsche Bauteile. Liese liefert den Auspuff, Schroth das Sechspunkt-Rückhaltesystem und von Mühlbauer stammt der Verstellprop mit 183 cm Durchmesser. Den Serienflugzeugen wird Becker das Primary Flight Display und den Transponder spendieren. Abrufbarkeit und Übermittlung der permanent erfassten Messparameter per Handy ist in Vorbereitung.

Die Sitze sind vom TÜV Köln auf ihre extrem hohe Crashtauglichkeit, +19/-26 g, geprüft worden, und Oregon Aero liefert den Schaumstoff, mit dem sie ausgekleidet sind. Unter Wärme passt sich die Polsterung millimetergenau der Körperform an.

Die CAP 222 darf wohl schon jetzt als das am gründlichsten geprüfte Kunstflugzeug der Welt bezeichnet werden. Getestet wurde sogar die Immunität gegenüber Blitzschlägen. Noch in diesem Jahr, so Dominique Roland, darf mit der Übergabe der FAA-Zulassung gerechnet werden. 25 Flugzeuge seien schon verkauft. Laut Planung sollen in einem Jahr zehn Maschinen fliegen.

Sehr gute Endurance für Ferry-Flüge

Kann auch geradeaus fliegen: Für Ferryflüge bietet die CAP 222 eine gute Reichweite. Foto und Copyright: Frank Herzog

Gebaut werden wird die CAP 222 von CAB in Darois. Die Composite-Bauteile stammen aus Oregon. CAB fertigt auch die neue CAP 10C. Der Side-by-Side-Zweisitzer, bis heute 300 mal vertreten, befand sich anderthalb Jahre lang nicht mehr in Produktion. Jetzt gibt es ihn wieder - mit geändertem, will heißen verstärktem Tragflügel. Dieser kann auch am Vorgängermodell, der CAP 1013, montiert werden. Gebaut werden bei CAB zudem alle Robin-Flugzeuge.

Zu den bisherigen CAP-222-Kunden zählen Ex-Luftwaffenpiloten, die beim privaten Fliegen militärjetähnliche Agilität suchen, Flugschulen, die Kunstflugkurse anbieten, die französische Luftwaffe und - ganz wichtig - wettbewerbsorientierte Aerobatikpiloten. Das hohe sichere Lastvielfache prädestiniert den leer 517 kg leichten Tandemflieger für jeden Einsatzzweck.

Top ist, dass die Maschine bei Bedarf im Einpilotenbetrieb eine exzellente Endurance bietet. Ein Beispiel: Beansprucht der Pilot für sich 80 kg, lassen sich bei einer Zuladung von 208 kg noch 128 kg oder 177 l Treibstoff an Bord nehmen. Wird der geplante Reiseflug mit 54 Prozent Power in 5500 ft absolviert, liegt der Stundenverbrauch des AEIO-360-A1E bei 33 l. Als VFR-Endurance ergeben sich dann stolze 4:52 h. Und dies bei 150 Knoten true. Strecken von mehr als 1300 km lassen sich so bewältigen. Wird mit 75 Prozent geflogen, stehen in gleicher Höhe 169 KTAS zur Verfügung. Der Fuel Flow dabei: 45 l/h. Die Triple Two lässt sich also problemlos zu Wetttbewerben überführen. Ist jemandem danach, kann er dieses Flugzeug auch als Reiseflieger der ganz speziellen Art einsetzen, ähnlichen jenen Extra-Flugzeugen, die in den USA auf Kundenwunsch hin IFR-equipped ausgeliefert wurden.

Im Test: ein seriennaher Prototyp

Bei der F-WWMZ handelt es sich uni einen seriennahen Prototyp. 100 Stunden hat er zum Zeitpunkt unseres Besuches bereits in der Luft zugebracht. Das Panel und die Sitze entsprechen noch nicht ganz der Serie. Installiert wird auch noch ein Überrollbügel zwischen Front- und Fondsitz.

Unserem Ausflug tut dies keinen Abbruch. Beim Einsteigen hilft einem zwar keine Trittstufe, der Tragflügel ist aber so tief platziert, dass man sich ohne große Mühe ins Cockpit zu schwingen vermag. Die Kohlefasersitze sind bequem, der feste Schaumstoff schmiegt sich der hinteren Körperkontur bestens an und sorgt so für guten Sitzkomfort und Sicherheit. Die Sitzposition ist annähernd liegend, die Seitenruderpedale befinden sich fast auf Kopfhöhe. Bei sehr hohen g-Kräften hat die Pumpleistung des Herzens weniger Höhe zu überwinden. Dies trägt dazu bei, dass Gehirn und Augen besser und länger mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden können.

Das Cockpit ist für Piloten bis 1,95 m konzipiert. Um die Schwerpunktlage für Aerobatikflüge zu optimieren, lassen sich über der Spornradbefestigung bis zu vier, je 2,5 kg schwere Bleiplatten montieren. Verstellen lassen sich nur die hinteren Seitenruderpedale. Das von der Firma Schroth eigens für die CAP 222 entwickelte Gurtsystem verbindet den Piloten wie angeschweißt mit dem Flugzeug. Bei ernstem Kunstflug ist dies erforderlich. Die Kabinenbelüftung ist, wie wir auf unseren Ausflügen sehen werden, sehr durchsatzstark. Im Notfall lässt sich die einteilige Cockpithaube von beiden Sitzen aus durch Ziehen eines roten Griffs abwerfen.

Im Gepäckfach hinter dem Fondsitz lassen sich auf „normalen" Flügen bis zu 12 kg deponieren. Das Fach ist nach Wegnahme eines Deckels zugänglich. Auffällig am robust angelegten Gashebel sind die beiden Befestigungsführungen. Die Motorbedienelemente wie Zündung. Mixer und Propellerverstellung sind so nahe beieinander platziert, dass sie sich bequem erreichen lassen.

Kunstflug nur mit leeren Flügeltanks

Geturnt wird mit leeren Flügeltanks. Eine Stunde Spaß kann man mit vollem Rumpftank haben. Foto und Copyright: Frank Herzog

Die Avionik ist auf' Funktionalität und einfache Wartbarkeit ausgelegt. Beispielsweise lässt sich die komplette Elektrik vom Brandschott bis zum Panel durch einen Hauptanschluss auswechseln. Die Anzeigen der installierten Funkgeräte sind sehr kompakt. Ihre Empfangsteile befinden sich unter dem Fondsitz. Dies vereinfacht Wartungsarbeiten und Reparaturen. Die Höhenrudertrimmung arbeitet elektrisch.

Der Tankwahlschalter mit den Positionen Left, Right, Main, Off kann vom hinteren Sitz aus bedient werden. Im Kunstflug müssen die Flügeltanks verständlicherweise leer sein. Jeder der Wing Tanks fasst 97 l. Ausfliegen lassen sich 89 I. Der Rumpftank nimmt 65 l auf. Ausfliegbar sind davon 63 I. Bei einem Stundenverbrauch im Kunstflug von runden 50 I bedeutet dies, dass man zirka eine Stunde am Himmel herumturnen kann.

An der rechten Bordwand des hinteren Cockpits befindet sich der Hebel zum Ver- und Entriegeln des Spornrades. Zum Rollen am Boden muss es entriegelt sein. Gesteuert wird im Wesentlichen mit den Bremsen. Die Sicht nach vorne ist - Spornradflugzeug-bedingt - relativ schlecht. Besonders Anfängern macht die eingeschränkte Sicht in Rollrichtung anfangs zu schaffen. Beim Parken muss daran gedacht werden, dass es keine Feststellbremse gibt.

Bei Start und Landung ist das Spornrad zu verriegeln. Nur so ist ausreichende Richtungsstabilität gegeben. Mit Querwindkomponenten bis 15 kts hat die CAP 222 keine Probleme. Wir haben inzwischen die Startbahn 20 in Darois erreicht. Bei getretener Bremse darf die Motordrehzahl 2000 Umdrehungen nicht überschreiten, sonst könnte sich die Maschine auf die Nase stellen. Nachdem die Pre-Takeoff-Checks erledigt sind, heißt es für uns „Ready and Go".

500 Grad Rollrate pro Sekunde

Da der Flügel null Grad Einstellwinkel hat, wird das Heck beim Start kaum angehoben. Die Startbeschleunigung verläuft bei einem Leistungsgewicht von 3,6 kg pro PS recht flott. Nach etwa 250 Meter Anlauf hebt die voll beladene Triple Two fast von alleine ab. Die Steigleistung von 184 PS, abgegeben bei 2500 U/min, befördert uns bei 92 KIAS (Vy) mit soliden 1500 ft/min in den Himmel. Anfangs ungewohnt sind die relativ hohen Ruderkräfte, die sich später jedoch als äußerst nützlich erweisen. Die CAP 222 liegt sehr ruhig in der Luft.

Die Ansprechbereitschaft der Ruder ist hervorragend. Ein Highlight dieses Sportflugzeuges ist die extrem hohe Rollrate. Per Stoppuhr lässt sie sich gar nicht erfassen. Erst Videoaufnahmen machten es möglich, sie annähernd exakt zu ermitteln. „Watch out for the roll rate" warnte man mich vor dem Flug. Zu Recht. Der rote Flitzer rotiert mit sage und schreibe 500 Grad pro Sekunde. Zum Vergleich: Der Extra 300 gelingt es „nur", sich einmal pro Sekunde um die Längsachse zu drehen. Eine derartige Lebendigkeit ist selbst für geübte Kunstflieger eine ganz neue Erfahrung. Man hat das Gefühl, in einer Waschmaschine - beim Schleudervorgang - zu sitzen.

Durch die hervorragend abgestimmten Ruder lässt sich jede Steuerbewegung exakt einleiten und auch wieder stoppen. So können Kunstflugmanöver in höchster Präzision geflogen werden. Die Ouerruderkräfte sind zu Beginn des Ausschlages ziemlich hoch. Zum Vollausschlag  hin werden sie geringer. Lässt man den Knüppel während einer Rolle einfach Ios, stoppt das Flugzeug nahezu sofort. An die anfangs recht hohen Ruderkräfte gewöhnt man sich schnell.

Die Flugleistungen im Kunstflug und im Reiseflug stehen der einer Extra 300 in nichts nach. Großes Plus der CAP ist ihr gezügelter Durst. Der Lycoming in Verbindung mit dem Mühlbauer-Composite-Holzprop machen den französischen Extremsportler wesentlich sparsamer als die Konkurrenz. Mit 50 l/h Verbrauch im Kunstflug lässt es sich gut leben.

Der grüne Bereich am Fahrtmesser erstreckt sich von 59 bis 181 KIAS. Gelb reicht bis 209 KIAS. Der rote Strich der VNE ist bei 210 KIAS gezogen. Und wo liegt der weiße Bereich? Ihn gibt es nicht, da die Maschine auf Flaps verzichtet. Wichtig ist noch die VAD, die maximale Speed für dynamische Flugmanöver. Sie liegt bei 130 KIAS.

Für die Landung braucht es Feingefühl

Im gesamten Fahrtbereich ist die CAP 222 einfach und angenehm zu handhaben. Die sehr fein ansprechende und wenig Kraft erfordernde Höhensteuerung bringt einen blitzschnell in vertikale Flugpositionen. Gerissene und gestoßene Figuren lassen sich problemlos ein- und ausleiten. Im Stall, bei unter 60 Knoten, verhält sich die Maschine lammfromm. Um ins Trudeln zu kommen, muss mit dem Seitenruder deutlich nachgeholfen werden. Das Autorotieren, gleichgültig ob steil oder flach, lässt sich mit üblichen Methoden einfach und schnell beenden.

Die anfängliche Landegeschwindigkeit beträgt 80 Knoten. Im kurzen Endteil muss auf 75 KIAS verlangsamt werden. Der Anflug an sich ähnelt einer Flugzeugträgerlandung. Angeflogen wird mit Schleppgas. Der Bug ist dabei leicht über dem Horizont zu halten. Wenn nicht, stellt sich schnell hohes Sinken ein. Die Kunst einer guten Landung liegt im Flare. Dieser fällt nicht ganz leicht, weil die Sicht nach vorne eingeschränkt ist. Man hat sich mit Informationen, die einem die links und rechts vorbeizischende Landschaft bereithält, zu begnügen. Optimal aufgesetzt wird in Dreipunktlage mit 57 KIAS. Piloten mit Spornraderfahrung sollte das Landen keine größeren Probleme bereiten. Wenn doch, hilft das extrem robuste, nicht zum Springen neigende Fahrwerk mit, Schlimmeres zu verhindern.

Nicht nur die Flugleistungen lassen die CAP 222 blendend aussehen, sondern auch ihr Preis. Den vollwertigen Kunstflieger aus Burgund gibt es für attraktive 320.000 Mark.

aerokurier Ausgabe 10/2001

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