Auf Internetseiten wie Wingly.io, flyt.club, mitflugzentrale.de und mitfliegen.eu finden Privatpiloten und Mitflieger ganz unbürokratisch zusammen. Der Pilot muss nur seinen Flug in die Datenbank eingeben und potenzielle Mitflieger so über Abflugort und Ziel, Flugzeit und Flugzeugtyp informieren. Interessenten können sich durch die Angebote klicken und einfach via privater Nachricht Kontakt mit dem Piloten aufnehmen. Von Hannover nach Bremerhaven für 60 Euro, von Friedrichshafen nach Stuttgart für 55 Euro oder zum einstündigen Rundflug über den Dächern Berlins für 100 Euro – all das ist für Nichtflieger nun nur noch ein paar Klicks entfern.
„Mitflüge in der Allgemeinen Luftfahrt zu bekommen, das war für Nicht-Piloten bisher recht schwierig“, sagt Peter Nürnberger, Mitbegründer des Portals flyt.club. „Meist findet das nur innerhalb von Vereinen oder Pilotenportalen statt.“ Diese Erfahrung musste auch sein Geschäftspartner Kim-Julian Becker machen, der während des Studiums auf der Suche nach einem Flug in einer Einmot war. „Wir wollen die Faszination des individuellen Fliegens einem breiteren Publikum zugänglich machen – und den Privatpiloten die Chance geben, über die Kostenbeteiligung Geld zu sparen.“
Cessna als echte Alternative zum Auto?

So begannen die beiden Intermedia-Design-Studenten nach ihrer Bachelorarbeit mit der Umsetzung des Projekts Mitflugbörse. Am 1. Juli 2015 ging die Homepage des Leipziger Start-Up-Unternehmens ins Rennen. Mittlerweile ist die Community der Piloten und Nicht-Flieger auf je etwa 400 gewachsen. Etwa zur selben Zeit ging auch das Portal Wingly.io eines Gründerteams um Lars Klein in Frankreich online. „Wir haben uns bewusst für Frankreich als erstes Land entschieden, da hier die Infrastruktur für Fernreisen nicht so gut ist wie in Deutschland“, sagt Klein. „Damit konnten wir zunächst mehr Menschen erreichen.“ Hierzulande wurde die Seite Anfang Februar ins Netz gebracht.
Auf der Homepage von Wingly ist dann auch klar die Ausrichtung zu erkennen – das Privatflugzeug wird als alternatives und schnelles Verkehrsmittel beworben. „Haben Sie jemals einen Stau am Himmel gesehen?“ fragt etwa der Imagefilm, in dem ein Paar einen Wochenendausflug „mit eigenem Piloten“ zur Atlantikinsel Mont Saint-Michel gebucht haben. So sind auch unter den deutschen Angeboten viele Streckenflüge zu finden. „Wir wollen die Mitfahrgelegenheit in der Luft werden“, kündigt Klein an. Das Potenzial bei 300.000 aktiven Privatpiloten in Europa sei enorm. In Frankreich konnte Wingly in den ersten beiden Monaten nach eigenen Angaben bereits 600 vermittelte Mitfluggelegenheiten verbuchen.

Bei flyt.club sieht man die Chance, Mitfluggelegenheiten als echte Alternative zu Auto, Bus oder Bahn zu etablieren, etwas kritischer. Zu wetterabhängig seien die meist nach VFR durchgeführten Flüge, um eine termingerechte Beförderung garantieren zu können. „Als Transportmittel ist die Cessna nur bedingt tauglich“, stellt Peter Nürnberger klar. „Wer schnell und pünktlich zu einem Termin muss, der nimmt lieber die Bahn.“ Auf der flyt.club-Seite sind dementsprechend auch mehr Rundflüge und Wochenendausflüge zu finden – eben jene Faszination des Privatfliegens, die die Gründer seinerzeit zur Entwicklung der Seite getrieben hat. „Es darf auch kein Druck auf den Piloten entstehen. Hält er den Flug für aus welchem Grund auch immer für nicht durchführbar, soll er ihn ohne Konsequenzen absagen können“, bekräftigt Nürnberger. Auf die besonderen Gegebenheiten in der Privatfliegerei würden die potenziellen Passagiere während des Buchungsprozesses auch hingewiesen.
Fördergelder oder Vermittlungsprovisionen

Für Piloten mit kommerziellen Interessen sind die Plattformen nicht geeignet: „Das findet im rechtlichen Rahmen der Selbstkostenflüge statt“, sagt Wingly-Geründer Klein. Soll bedeuten: Wie bei allen Flügen mit der Privatpilotenlizenz darf der Pilot lediglich die Unkosten auf seine Fluggäste umlegen – Sprich Charter- , Treibstoff- und Landegebühren. Bei Wingly gibt der Pilot seine erwarteten Kosten ein. Der Preis pro Passagier errechnet sich dann aus der Zahl der angebotenen Plätze plus eins, so dass dem Anbieter in der Theorie dieselben Kosten entstehen und es sich zweifelsfrei um eine Kostenaufteilung handelt. „Das haben wir auch anwaltlich und vom Luftfahrt-Bundesamt prüfen lassen“, sagt Klein. „Von behördlicher Seite gab es keinerlei Bedenken. Wir treten nur als Vermittler von privaten Flügen auf.“ Einen Sturm des transportierenden Gewerbes wie kurz nach dem Start des Portals in Frankreich erwartet Klein daher nicht.
Flyt.club geht bezüglich der Kostenteilung sogar noch einen Schritt weiter, hier gibt der Pilot gibt nach dem Flug seine tatsächlichen Kosten ein. Liegen diese unter den vorher angegebenen, erhalten seine Mitflieger die Differenz zurück. Denn sowohl bei Wingly als auch bei flyt.club wird der Betrag mit der Buchung fällig, verbleibt aber bis zur Durchführung des Fluges beim jeweiligen Portal und wird erst danach ausbezahlt.
Wingly verlangt derzeit noch keine Gebühren für seine Vermittlungsdienste, diese stehen aber zur Diskussion. Momentan wird das Portal durch Fördergelder finanziert. Bei flyt.club werden zehn Prozent des Preises als Provision fällig, diese trägt jedoch der Fluggast.

Und was muss der Pilot für das Vertrauen potentieller Fluggäste tun? Er legt sich ein Profil mit Bild und seiner Beschreibung an. Der Upload von Lizenz und Medical ist selbsterklärend. Des Weiteren ist der Pilot natürlich zur Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, beispielsweise der 90-Tage-Regel. Wingly verlangt den Anbietern von Überlandflügen überdies noch 100 Stunden Flugerfahrung ab. Mit inserierten Rundflügen sind diese aber recht günstig zu erreichen – und der Flug zum Wochenend-Café macht mit neuen Mitfliegern womöglich noch mehr Spaß. Im Anschluss haben Pilot und Mitflieger die Möglichkeit, sich gegenseitig zu bewerten und so anderen Nutzern des Portals ein weiteres Plus an Vertrauen und Sicherheit ermöglichen. Auch das ist bei den Plattformen für Mitfahrgelegenheiten längst etabliert.

Der Gedanke, nicht allein fliegen zu müssen, war für Georg Kraus der Grund, sich bei Wingly anzumelden. „Ich habe einfach gerne Gesellschaft beim Fliegen“, sagt er im Gespräch mit dem aerokurier. Aktuell hat er einen Flug von Paderborn nach Bielefeld mit einer Diamond DA 42 eingestellt. „Ich habe noch keine Ahnung, was für Leute sich auf die Anzeige hin melden werden, aber ich bin gespannt, was die Zukunft bei Wingly so für Mitflieger in mein Flugzeug bringt.“
Haben sie bereits Mitflugportale genutzt? Wir freuen uns auf eine Mail mit Ihren Erfahrungen an redaktion@aerokurier.de!
aerokurier Ausgabe 04/2016