Jodel Holzflugzeuge
Die schmalen Chromstreifen, die den dunkelgrünen Dekorstreifen von den andersfarbigen Bereichen absetzen, sind das berühmte i-Tüpfelchen auf einem bis ins Detail durchdachten und perfekt ausgeführten Werk. Wäre da nicht das markante 1950er-Jahre-Design, so würde jeder unvoreingenommene Betrachter Horst Bless´ Fleißarbeit in die Kategorie „Junges Gebrauchtflugzeug mit kaum Stunden“ einordnen – mindestens. Auch die Charakterisierung als „besser als neu“ ist im Fall dieser Jodel D120 definitiv keine Übertreibung.
Schon alleine diese makellose Oberfläche mit den drei fein auf einander abgestimmten Farben: Jaguar Racing Green betont den Bug, Mintgreen ziert die Flanken und Snowden-White bedeckt den Rücken und die Flächen.
Aber es ist nicht nur die glänzende Oberfläche, die den kleinen Zweisitzer zu einem unverwechselbaren Schmuckstück macht. Zahlreich sind die Details, die verraten, dass sein Besitzer unendlich viel Zeit und Sachverstand für die Verfeinerung der Technik aufgewandt haben muss.
Da ist zum Beispiel die aerodynamische Verkleidung des Pitotrohrs, die es in keinem Ersatzteillager gibt. Oder der blitzblanke Conti-Motor, der wie eben erst ausgepackt wirkt. Oder die hydraulische Scheibenbremsanlage, die an die Stelle der antiken Mechanik getreten ist. Oder der schöne Merville-Holzpropeller mit Messingbeschlägen, von Horst Bless eigenhändig restauriert und, wie könnte es anders sein, mit einem genau überlegten Farbschema dekoriert.
Jodel-Familie

Jodel-Flugzeuge sind hierzulande eine eher seltene Erscheinung. Kenner schätzen die solide Holzbauweise, die ausgewogenen Flugeigenschaften und die bescheidenen Betriebskosten. Von dem guten Ruf, den sich die französischen Einfachflugzeuge in der Nachkriegszeit erworben haben, profitieren heute noch immer ihre Nachfahren, die Robin-Reiseviersitzer der DR-Reihe.
Die Jodel-Familie ist wegen der Vielzahl der Produktionsstätten und Varianten etwas unübersichtlich. Die Zweisitzer stammen von der D11 ab, die 1950 zum ersten Mal geflogen ist. Die beiden Franzosen Édouard Joly und sein Schwiegersohn Jean Délémontez (daher der Firmenname: Jo-Del) haben die D11 aus ihrem zu jener Zeit populären Einsitzer D9 entwickelt. Die Idee der beiden war es nicht, eigenhändig in großer Zahl Flugzeuge zu bauen. Stattdessen vergaben sie Lizenzen an Kleinbetriebe und an Selbstbauer. Zahllose flugbegeisterte Menschen nicht nur in Frankreich bahnten sich auf diese Weise mit ihrer eigenen Hände Arbeit den Weg in die Luft. Der einfache Aufbau der Jodel-Konstruktionen, gepaart mit erstaunlich guten Flugeigenschaften, machte es möglich.
Zum Teil wurden Jodel-Flugzeuge auch von Firmen wie Aero-Jodel in München oder Wassmer in Frankreich in kleinen Serien gebaut. Wassmer baute ab 1951 die D112 mit 65-PS-Conti-Motor und später außerdem, als deren Luxusvariante, die D120 mit 95 PS. „Luxus“, das bedeutete in den 1950er Jahren ein elektrisches System, ein wirksamerer Schalldämpfer, ein 120-Liter-Tank, eine bessere Kabinenbelüftung einschließlich Heizung und serienmäßig ein Acht-Kanal-Funkgerät.
Das Wassmer-Modell gab es wiederum in mehreren Varianten, als „Remorqueur“ für den F-Schlepp, als Remorqueur mit Luftbremse oder als D120A mit Luftbremse (Französisch: Áerofrein), aber ohne Remorqueur-Fähigkeit. Wassmer gab den etwa 337 gebauten D120 den Beinamen „Paris-Nice“ als dezenten Hinweis mit, dass das Flugzeug diese Strecke mit einer Tankfüllung bewältigen könne.
Jodel D120A

Den hübschen, wie mit dem Pinsel gemalten „Paris-Nice“-Schriftzug hat Horst Bless an seiner D120A nach der Restaurierung selbstverständlich wieder angebracht, mittlerweile allerdings als lasergeschnittene Folie. Sein Flugzeug hat er, seit er es 1995 in Besitz genommen hat, mehrfach überholt, zunächst den Motor („Da ist sehr viel Geld hineingeflossen.“), dann den Rumpf und zuletzt die Flächen. Restauration versteht Horst Bless, jedenfalls im Fall der Jodel, als „Prozess“. Und im Verlauf dieses Prozesses bekam der Tiefdecker diese vielen Verbesserungen auf den hölzernen Leib maßgeschneidert, die zumeist erst auf den zweiten Blick zu erkennen sind.
Wichtig war es ihm, dass das Flugzeug dabei seinen Charakter als Oldtimer behält. Darum zum Beispiel ist die Lackierung an alten Vorbildern orientiert und das Instrumentenbrett, wie es der Entstehungszeit entspricht, übersichtlich mit Anzeigen bestückt. Der zentral positionierte Fahrtmesser französischer Bauart ist sogar eine echte Antiquität.
Horst Bless hat diverse Holzflugzeuge überholt, darunter auch immer wieder Nachfahren der Ur-Jodel. „Ich habe dabei erkannt“, sagt er, „was für eine Genialität in diesen Flugzeugen steckt.“ Insbesondere der Knickflügel hat es ihm angetan: „Es ist vom Aufbau und von der Aerodynamik her der optimale Flügel.“
Das Handling seiner zierlichen D120A beschreibt er als sehr direkt und feinfühlig. Bedingt durch die geringe Flächenbelastung sei sie in der Luft andererseits eher instabil: „Freihändig zu fliegen geht nur bei absolut ruhigem Wetter, ansonsten muss man ständig knüppeln.“ Kniffelig kann es auch bei aufgeweichtem Boden werden, denn die Jodels neigen zu Kopfstand.
Im Steigflug zeigt sich das 95-PS-Flugzeug mit dem Reisepropeller nicht besonders durchzugsstark und müht sich meist mit etwa 2,5 Meter/Sekunde hinauf. Im ökonomischen Reiseflug, das bedeutet eine Geschwindigkeit unter 90 Knoten, verlangt der Zweisitzer 22 bis 23 Liter.
Die Mitnahme von Gepäck ist ein spezielles Thema, denn man kann mehr laden, als der Platz hergibt. Horst Bless´ Devise lautet daher: „So viel wie möglich am Körper tragen.“ Um hier Abhilfe zu schaffen, will sich der beharrliche Tüftler demnächst eine Gepäckbombe bauen.
Die Jodel und er, sagt Horst Bless gerne, seien mittlerweile zusammengewachsen, und er glaubt, dass er das Fliegen heute noch mehr geniessen könne als früher. „Im langsamen Tiefflug durch den dunklen Pfälzerwald und das Rheingold im Headset, das ist nicht zu überbieten!“
aerokurier Ausgabe 12/2011




