Piper PA-25 Pawnee
Die PA-28 kennt jeder, der öfters auf dem Flugplatz ist. Und die Piper Cub ist in Sachen Popularität ohnehin unschlagbar. Aber die Pawnee? Wenn dieser Name fällt, dürfte bei den wenigsten Propellerpiloten ein Bild vor dem geistigen Auge entstehen. Dabei gehört die PA-25 zu den Piper-Modellen, die in durchaus ansehnlicher Stückzahl über einen längeren Zeitraum gebaut worden sind. Zwischen 1959 und 1981 sind immerhin fast 5200 Exemplare entstanden. Schwerer ins Gewicht fällt der Umstand, dass die Pawnee bei ihrem Erscheinen aufgrund ihrer ungewöhnlichen Konstruktion für Aufsehen gesorgt hat und in mancherlei Hinsicht wegweisend war. Warum also kann kaum jemand etwas mit ihrem Namen anfangen? Vielleicht deswegen, weil die kantige Einmot den größten Teil ihres Lebens mit unglamouröser Handarbeit unter praller Sonne im Staub der riesigen Felder in den USA verbracht hat. Denn geschaffen wurde die Pawnee für Sprüheinsätze in der Landwirtschaft. Und Piper gab der PA-25, diesen harten und gefährlichen Arbeitsalltag vor Augen, einige neuartige konstruktive Merkmale mit.
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren ehemalige Militärflugzeuge das übliche Arbeitsgerät in der Landwirtschaft der USA. Die Boeing Stearman etwa erlebte hier eine zweite Karriere. Auch die Piper PA-18 musste sich mit dieser Rolle anfreunden. Bald aber kam der Wunsch nach leistungsstärkeren Flugzeugen auf, und Piper nahm eine Neukonstruktion in Angriff. Pragmatisch, wie man zu jener Zeit war, übernahm man viele bewährte Komponenten aus den bekannten Piper-Flugzeugen. Die Flächen, Klappen und Querruder zum Beispiel liehen sich die Piper-Leute von der Super Cub und verstärkten sie für die Pawnee. Das Fahrwerk bauten sie aus Teilen der Tri-Pacer und anderer Modelle zusammen. Auch der anfangs eingebaute Motor war ein alter Bekannter: der 150 PS starke Lycoming O-320.
Ein wichtiges Anliegen war es den Konstrukteuren, den Piloten bestmöglich vor den Folgen eines Unfalls zu schützen. Denn bei dieser Art der Tieffliegerei war das Risiko für einen Zusammenstoß mit nachfolgendem Überschlag naturgemäß nicht klein. Und so setzten die Piper-Konstrukteure das Cockpit wegen der guten Sicht ungewöhnlich hoch an. Zugleich verlegten sie es weit nach hinten, um so viel energieverzehrendes Metall wie möglich vor dem Piloten zu haben. Den Fahrwerksbeinen verpassten sie scharfe Vorderkanten, um gegen Oberleitungen gewappnet zu sein. Dem gleichen Zweck diente ein starkes Kabel zwischen Cockpitdach und Leitwerksspitze.
In den Folgejahren gab es stärkere Motoren





Sehr wichtig waren auch hervorragende Langsamflugeigenschaften. Der Prototyp flog 1957, die Serienproduktion lief im Mai 1959 in Lock Haven an. In den Folgejahren brachte Piper einige Varianten heraus. Der O-320 musste dem O-540-Sechszylinder mit 235 PS weichen. Später gab es auch eine 260-PS-Variante mit dem O-540 E. Im Laufe der Jahre erlebte auch die Zelle einige Veränderungen. So erhielt die „B“ einen größeren Chemikalienbehälter, die „C“ ein Fahrwerk mit Öldruckstoßdämpfern und die 1974 eingeführte „D“ bekam zwei Flächentanks anstelle des Rumpftanks und Klappen aus Metall. Die fabelhaft zu fliegende und günstig zu betreibende Pawnee machte lange Jahre ihre Sache gut. Sie kann sich rühmen, die mächtige Boeing Stearman aus der Rolle des Sprühflugzeugs verdrängt zu haben. Aber schließlich wurde auch sie unwirtschaftlich, Piper stellte im März 1981 die Produktion ein und verkaufte einige Jahre später die Rechte nach Argentinien. Ein Verwandter der Pawnee ist die GA-200, die zu Beginn der 1990er Jahre von der australischen Firma Gippsland auf den Markt gebracht wurde.
Das Ende der Fertigung bei Piper bedeutete nicht das Aus für die brave Pawnee, denn Segelflugvereine auf der ganzen Welt entdeckten das herausragende Talent des kantigen Tiefdeckers für den F-Schlepp.
Diese Begabung machte die Pawnee interessant für die Fliegergruppe Grabenstetten. Zumindest aus Sicht von Hansjörg Streifeneder, ortsansässiger Glasflügel-Musterbetreuer und Piloten-Urgestein, der mit ebenjenem Typ in den USA geschleppt hatte. Sein Verein suchte zu jener Zeit, im Herbst 2004, einen Ersatz für die Robin DR400RP mit Porsche-Motor.
Aus Schweden auf die Schwäbische Alb





Die Anforderungen an das zu findende neue Schleppflugzeug waren nicht ohne, schließlich sollte es mit den schweren Doppelsitzern und der Platzhöhe von 700 Metern über dem Meeresspiegel zurechtkommen. Husky, Maule, DR400-180 oder andere bekannte Schleppflugzeuge wurden verworfen, die Pawnee in der 235-PS-Ausführung dagegen erschien ideal. Ein augenscheinlich schönes Exemplar wurde in Schweden ausfindig gemacht und schließlich auf die Schwäbische Alb geholt.
Die Piper ist 1963 gebaut worden und hat die ersten drei Jahrzehnte ihres Lebens als Sprühflugzeug in den USA verbracht. Die Schweden hatten sie dann nur noch zum Schleppen verwendet. Das Wunschflugzeug der Grabenstettener Fliegerkameraden zeigte sich in einem guten Zustand, allerdings waren einige Umbauten erforderlich, um der radaufreudigen Piper Rücksichtnahme auf deutsche Lärmvorschriften beizubringen. So bekam sie einen Vierblattpropeller und einen Gomolzig-Auspuff verpasst.
Im Grabenstettener Verein fliegt die Pawnee im Schleppbetrieb richtig viel. 70 bis 90 Stunden kommen im Jahr locker zusammen. Hansjörg „Hanko“ Streifeneder, in der Szene auch bekannt als Pilot der „Bravo-Lima“-Piperstaffel, ist jedenfalls noch immer bestens zufrieden mit der Entscheidung von damals. Ihm leuchtet das Konzept der Piper mit ihrer sicherheitsbewussten Bauweise, gepaart mit Leistungsreserven und Wirtschaftlichkeit, noch immer ein. „Man muss“, sagt er, „die Philosophie der Pawnee verstanden haben.“ Im täglichen Schleppbetrieb spielt sie ihren Leistungsüberschuss aus, indem sie kurze Schleppzeiten und damit schnelle Umläufe ermöglicht. Derzeit wird die Grabenstettener Pawnee wegen eines Hagelschadens im Sommer 2013 komplett neu aufgebaut. Dies findet in Zusammenarbeit mit einigen Vereinsmitgliedern in den Räumlichkeiten der Firma Glasfaser-Flugzeug-Service statt.
aerokurier Ausgabe 06/2015