Künstliche Intelligenz in der Luftfahrt: Anwendungen und Potenziale erklärt

KI in der Luftfahrt
Booster für Effizienz und Sicherheit

ArtikeldatumVeröffentlicht am 17.10.2025
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Booster für Effizienz und Sicherheit
Foto: AdobeFirefly/Harald Hornig

Künstliche Intelligenz (KI) beeinflusst längst alle Bereiche der Luftfahrt – vom Flugzeugdesign über den Flugbetrieb bis hin zur Instandhaltung und sogar zum Luftkampf. Die europäische Luftfahrtbehörde EASA veröffentlichte bereits 2020 eine Roadmap für KI-Anwendungen, die 2023 aktualisiert wurde. Die US-Behörde FAA zog 2024 nach. Beide Dokumente beleuchten Vorteile, Herausforderungen und vor allem die hohen Sicherheitsanforderungen, die beim Einsatz von KI in der Luftfahrt gelten.

KI ist in der Luftfahrt längst etabliert

KI ist in der Branche keineswegs neu. "Sie wird bereits seit 20 Jahren genutzt", sagt David Ziegler, Vice President Aerospace & Defense Industry bei Dassault Systèmes. Besonders in der Entwicklung von Fluggeräten kommen Technologien wie generatives Design und neuronale Netze zum Einsatz. Generatives Design nutzt KI, um verschiedene Gestaltungslösungen zu erarbeiten, die vorgegebene Anforderungen erfüllen. Ziegler beschreibt, wie in der Konstruktion mechanischer Bauteile zunächst Raum, Aufhängungspunkte, Lasten und Fertigungsprozess festgelegt werden. In der Produktion, etwa bei der Endmontagelinie des CFM56-Triebwerks in Villaroche, vergleicht ein Roboter das fertige Triebwerk mit seinem virtuellen Zwilling – ein Prozess, der menschliche Sichtprüfungen ersetzt. Dennoch bleibt der Mensch zentral: "KI wird kein Zauberstab sein, dem man sagt: ‚Entwirf mir bitte ein Flugzeug!‘ und dann erscheint ein Flugzeug", betont Ziegler. Es braucht eine menschenzentrierte KI und kollaborative Workflows.

Autonomes Fliegen und smarte Abläufe am Boden

Flugzeughersteller wie Airbus setzen KI auch für Automatisierung und autonomes Fliegen ein. Im ATTOL-Projekt (Autonomous Taxi, Take-Off and Landing) testete Airbus zwischen 2018 und 2020 mit einer A350 vollautomatische Bilderkennung und maschinelles Lernen für autonomes Rollen, Starten und Landen. Im Projekt DragonFly wurde 2022/2023 eine A350 mit Kameras und KI für automatisierte Notfallumleitungen ausgestattet. Ob und wann solche Systeme in den Linienbetrieb übergehen, ist noch offen.

Nahaufnahme der Cockpit-Front eines Flugzeugs mit verschiedenen Sensoren und Antennen.
Airbus

Im Flugbetrieb und bei der Bodenabfertigung sorgt KI schon heute für mehr Effizienz. Die Lufthansa-Gruppe entwickelte mit Google Cloud die Operations Decision Support Suite (OPSD), die Flugdaten wie Crew-Verfügbarkeit, Passagiernachfrage, Wartungsstatus und Wetter analysiert und Flugdienstberatern Entscheidungsvorschläge macht. In neun von zehn Fällen werden diese Vorschläge angenommen. Für die Abfertigung nutzen Lufthansa und Fraport die KI-basierte Kameralösung "seer": Jeder Schritt vom Andocken der Brücke bis zur Betankung wird erfasst und mit Zeitstempeln versehen. Das sorgt für Transparenz, bessere Steuerung und mehr Pünktlichkeit. "Flugzeuge verdienen am Boden kein Geld – gleichzeitig finden hier die komplexesten Prozesse unter hohem Zeitdruck statt. Genau hier setzt unsere Lösung an", erklärt Manuel van Esch, Geschäftsführer der Lufthansa-Systems-Tochter zeroG.

Ein Flugzeug steht auf dem Rollfeld eines Flughafens und wird von verschiedenen Bodenfahrzeugen und Personal umgeben. Die Objekte sind mit farbigen Rechtecken und Beschriftungen markiert, vermutlich für eine automatische Objekterkennung.
Fraport AG

KI im Flugverkehrsmanagement und in der Instandhaltung

Auch das Flugverkehrsmanagement profitiert: Eurocontrol listet 27 KI-Anwendungen, darunter das Early Diversion Detection System (EDDY), das mit maschinellem Lernen die Wahrscheinlichkeit wetterbedingter Umleitungen berechnet. So können Flughäfen und Airlines besser planen. Die EASA unterscheidet dabei drei KI-Levels: Level 1 unterstützt Menschen, Level 2 steht für Zusammenarbeit, Level 3 für fortgeschrittene Automatisierung.

In der Instandhaltung setzt Lufthansa Technik auf KI-gestützte Analyse von Logbuch-Einträgen. Die Plattform AVIATAR erkennt nach Training durch Ingenieure, um welche Komponente es sich handelt, und ordnet die Einträge korrekt zu. So werden Fehler lückenlos erfasst, flottenübergreifende Probleme früh erkannt und die Zuverlässigkeit erhöht. "Die positive Resonanz unserer Kunden und Entwicklungspartner bestätigt uns in der Annahme, dass wir hier eine KI-gestützte Lösung geschaffen haben, welche die Maintenance Control Center und das Engineering der Airlines spürbar von sehr zeitaufwendiger Arbeit entlastet", sagt Dr. Jan Philipp Graesch, Product Lead der AVIATAR‘s Reliability Suite.

Big Data Analytics hilft zudem, die vorausschauende Wartung ("predictive maintenance") zu verbessern. Bildverarbeitung kann künftig automatisierte Befundungen ermöglichen, etwa bei Triebwerksteilen, um Beschichtungsabplatzungen oder Risslängen zu erfassen und Schadenswahrscheinlichkeiten abzuleiten.

KI im Luftkampf und die Rolle des Menschen

Auch in der Militärluftfahrt ist KI angekommen: Computer werten Radarsignaturen und Bilder für die Freund-Feind-Erkennung aus. 2023 steuerte in den USA eine KI an Bord einer modifizierten F-16 eigenständig einen Luftkampf gegen menschliche Gegner. Saab testete eine Gripen E mit dem KI-Agenten Centaur von Helsing. In beiden Fällen waren Sicherheitspiloten an Bord, das (simulierte) Abfeuern der Waffen übernahm der Mensch.

Saab Gripen E beim Start
Saab

KI kann die Automatisierung beschleunigen, die Lebenszyklusentwicklung verkürzen und den Treibstoffverbrauch senken. Doch Ziegler betont: "Mit Blick auf die Zulassung müssen wir aber sicherstellen, dass wir in Richtung einer transparenten KI arbeiten." Entscheidend bleibt, wie KI die strengen Sicherheitsanforderungen der Luftfahrt erfüllt – und welche Rolle der Mensch dabei spielt.