Flugplatz Schönhagen: Wirtschaftsmotor im Berliner Süden

Flugplatz Schönhagen
Wirtschaftsmotor im Berliner Süden

Veröffentlicht am 04.07.2025

Manche Namen sind untrennbar mit der Allgemeinen Luftfahrt verbunden. Dr.-Ing. Klaus-Jürgen Schwahn ist einer davon. Piloten kennen den 68-Jährigen als Experten fürs Fliegen in den USA und seit 2002 als Geschäftsführer des Verkehrslandeplatzes Schönhagen, der sich als Vorsitzender der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze (IDRF) nebenbei auch für die ganze Branche starkmacht. Unter seiner Regie hat sich der einstige DDR-Flugplatz vor den Toren Berlins als eine der Top-Luftfahrtadressen in Deutschland etabliert.

IDRF-Mitgliedertagung, 14.05.19
IDRF

Klaus-Jürgen Schwahn ist es auch, der mich heute am Bahnhof Trebbin abholt: Rund 30 Minuten sind es von dort zum Berliner Hauptbahnhof mit dem Regionalexpress, dann folgen noch zehn Minuten mit dem Auto zum Flugplatz. Wer nicht das Privileg hat, vom Chef persönlich eingesammelt zu werden, kann für 15 Euro den Shuttle nutzen – die Bahnfahrt findet dann ihre Fortsetzung im elektrisch angetriebenen Kleinbus. Das funktioniert umgekehrt auch für Piloten, die ins Zentrum der Hauptstadt möchten.

Ein paar Eckdaten vorab: Etliche Flugschulen und Vereine haben in Schönhagen ebenso ihre Heimat gefunden wie 45 Firmen. 2002 waren dort 33 Flugzeuge stationiert, heute sind es etwa 200. Rund 47 000 Flugbewegungen werden jedes Jahr in EDAZ abgewickelt, zwei Drittel davon sind gewerblicher Natur. "Rund zehn Prozent entfallen auf den IFR-Verkehr", erklärt Schwahn, angekommen in seinem Büro – womit wir auch schon im Thema sind. Es geht in unserem Gespräch um den Flugplatz, um die lokale Wirtschaft und am Rande um Forschungsprojekte, Gastronomie sowie Dreharbeiten.

Über den Bundeskanzler herrscht Stillschweigen

Nur ein Punkt ist tabu: "Bevor Sie mich danach fragen: Zu Friedrich Merz werde ich mich nicht äußern." Es ist kein Geheimnis, dass Merz mit seiner zweimotorigen DA62 regelmäßig in Schönhagen landet oder zumindest vor Beginn seiner Kanzlerschaft gelandet ist. Wer hofft, zwischen Tower und Hangars den neuesten Tratsch über den fliegenden Kanzler aufzuschnappen, beißt zumindest bei den offiziellen Stellen auf Granit. An einem Platz, der sich als Anlaufstelle für die Business Aviation anbietet, ist Diskretion selbstverständlich.

Flugplatzgesellschaft Schönhagen

Gesprächiger wird Schwahn bei seinem Steckenpferd, dem Instrumentenanflugverfahren – der Verkehrslandeplatz in Brandenburg gilt in Deutschland als IFR-Pionier. Bereits 2007 haben Schwahn und sein Team einen bürokratischen Hürdenlauf begonnen, um den Platz nach US-amerikanischem Vorbild durch einen GPS-basierten Instrumentenanflug für den gewerblichen Verkehr besser nutzbar zu machen, schließlich waren solche Verfahren auf der anderen Seite des Atlantiks schon damals selbstverständlich. Kaum jemand weiß das besser als Klaus-Jürgen Schwahn, der bis zum vergangenen Jahr noch als Partner an einer Flugschule in Florida beteiligt war und mit seinem Buch "Fliegen in den USA" seit 37 Jahren und in der elften Auflage europäischen Piloten und Flugschülern die Besonderheiten des FAA-Universums erklärt. Zwölf lange Jahre hat das Verfahren gedauert, das 2018 mit der Inbetriebnahme des GPS-basierten RNP-Approachs gekrönt wurde. Bis Februar 2025 sollte es noch dauern, um eine ungeliebte PPR-Regelung vollständig aufzuheben. "Flow Management Position" lautet das Stichwort, das Piloten dazu zwang, ihre Vorhaben vorab anzumelden, um Konflikte mit dem Verkehr am Flughafen BER zu vermeiden. Da die Genehmigung oft erst drei Stunden vor Abflug erteilt wurde, waren viele Vorhaben kaum planbar.

IFR-Trainingsanflüge noch nicht möglich

Eine Einschränkung gibt es noch: "IFR-Trainingsanflüge sind nicht zulässig", sagt Schwahn. Heute stellen sich immer mehr kleinere Plätze auf IFR-Verkehr ein, in der Nachbarschaft folgte Strausberg dem Beispiel von Schönhagen. Dass es in der IFR-Anfangszeit zu einem Streik der AFISOs, also speziell ausgebildeter Flugleiter, für mehr Lohn kam, ist eine eigene Geschichte, über die Klaus-Jürgen Schwahn ausführlich berichtet, die aber den Umfang des Berichts sprengen würde. Ebenso ins Detail geht er, wenn es um Flugsicherungsgebühren und Gebührenkreise geht. Heute ist Schönhagen nach Anmeldung 24/7 anfliegbar, was beispielsweise Fußballmannschaften nutzen, deren Maschinen in BER nachts nicht landen dürfen.

Flugplatzgesellschaft Schönhagen

Wirtschaftlich sieht sich der Verkehrslandeplatz solide aufgestellt, mögliche Defizite seien allenfalls eine Frage der betriebswirtschaftlichen Betrachtung, versichert der Chef. Seit 1993 ist die Betreibergesellschaft zu 99,5 Prozent im Besitz des Landkreises Teltow-Fläming, knapp ein halbes Prozent hält die Stadt Trebbin. "Man wollte Ende der 1990er Jahre keine Fliegerbude mit öffentlichen Mitteln durchfüttern", blickt Schwahn zurück, der seit 2002 im Amt ist.

25 Millionen Invest, 10,8 Millionen Fördermittel

Mit Planfeststellungsverfahren wurden die Weichen für den heutigen Wirtschaftsstandort gestellt. In die erste Ausbaustufe des Flugplatzes sind um das Jahr 2005 herum rund 25 Millionen Euro geflossen, davon 10,8 Millionen Euro Fördermittel. Der Rest wurde durch Bankkredite finanziert, die inzwischen fast vollständig zurückgezahlt sind. Es war das Fundament, um den Platz auf sein heutiges Niveau zu heben. Straßen wurden gebaut, Hallen aus dem Boden gestampft, die Piste wurde verlängert und mit einer Nachtflugbefeuerung versehen. Ziel war es, Firmen, die angesichts des Baus von BER ihren Standort in Schönefeld verlassen mussten, nach Schönhagen zu locken – eine Rechnung, die aufging.

Heute sind auf 30 000 Quadratmetern Gewerbefläche 53 Unternehmen, Vereine und Verbände angesiedelt. Dazu gehören beispielsweise der Flugzeughersteller Aquila Aviation, der Cirrus-Vertriebspartner CD-Aircraft, die Flugschule "Hans Grade", Reiner Stemmes Betrieb RS.aero plus Main-tenance- und Entwicklungsbetriebe sowie Firmen aus verschiedenen Produktions- und Dienstleistungsbereichen. 350 Menschen kommen täglich nach EDAZ zum Arbeiten. Darüber hinaus haben 90 Firmen aus Berlin und Brandenburg ihre Flugzeuge und Helikopter in Schönhagen stationiert. Das Problem: "Wir platzen aus allen Nähten."

Erschließung eines Baufelds: Ab September rollen die Bagger

Schwahn wäre nicht Schwahn, hätte er keine Lösung parat: Diese schmückt in Form eines Plakats die Wand in seinem Büro und trägt den schlichten Titel "Baufeld Schönhagen". Auf fünf Hektar entlang der heutigen Nord-Süd-Bahn werden sich bald bis zu 24 000 Quadratmeter überdachter Fläche realisieren lassen. Bis zu zwölf Hallen à 2000 Quadratmeter sind möglich. Auch hier gab es ein über vier Jahre dauerndes Verfahren, bis die Genehmigung zur Erschließung ab dem 4. September 2025 endlich vorlag.

Flugplatzgesellschaft Schönhagen

3,6 Millionen Euro Kosten rollen auf den Platz zu, die aber zu 80 Prozent vom Land Brandenburg übernommen werden. "Das gibt uns das Potenzial für weitere Gewerbeansiedlungen in den kommenden zehn Jahren", sagt Kaus-Jürgen Schwahn. Bei dieser Gelegenheit wird die Infrastruktur auch für die elektrische Zukunft der Luftfahrt fit gemacht. Neue Leitungen sollen ein bis zwei Megawatt Strom transportieren, sollten tatsächlich eines Tages Regionalflugzeuge ihre Akkus füllen wollen. PV-Anlage mit Speicher? Auch daran wurde gedacht. Dass dafür die Piste 12/30 zum Taxiway degradiert werden muss, ist für Klaus-Jürgen Schwahn das geringste Problem: "Wegen strenger Auflagen finden darauf ohnehin nicht mehr als 250 Bewegungen im Jahr statt."

Wo sich Wissenschaft und Filmindustrie treffen

Auch als Standort für die Wissenschaft hat sich Schönhagen unverzichtbar gemacht. Seit vielen Jahren besteht eine enge Partnerschaft mit der Technischen Hochschule Wildau, aber auch andere Hochschulen, das Fraunhofer-Institut, die Telekom oder das European Aviation Security Center sind präsent. Es geht um die Steuerung von Drohnen, 5G- und neuerdings 6G-Netze sowie die Kommunikation in Krisengebieten oder die Suche nach Vermissten. Die Bekämpfung von Waldbränden am Boden und aus der Luft ist in der oft ebenso trockenen wie waldreichen Gegend auch ein Thema. Mal geht es um Forschung, immer wieder auch um reale Einsätze. Schwahn: "Ich bin froh, dass wir so den Mischbetrieb von Drohnen und bemannter Luftfahrt erproben können, denn das wird kommen." Neuerdings trägt der Flugplatz den Namenszusatz "Forschungsflugplatz Otto Lilienthal".

Flugplatzgesellschaft Schönhagen

Darüber hinaus nutzen auch Filmfirmen den Platz immer wieder für Dreharbeiten, die sich auf Verkehrsflughäfen wegen der Sicherheitsauflagen gar nicht oder nur mit hohem Aufwand realisieren ließen. Wer eine Szene in den Kasten kriegen will, ist in Schönhagen mit kurzer Vorlaufzeit willkommen.

Für Piloten ist EDAZ auch dann ein lohnendes Ziel, wenn sie nicht nach Berlin möchten. Der Platz bietet moderne Tagungsräume, im Towergebäude gibt es eine einladende Gastronomie, und wer mag, kann für ein überschaubares Budget im Gästehaus übernachten. Daran dürfte sich auch nicht viel ändern. Der Bestand Schönhagens ist vertraglich langfristig gesichert, und auch der Chef selbst denkt im Alter von 68 Jahren noch nicht an die Rente. Dass ihm sein Job Spaß macht, merkt man Klaus-Jürgen Schwahn einfach an.