Erfolg mit Geschichte: Business Aviation made in Germany

Rückblick
Erfolg mit Geschichte: BizAv made in Germany

ArtikeldatumVeröffentlicht am 27.10.2025
Als Favorit speichern

Die aktuellen Zahlen beeindrucken: Im Juli 2025 zählte die deutsche Business-Aviation-Flotte 748 Flugzeuge. Die European Business Aviation Association (EBAA) erfasst in ihrer Statistik Geschäftsreiseflugzeuge von Single Engine Turboprops über Light-, Midsize- und Heavy Jets bis zu Bizlinern. Deutschland ist in dieser Hinsicht im europäischen Vergleich mit großem Abstand der Spitzenreiter vor Großbritannien mit 522 Flugzeugen und dem Nachbarland Frankreich (486).

Mit der Flotte ist in den vergangenen sechs Jahrzehnten auch die wirtschaftliche Bedeutung dieses Luftfahrtzweiges gewachsen. Viele Unternehmen im Flugzeughandel, in Maintenance, Charter und Flottenmanagement, verleihen der Branche ihr Gewicht. Mehr als 83.000 Arbeitsplätze hängen nach Angaben der German Business Aviation Association (GBAA) allein in Deutschland direkt und indirekt vom privaten Geschäftsreiseflug ab. Dabei schreibt die GBAA der Business Aviation hierzulande eine Bruttowertschöpfung von 17,6 Milliarden Euro zu.

Erste Jets kommen nach Deutschland

Eine solche Entwicklung erwartet wohl kaum jemand, als etwa Mitte der 1960er Jahre die ersten Business Jets aus den USA nach Deutschland kommen. Zarte Ansätze hat es jenseits des Atlantiks bereits einige Jahre zuvor gegeben. Als erster Geschäftsreisejet gilt die Lockheed JetStar. Ursprünglich als Verbindungsflugzeug für das US-Militär entwickelt, findet sie auch einige zivile Kunden, der prominenteste unter ihnen ist Elvis Presley. Die JetStar kann bis zu zehn Passagiere aufnehmen. Mangels geeigneter und leistungsstarker Triebwerke greift Lockheed auf vier Pratt & Whitney-JT12A-Turbinen zurück, die eigentlich für militärische Zwecke entwickelt worden waren. Eine ähnliche Entstehungsgeschichte hat auch die zweistrahlige North American Sabreliner, die Anfang der 1960er Jahre auf den Markt kommt.

Als erster wirklich erfolgreicher Business Jet gilt jedoch der Learjet 23: kompakt, schnell (Mach 0.82!) und wesentlich wirtschaftlicher zu betreiben als die Vorgänger der Konkurrenz. Bis heute steht für viele der Name Learjet als Synonym für Geschäftsreisejets. Ende Juli 1964, weniger als ein Jahr nach seinem Erstflug am 7. Oktober 1963, erhält der Learjet 23 seine Zulassung. In Deutschland ist vor allem der Aero-Dienst in Nürnberg eng mit diesem Muster verknüpft. Bereits 1958 wird der Aero-Dienst als einer der ersten luftfahrttechnischen Betriebe in der "Wirtschaftswunder-Republik" gegründet. Gesellschafter sind Karl Diehl und Karl-Heinz Schmidt, Hersteller von Zeitschaltuhren und Rechenmaschinen der eine, Eigentümer der Firma Faun, die Militärlastwagen und Spezialfahrzeuge herstellt, der andere.

Der Aero-Dienst vertreibt den Learjet

Zehn Jahre nach seiner Gründung startet der Aero-Dienst 1968 den Verkauf, die Wartung und die Vercharterung von Learjets, später kommen Ambulanzflugdienste für den ADAC hinzu – siehe Foto der Learjet-Flotte. In jenen Jahren, in denen immer mehr Unternehmen auf eigene Geschäftsreiseflugzeuge setzen, ist das ein höchst lohnendes Geschäft. Aus heutiger Sicht ist es die Grundlage für den Aufstieg von Aero-Dienst– seit 1998 unter dem Dach des ADAC als Gesellschafter – zu einem der wichtigen Unternehmen in der Business Aviation in Deutschland.

Zu den klingenden Namen der Branche gehören ganz sicher auch Rheinland Air Service in Mönchengladbach und Atlas Air Service. Letzterer startet 1970 am Verkehrslandeplatz Ganderkesee. Als Maintenance-Betrieb und Cessna-Werksvertretung gegründet, entwickelt sich das Unternehmen kontinuierlich weiter. Daran hat das Engagement der Norddeutschen in der Business Aviation einen großen Anteil. Bis Mitte der 1990er Jahre avanciert Atlas Air Service zum weltweit erfolgreichsten Cessna-Händler, 2015 wird das Unternehmen Vertriebsrepräsentant für Embraer Executive Jets, kurz darauf auch autorisiertes Embraer Service Center. Einige Jahre zuvor hat Atlas Air Service, inzwischen von einer GmbH zur Aktiengesellschaft umgewandelt, am Flughafen Bremen ein hochmodernes Service Center eröffnet. Seit gut zehn Jahren gehört auch Augsburg Air Service (ehemals Beechcraft Vertrieb und Service GmbH) als Maintenance-Zentrum im süddeutschen Raum unter anderem für Cessna, Hawker und Embraer Phenom zur Atlas-Air-Service-Unternehmensgruppe. Vor etwa drei Jahren wurde auch die Schweizer AAL AG/Altenrhein Aviation am Flughafen St. Gallen-Altenrhein als 100-prozentige Tochter übernommen. Dort liegt der Schwerpunkt auf Jets und Turboprops von Embraer, Gulfstream, Pilatus, Socata und Cessna. Heute betont Atlas Air Service seine Expertise im markenunabhängigen Handel mit Geschäftsreiseflugzeugen.

Die Entwicklung der Business Aviation in Deutschland spiegelt sich auch in der Vielzahl der heute eingesetzten Flugzeugmuster wider. Dabei ist eine immer feinere Segmentierung zu beobachten. Besonders oft werden Light Jets genutzt – nicht weniger als 255 Flugzeuge dieser Klasse werden in Deutschland betrieben. Tonangebend ist vor allem Cessna. Das Unternehmen hat seit Anfang der 1970er Jahr allein 22 Muster seiner Citation-Familie in dieser Kategorie platziert. Als einzige europäische Jethersteller sind Dassault und Pilatus in dieser Klasse vertreten. Einen wesentlich größeren Marktanteil dürfte Pilatus unter den Turboprop-Singles halten. Mit 178 Flugzeugen bilden sie das zweitgrößte Flottensegment. Pilatus ist mit der PC-12 gut vertreten, Socata mit der TBM-Serie und Cessna mit der 208 Caravan. Immerhin 104 Heavy Jets vom Schlage der Bombardier Challenger, Embraer Legacy, Dassault und immerhin 90 Bizliner, die vor allem auf Mustern von Airbus und Boeing basieren, sind derzeit hierzulande stationiert.

In den 1960er Jahren sind es ausschließlich große Industrie- und Handelsunternehmen, die sich eigene Geschäftsreiseflugzeuge zulegen und einen professionellen Flugbetrieb aufbauen. Schon bald zeigt sich, dass die moderne Business Aviation als junger Verkehrsträger eine Interessenvertretung gegenüber Politik und Verwaltung braucht. Bernd Gans von Daimler-Benz und einige weitere Vertreter namhafter Unternehmen gründen deshalb 1970 den "Arbeitskreis Luftfahrt" im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Daraus entsteht in den Folgejahren die GBAA, die schließlich 2001 ins Vereinsregister eingetragen wird. Gans leitet die Geschicke des Verbands 44 Jahre lang, seit 2014 hat Peter Gatz den Vorsitz. Hauptamtlicher Geschäftsführer ist Andreas Mundsinger aus Stuttgart.

Ist die Zukunft elektrisch?

Es gibt viel zu tun für den Verband. Aktuell sieht die GBAA die Nutzung von 44 Flugplätzen für die Business Aviation bedroht. Dabei geht es um die von der Bundesregierung geplante Streichung des sogenannten Zweiten Gebührenkreises gemäß Paragraf 27d LuftVG. Einfacher gesagt: Ab 2026 sollen die betroffenen Flugplätze ihre gesamten Flugsicherungskosten selbst tragen, während 15 Flughäfen im Bundesinteresse von den Kosten freigestellt bleiben. Doch gerade die dezentralen Flugplätze, die durch die Maßnahme gefährdet sind, haben für die regionale Wirtschaft und ihre schnelle Fluganbindung große Bedeutung. Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen sind ein weiteres Arbeitsfeld des Verbandes. Dabei geht es um die Förderung neuer Technologien für die Luftfahrt. Antriebe, Treibstoffe, neue Materialien: Die Forschungsfelder, für deren Förderung sich die GBAA einsetzt, sind vielfältig.

Und in Sachen Nachhaltigkeit taucht auch der Name Aero-Dienst wieder auf. Das Unternehmen, das vor 57 Jahren die ersten Learjets nach Deutschland brachte, denkt auch heute an die Luftfahrt der Zukunft. Gemeinsam mit der Münchener Vaeridion GmbH arbeitet die heutige ADAC-Tochterfirma am Microliner, einem E-Flugzeug, das im Ambulanzflugdienst oder mit bis zu neun Passagieren 500 Kilometer weit fliegen soll. In den 1960er Jahren gehörte bereits eine Zukunftsvision dazu, die Business Aviation voranzubringen. Heute ist es nicht anders.