In der Schweiz gibt es manch ein autofreies Örtchen, meist irgendwo oben am Berg. Bekanntestes Beispiel ist Zermatt am Fuße des Matterhorns. Die Versorgung wird durch eigens im Ort gebaute Elektrofahrzeuge gewährleistet, auch gibt es – ebenfalls elektrisch angetriebene – Busse und Taxis. Als Privatperson ein Auto im Ort besitzen? Unmöglich. Weit weniger bekannt, aber genauso sehenswert ist der Ort Braunwald im südlichen Teil des Kanton Glarus. Braunwald ist jedoch aus einem anderen Grund autofrei: Es gibt schlicht keine Straße, die dorthin führt. Ein Wanderweg verbindet Braunwald mit dem nächstgelegenen Ort Linthal, die Wanderung dauert pro Richtung allerdings 1:45 Stunden, dabei sind 594 Höhenmeter zu überwinden. Für den schnelleren Auf- und Abstieg verkehrt die Braunwald-Standseilbahn zwischen den genannten Orten und befördert Erwachsene für maximal 7,20 Franken pro Richtung in sieben Minuten ans jeweils andere Ende der Linie. Die Bahn befördert hierbei auch Güter des täglichen Bedarfs, die Post oder auch großes Gerät wie Bagger, Baumaterialien und alles andere, was es im Ort zum Leben gebraucht wird. Pro Jahr werden gut 400.000 Passagiere und 8000 Tonnen Güter transportiert.
Aber was hat diese Bahn nun im aerokurier zu suchen?
Down for maintenance
Wie alle Schienenfahrzeuge benötigt auch die Braunwaldbahn kleinere und größere Unterhaltsarbeiten. Vom 6. bis 17. November dieses Jahres wurde deshalb der Betrieb für eine umfangreiche Modernisierung im Rahmen des Projekts "Ertüchtigung Braunwaldbahn" eingestellt. In der Schweiz besteht für ganzjährig bewohnte Orte allerdings eine Erschließungspflicht, und somit musste eine Ersatzlösung bereitgestellt werden. Da keine Straßenfahrzeuge nach Braunwald verkehren können, schied der übliche Schienenersatzverkehr mit dem Bus aus und es blieb nur noch eine Lösung: die Luftbrücke. Eine ähnliche Situation, informiert der Betreiber, gab es bereits 1997.
Ein AusFLUG mit der Standseilbahn
Zum gleichen Preis wie die Fahrt mit der Standseilbahn – Stichwort Erschließungspflicht – beförderte ein Airbus H125 "Écureuil", ehemals AS 350 B3, der am Flugplatz Mollis beheimateten Heli Linth maximal fünf Fahr... oder besser gesagt Fluggäste gleichzeitig von Linthal nach Braunwald und umgekehrt. Vor dem Flug musste ein Ticket gelöst werden. In meinem Fall war der Flug sogar kostenlos, denn die Braunwaldbahn ist für Inhaber eines Generalabonnements (eine Jahresfahrkarte für sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel in der Schweiz) inbegriffen. Dies gilt somit auch für den Flug mit dem Helikopter. Da die Kapazität auf fünf Passagiere pro Flug begrenzt war, wurde die Warteschlange strikt in zwei Teile getrennt: Oberste Priorität genossen Bewohner, Arbeitnehmer, Handwerker oder Schüler aus Braunwald, erst danach kam der touristische Verkehr. Wir waren nicht die einzigen mit dieser Idee, und so mussten wir für unseren Flug 50 Minuten anstehen. Dies hat sich für das Erlebnis dieses außergewöhnlichen Ersatzverkehrs rundum gelohnt. Der Flug dauerte pro Richtung zwei Minuten, die Flüge fanden in drei Zeitfenstern zwischen 7:30 und 9:30 Uhr, 11 und 13:30 Uhr sowie von 15 bis 17 Uhr statt. Zwischen diesen Zeiten stand der Helikopter nicht still, denn mittels Unterlast wurden die Baustelle der Standseilbahn mit Material versorgt und Gütertransporte nach Braunwald abgewickelt.
Die Braunwaldbahn rechnet durch den Helikopterbetrieb mit zusätzlichen Kosten in Höhe von von etwa 30.000 bis 45.000 Franken (Anmerkung: der Euro-Betrag ist etwa gleich). Nicht in Geld aufwiegen lässt sich der PR-Effekt für Braunwald, das durch den zweiwöchigen Shuttlebetrieb auch über die Grenzen der Schweiz hinaus etwas bekannter geworden und auf die Wunschliste manch eines Reiselustigen gelangt sein dürfte. Ein Besuch lohnt sich auch ohne Luftbrücke.