Es ist der Albtraum eines jeden Piloten: ein Motorausfall kurz nach dem Abheben. In Sekundenbruchteilen muss ein Entschluss gefasst werden – eine Situation, die selbst routinierte Piloten überfordern kann, wie der Unfall einer Extra 330 SC zeigt. Der Vorfall ereignete sich im Spätsommer 2015 am Verkehrslandeplatz Schwenningen. Der erfahrene Kunstflieger startete um 16:26 Uhr Ortszeit auf der Piste 22 bei CAVOK-Bedingungen. Nach dem Abheben ging er zunächst in eine normale Steigfluglage, wurde aber zunehmend steiler. In einer Höhe zwischen 70 und 120 Metern über Grund verstummten die Motorengeräusche abrupt, gaben Zeugen später zu Protokoll. Kurz darauf stürzte das Flugzeug in einer Drehbewegung dem Erdboden entgegen und prallte etwa 560 Meter vom südwestlichen Bahnende entfernt auf dem Dach einer Lagerhalle auf. Der Pilot starb.
Ein Bild der Zerstörung
Als die Experten der BFU an der Unfallstelle eintrafen, fanden sie ein Bild der Zerstörung vor. "Das Flugzeug steckte in der Dachkon-struktion einer Lagerhalle", schreibt Untersuchungsführer Stefan Maser im Bericht. "Der vordere Teil des Luftfahrzeugs war etwa bis zum Sitz des Piloten ins Halleninnere eingedrungen und hing von der Dachkonstruktion herab." Trotzdem gelingt es den Sachverständigen, mithilfe des Motorüberwachungsgeräts EDM 800 eine Unterbrechung der Kraftstoffversorgung als Unfallursache zu ermitteln. Was diese Unterbrechung verursacht haben könnte, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen.

Kontrollverlust
Im Tank und in den zum Motor führenden Leitungen befand sich Treibstoff, die Kraftstoffzusatzpumpe war jedoch in deaktiviertem Zustand. Der darauffolgende Kontrollverlust sei auf eine falsche Reaktion des Piloten zurückzuführen. "Die BFU geht davon aus, dass der Pilot beim Versuch, zum Startflugplatz zurückzukehren, die Kontrolle über das Flugzeug verlor", fasst die Untersuchungsbehörde zusammen. Die Maschine geriet ins Trudeln, und der Pilot hatte nicht genügend Zeit, um die Drehbewegung zu stoppen und das Flugzeug abzufangen.
Akute Gefahr eines Strömungsabrisses
Der Motorausfall kurz nach dem Abheben ist deshalb so gefährlich, weil das Flugzeug langsam, tief und mit einem großen Anstellwinkel fliegt, insbesondere bei Vx. Daher sollten Szenarien wie ein Triebwerksausfall beim Startlauf, kurz nach dem Abheben und in der Platzrunde ins Emergency-Briefing vor dem Start integriert werden. Fällt die Leistung abrupt ab, besteht die akute Gefahr eines Strömungsabrisses. Nun gilt es die goldene Grundregel zu beachten: Aviate, Navigate, Communicate.

Geschwindigkeit des besten Gleitens
Um das Flugzeug in der Luft zu halten, muss der Pilot zuallererst nachdrücken, um Fahrt aufzuholen, und zwar so lange, bis die Geschwindigkeit des besten Gleitens erreicht ist. Bei der Extra 330 SC liegt diese je nach Fluggewicht zwischen 80 und 90 Knoten. Außerdem muss der Pilot den Druck im Seitenruder verringern, den er unter Volllast benötigt hatte, um die Richtung zu halten, sonst riskiert er ein Abkippen der Maschine. Sobald die Gefahr des Strömungsabrisses gebannt ist, gilt es anhand der verbleibenden Höhe abzuschätzen, ob eine Umkehrkurve möglich oder eine Landung in Flugrichtung sicherer ist. Doch wie hoch ist hoch genug?
Umkehrkurve ja oder nein
Barry Schiff von der AOPA ist dieser Frage im Rahmen des Artikels "Engine Out!" nachgegangen. Wie viel Höhe ein Flugzeug bei einer Umkehrkurve verliert, hängt von der Gleitleistung und der Kurvenquerneigung ab. Um den Höhenverlust bei einer Umkehrkurve zu ermitteln, flog Schiff eine Cessna 172 in Startkonfiguration mit der Geschwindigkeit des steilsten Steigens, reduzierte die Leistung auf Leerlauf und wartete vier Sekunden ab. So lange beträgt die durchschnittliche Reaktionszeit. Dann flog er eine 180-Grad-Kurve und dokumentierte dabei den Höhenverlust. Das Manöver flog er vier Mal: mit 30, 45, 60 und 75 Grad Querneigung. Dabei gewann er eine überraschende Erkenntnis: Je steiler er die Kurve flog, desto geringer war der Höhenverlust.
Sinkrate minimal
Mit einem Neigungswinkel von 30 Grad verlor er 380 Fuß, bei 75 Grad waren es nur 210 Fuß. Auf den ersten Blick erscheint diese Erkenntnis abwegig, schließlich korrelieren die beiden Faktoren: Je größer der Neigungswinkel, desto höher ist auch die Sinkrate. Allerdings muss auch der Faktor Zeit berücksichtigt werden. "Wird eine Cessna 172 bei einer Geschwindigkeit von 70 Knoten um 30 Grad geneigt, beträgt die Wenderate neun Grad pro Sekunde, das heißt, für eine 180-Grad-Kurve benötigt sie 20 Sekunden – genug Zeit, um essenzielle Höhe zu verlieren, auch wenn die Sinkrate minimal ist. Bei einem 75-Grad-Neigungswinkel erhöht sich die Wenderate auf erstaunliche 58 Grad pro Sekunde, und die Zeit für die Umkehrkurve reduziert sich damit auf drei Sekunden", hält der Autor fest.
"Airplane Flying Handbook"
Allerdings erhöht sich auch die Überziehgeschwindigkeit um ein Vielfaches, daher sollten solche Manöver bodennah vermieden werden. "Eine Umkehrkurve mit einem Neigungswinkel von 45 Grad ergibt die besten Resultate, das heißt, Wenderate und Höhenverlust sind moderat, und die Überziehgeschwindigkeit erhöht sich um nur 19 Prozent", zieht Schiff sein Fazit. "Wer weiß, wie viel Höhe sein Flugzeug für eine Umkehrkurve benötigt, und mit dem Manöver vertraut ist, kann im Ernstfall eine fundierte Entscheidung treffen und schneller reagieren." Auch die US-amerikanische Luftfahrtbehörde FAA empfiehlt in ihrem "Airplane Flying Handbook", diesen Höhenverlust experimentell zu bestimmen und einen Sicherheitsfaktor von 25 Prozent zu addieren. Oft wird aber auch die Platzrundenhöhe, 1000 Fuß über Grund, als Entscheidungshöhe festgelegt.
Air Safety Institute
Dave Keller, ein Mooney-Pilot aus Indiana, erlebte eine solche Situation, die er per Zufall auf Video mitschnitt. Er stellte diese Aufnahme dem Air Safety Institute der AOPA zur Verfügung und kommentierte das Video, das unter dem Titel "Real Pilot Story: The Impossible Turn" auf YouTube zu finden ist. Dass ihm der "impossible turn" gelang, führt die AOPA unter anderem darauf zurück, dass er zu diesem Zeitpunkt schon ein erfahrener Pilot war und das Flugzeug und das Fluggelände gut kannte. Außerdem waren die Wetterbedingungen – also auch die Windverhältnisse – gut, und es befand sich nur wenig Verkehr in der Luft.
Viele Variablen spielen eine Rolle
Wer sich für eine Umkehrkurve entscheidet, sollte diese Intention wenn möglich über Funk melden, um einer Kollision vorzubeugen. Darüber hinaus muss der Pilot Faktoren wie Windverhältnisse, das Gelände und die Distanz zum Flugplatz miteinberechnen. Wer beispielsweise nach dem Start in den Wind dreht, hat im Falle eines Motorausfalls aufgrund des Versatzes bessere Chancen, die Piste wieder zu treffen. Außerdem muss er sich darauf gefasst machen, mit relativ viel Fahrt anzukommen, da er den Wind nun im Rücken hat. Es besteht die Gefahr des intuitiven Überziehens oder des Überschießens. Dem Fahrtmesser sollte daher ein besonderes Augenmerk gelten. Möglicherweise reicht die verbleibende Pistenlänge auch nicht aus, um sauber auszuschweben, sodass das Aufsetzen forciert werden muss. Ist das Fluggelände nicht mehr im Gleitflug zu erreichen, muss frühzeitig ein geeignetes Terrain für eine Notlandung angesteuert werden.
Geschwindigkeit des besten Gleitens
Reicht die Höhe für eine Umkehrkurve nicht aus, sollte der Pilot nach dem Erreichen der Geschwindigkeit des besten Gleitens ein Gelände in Flugrichtung ansteuern und nur geringe Richtungsänderungen vornehmen. Welchen Aktionsradius der Pilot hat, lässt sich anhand der Gleitzahl errechnen: Bei der Extra 330 SC beträgt diese 6,2, das heißt, der verunfallte Pilot hatte 100 Meter über Grund einen Aktionsradius von etwas mehr als 600 Metern – vermutlich genug, um eine der Wiesen im Südwesten des Fluggeländes zu erreichen. "Die Durchführung eines Notverfahrens mit geringen Richtungsänderungen hätte die entstandenen Schäden verringern können", folgert die BFU. Allerdings muss diese Entscheidung rechtzeitig getroffen werden.
Wahl des Geländes
Bei der Wahl des Geländes sind Kriterien wie Oberfläche, Bewuchs, Größe, Windrichung, Hindernisfreiheit und Geländeneigung zu berücksichtigen. Bei Segelfliegern, die bekanntlich öfter außenlanden müssen, gelten bearbeitete Flächen ohne oder mit nur geringem Bewuchs, etwa sauber abgeerntete Felder, als besonders geeignet. Niedriger Bewuchs ist gut am Durchscheinen der dunklen Erde zu erkennen. Wiesen und Ödland hingegen gelten als gefährlich, da Gräben, Zäune und die Höhe des Bewuchses aus der Luft nur schwer auszumachen sind. Letztlich ist aber jedes einigermaßen ebenerdige Gelände gut genug, geht es doch in letzter Konsequenz um das Überleben des Piloten. Wer sich vorab einen Überblick über das Terrain verschafft, kann die Arbeitsbelastung im Ernstfall reduzieren.
Notlandung
Sofern dem Piloten vor dem Aufsetzen noch genügend Zeit bleibt, sollte – wie bei jeder Notlandung – die elektrische Kraftstoffpumpe deaktiviert, der Treibstoffhahn geschlossen, die Gemischregulierung gezogen und die Zündung ausgeschaltet werden, um das Risiko eines Brandes zu minimieren. Nach dem Aufsetzen ist die Überlebenschance der Insassen groß, auch wenn das Flugzeug beschädigt wird. Nach dem Ausrollen müssen die Passagiere evakuiert und die entsprechenden Behörden benachrichtigt werden.
Im Ernstfall die Ruhe bewahren
Ein Motorausfall nach dem Abheben ist eine denkbar unglückliche Situation, doch wer sich präventiv darauf vorbereitet und im Ernstfall die Ruhe bewahrt, hat gute Chancen.