Ultraleichte mit Turbo
Pilot Report: Savage Cruiser Turbo

Runways are optional. Mit diesem Slogan bewirbt Konstrukteur Pasquale Russo die Savage, deren Design sich an der legendären Piper Cub orientiert. Jetzt gibt’s das UL mit Turboantrieb. Ein Garant für maximalen Spaß?

Pilot Report: Savage Cruiser Turbo

Savage – viele Liebhaber dieses Flugzeugs sprechen seinen Namen besonders vornehm aus, als käme er aus dem Französischen. Aber kein Dictionnaire kennt dieses Wort, denn Savage ist ein englischer Begriff und bedeutet: Wilder, Rüpel, Rohling. Der Name erscheint angemessen. Mit einer Savage fliegt man nicht zu Geschäftsterminen, ihre Domäne ist eine ganz andere: kleine Flugplätze mit Graslandebahnen, alpines Gelände, im Extremfall sogar Gletscher oder auch Flussbetten. Bereits mit den 100 Pferdestärken des Rotax 912 S motorisiert, beeindruckt die robuste Savage mit respektablen Start- und Steigleistungen. Startrollstrecken von 80 bis 100 Metern sind kein Fliegerlatein, auch nicht bei maximaler Startmasse.

Tom Huber, der Musterbetreuer der Savage für Deutschland und Österreich, hat als Pilot in den letzten Jahren mehrmals demonstriert, was dieses Flugzeug alles zu leisten vermag. 2008 landete er – werbewirksam für die gesamte UL-Bewegung – auf der Zugspitze. 2009 folgte ein nächstes Highlight: Er begleitete die Motorrad-Rallye „Sahara Masters“ und sorgte für deren logistische Unterstützung aus der Luft. Ebenfalls legendär: der F-Schlepp eines Wakeboarders im Flussbett des Po.

Logisch, dass es Tom Huber reizte, die Savage auch mit dem Turbo-Rotax 914 zu motorisieren und die UL-Baureihe mit einem Topmodell zu krönen. Eine Startleistung von nunmehr 115 PS (85 kW) sowie die Souveränität des Turboladers auch unter Hot-and-High-Bedingungen, darin sah er jenes Quäntchen an Performance, das einem höchst anspruchsvollen Flugbetrieb gerade noch gefehlt haben könnte. Es erfolgte der „Roll-out“ der D-MCAT, die als erstes Flugzeug die neue Werkstatthalle am oberbayrischen Flugplatz Antdorf verlassen hatte. Öffentlich zu bewundern war sie erstmals – in ihrem unverwechselbaren Janosch-Look – auf der AERO 2014. Seit Juli desselben Jahres besitzt die Turbo-Savage ihre deutsche Musterzulassung.

Äußerlich sieht man der neuen Savage nicht an, welche enorme Entwicklungsarbeit nötig war, um das Flugzeug zur Serienreife zu bringen. Der Turbo-Rotax wiegt acht Kilogramm mehr als seine konventionellen 912er-Kollegen, und leider genau an der falschen Stelle, denn alle Savage-Flugzeuge neigen von jeher zur Kopflastigkeit. Also musste das Junkers Rettungssystem im Leitwerksträger so weit nach hinten versetzt werden, bis die Balance wieder stimmte. Eine Gewichtsersparnis erzielte Tom Huber vor allem durch den Einbau leichterer und dennoch stabiler Sitzschalen aus GFK sowie durch eine LiFePo-Batterie, die nur ein Kilogramm wiegt. Diese und eine Reihe weiterer Diätmaßnahmen haben bewirkt, dass die D-MCAT trotz ihrer großen Ballonräder nur 308 kg Leergewicht auf die Waage bringt.

Das zweite große Thema war die Modifikation der Motorhaube. Drei zusätzliche Einlässe, rechts und links sowie an der Oberseite, befriedigen den erhöhten Bedarf an frischer Luft. Das Instrumentenbrett wartet mit ein paar Turbo-typischen Besonderheiten auf: Anzeigen und Warnleuchten sorgen für die Kontrolle des Ladedrucks und der Abgastemperatur. Unter einer roten Klappe sitzt der Schalter zum Deaktivieren des Ladedruckreglers (TCU). Erhebliche Fluktuationen von Ladedruck und Drehzahl wären die Symptome, sollte die TCU nicht korrekt arbeiten. Wie jeder Kolbenmotor mit Turbolader, will auch der Rotax 914 gefühlvoll bedient werden, damit es nicht zum Overboost kommt.

Um dies auch im Flugbetrieb der D-MCAT zu vermeiden, setzte Tom Huber eine pfiffige Idee denkbar einfach in die Praxis um. An der Kulisse des Gashebels sitzt nun ein unauffälliges Formteil aus Plexiglas. Es schränkt den Weg in Richtung Vollgas um die letzten zwölf Millimeter ein und verhindert so, dass man dem Motor unbeabsichtigt zu viel Ladedruck aufhalst. Für Huber ist diese Vorsichtsmaßnahme von großer Bedeutung, da er sein Flugzeug auch zur Schulung einsetzt und gelegentlich verchartert. Erst wenn man den Riegel seitwärts wegdreht, ist der Jugendschutz aufgehoben und der Turbo-Rotax läuft zu Hochtouren auf.

Kein Eindruck gründet so tief wie ein Vergleich. Darum habe ich mich – als mehrjähriger Savage-Pilot – mit großer Neugier auf die erste Live-begegnung mit der „Turbo-Katze“ gefreut. Die beiden Kontrolllämpchen der TCU leuchten kurz auf und melden somit den Selbsttest dieser Systemkomponente. Der Motor springt sofort an und läuft, das spüre ich jetzt schon, wohltuend vibrationsarm.

Unsere Highlights

Begrenzer dämpft Urgewalt des Turbos

Auf meinem ersten kurzen Probeflug lasse ich Tom Hubers geniale „Overboost Protection“ noch in der defensiven Position (max. 34 inHg) und erlebe das neue Flugzeug schon jetzt mit Leistungen, die jene meiner 100-PS-Version deutlich übertreffen: Die anfängliche Steigrate liegt bei rund 1200 ft/min.

Als absolut begeisternd empfinde ich jedoch die Laufkultur des Rotax 914. Das ist weder Einbildung noch Zufall. Der 914 arbeitet mit dem Hubraum und dem Verdichtungsverhältnis (9,0:1) der 80-PS-Version, die aus diesen Gründen als die laufruhigste Variante gilt. Hinzu kommt, dass Tom Huber bis zur Auswahl der endgültigen Luftschraube lange experimentiert und sich schließlich für den Aerobat-Holzpropeller mit einem Durchmesser von 2,0 m und einer Steigung von 1,32 m entschieden hat. Der Propeller bietet den besten Kompromiss zwischen Steig- und Reiseleistung, und verursacht am wenigsten Vibrationen. Ein Verstellpropeller ist für die Savage nicht vorgesehen.

Ein kleiner Exkurs für alle, die noch nie in einer Savage saßen: Das Flugzeug will unbedingt mit gut koordiniertem Quer- und Seitenrudereinsatz geflogen werden. Andernfalls reagiert es mit bockigem Gieren und Schlingern, und dem Passagier wird übel.

Trotz des Beinamens „Cruiser“ ist auch die Turbo-Savage nicht rekordverdächtig schnell. Die normale Reisegeschwindigkeit liegt bei 150 km/h (TAS), die VNE bei 179 km/h (IAS). Das Verhalten im Langsamflug ist tadellos. Mit erster Klappenstellung und 80 km/h lässt sich das UL praktisch noch genauso gut manövrieren wie im normalen Geschwindigkeitsbereich. Damit und mit ihrer großen, auch im Fluge nach oben zu öffnenden Kabinentür eignet sich die Savage vorzüglich als Foto- und Beobachtungsflugzeug. Mit einem Stall ohne Landeklappen ist bei 60 km/h zu rechnen. Er kommt jedoch nicht hinterhältig, sondern kündigt sich mit leichtem Schütteln an, die Recovery bedingt keinen großen Höhenverlust. Der Landeanflug erfolgt mit 80 km/h. Fortgeschrittene können – in ruhiger Luft – auch noch bis 70 km/h heruntergehen. Die Landerollstrecke im Flughandbuch sowie in natura: ganze 70 Meter! All diese Eigenschaften verdankt die Savage ihren Vortex-Generatoren. Serienmäßig gibt es sie eigentlich nicht, doch Huber verkauft kein Flugzeug mehr „oben ohne“.

Jetzt aber der zweite Flug mit der Katze, und zwar mit unzensierter Turboleistung! Die Bedingungen: 2000 ft ELEV, ISA, 420 kg Startmasse. Noch bevor ich den Gashebel ganz nach vorne geschoben habe, ist die Savage längst „airborne“. Der Ladedruck liegt bei 39 inHg, die RPM bei 5800. Bei einer VX von 85 km/h ergibt sich ein Steigen von 1500 ft/min, das sich auch bei der VY  von 105 km/h und eingefahrenen Klappen fortsetzt. Die Triebwerkstemperaturen bleiben davon weitgehend unbeeindruckt. Der Turbolader heizt ganz schön ein – die EGT liegt knapp unter der 900-°C-Marke, sie verharrt jedoch stabil unter dem Maximum von 950 °C. Zylinderkopf- und Öltemperatur – letztere lässt sich mit Hilfe einer Klappe manuell regeln – bleiben mit jeweils 100 °C völlig cool.

Allzu lange sollte man dieses Power-Setting dennoch nicht stehen lassen. Zum einen ist die zulässige Startleistung auf fünf Minuten limitiert, zum anderen rauschen währenddessen 33 l/h Benzin durch die Vergaser. Im Reiseflug korrespondieren 26 inHg Ladedruck mit einer Drehzahl von 5000 U/min, und die D-MCAT fliegt mit 150 km/h – wenn überhaupt – nur wenig schneller als die Version mit Saugmotor.

Der größte Vorteil der Turbo-Savage liegt in den Leistungsreserven – sei es in den Bergen oder zum Winterflugbetrieb mit Kufen. Oder auch, wenn es darum geht, physikalisch ungünstige Flugzustände zügig wieder zu verlassen, etwa beim Durchstarten aus niedriger Höhe mit voll ausgefahrenen Landeklappen. Auch wenn sie vorher im Reiseflug ein paar Knoten Speed gekostet haben, die großen Ballonreifen ermöglichen traumhaft weiche Landungen und kämen im Bedarfsfall auch mit schwierigem Untergrund klar.

Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit? Der spezifische Kraftstoffverbrauch (g/kWh) liegt beim Turbo sogar ein wenig niedriger als beim Saugmotor. Wer für ihn mit 15 l/h etwa den gleichen Durchschnittsverbrauch rechnet wie für die 100-PS-Vergaserversion, liegt sicherlich nicht völlig falsch.

Auf die D-MCAT warten jedenfalls noch interessante Aufgaben. In der Antdorfer Halle liegen bereits die Kufen für den bevorstehenden Winterflugbetrieb. Und spätestens wenn im Frühjahr wieder die Segelflugsaison beginnt, wird die Turbo-Savage mit ihren Fähigkeiten als Schleppmaschine gefragt sein. Beim Schlepp von leichteren Seglern der Club- und Standard-Klasse dürfte sie nur schwer zu schlagen sein.

Ist sie also die schlichtweg ideale Version der Savage? Selbst in seiner Eigenschaft als Flugzeugverkäufer beantwortet Tom Huber diese Frage nicht mit einem klaren Ja. Mit der Leistung des Turbo-Rotax sei die Savage nur dort sinnvoll einzusetzen, wo diese aus flugbetrieblichen Gründen unbedingt gebraucht werde. Auch über die komplexere Bedienung und Wartung des Turbomotors sollte sich ein Interessent im Klaren sein. Nicht zuletzt jedoch auch über den erheblichen Mehrpreis. Er liegt bei 16 300 Euro (inklusive Steuer) und beinhaltet nicht nur den Turbomotor selbst, sondern auch die zusätzlichen Anpassungen, um das UL auf der Waage salonfähig zu halten. Insgesamt kostet eine Turbo-Savage mit Rettungssystem, Grund­instrumentierung und Funkgerät 82 600 Euro. Dafür erhält man ein hochwertiges und robustes Flugzeug, das in keiner fliegerischen Situation schlappmacht. Einen Teil des Preises erstattet die Savage in Form von emotionaler Währung zurück: mit Charme und einem hohen Wiedererkennungswert.

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Technische Daten

Zlin Aviation Savage Cruiser Turbo

Hersteller:
Zlin Aviation, Tschechien Zulassung: LTF-UL Sitzplätze: zwei in Tandemanordnung Bauweise: Schulterdecker in Gemischtbauweise Rettungssystem: Junkers Magnum Internetadresse: zlinaero.com

Antrieb
Hersteller: BRP-Powertrain

Bauart: Vierzylinder-Boxermotor mit Turbolader
Typ: Rotax 914
Leistung: 84 kW/115 PS

Propeller
Hersteller: Aerobat
Material: Holz, starr

Abmessungen
Länge: 6,39 m
Spannweite: 9,31 m
Höhe: 2,03 m
Flügelfläche: 14,2 m2

Massen und Mengen
Leermasse: ab 295 kg
MTOW: 472,5 kg
Treibstoff: 68 l/49 kg

Flugleistungen
zul. Höchstgeschw.: (VNE)179 km/h
max. Reisegeschwindigkeit: 166 km/h
bestes Steigen: 1500 ft/min / 7,6 m/s
Klappengeschwindigkeit: (VFE)90 km/h
Überziehgeschwindigkeit: (VSO) 58 km/h
Startstrecke über 15-m-Hindernis: 140 m
Reichweite: 600 km

aerokurier Ausgabe 12/2014

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