Heiße Kohle aus Italien
Raoul Amon liebt die Geschwindigkeit. „Je schneller, desto besser“, lautet sein Motto. Seine Leidenschaft gilt schnellen Autos aus Zuffenhausen ebenso wie sportlichen Flugzeugen. Und er schätzt von Berufs wegen gelungenes Design – seinen Lebensunterhalt verdient er mit dem Erstellen von technischen Dokumentationen und Grafiken.
Kein Wunder also, dass es auf der AERO 2011 gefunkt hat. Da stand sie, die Freccia, ein rassiger Composite-Tiefdecker aus Italien, der punktgenau in Raoul Amons Vorstellung vom idealen Ultraleichtflugzeug passte. Schnell sollte sie sein, versprach der Hersteller Pro.Mecc, schön war sie sowieso, und dazu noch erstaunlich preiswert. Als dann noch die Chemie zwischen dem deutschen UL-Piloten und dem Flugzeugbauer stimmte, war klar, dass Raoul Amon das Flugzeug in Deutschland vermarkten würde. Heute, drei Jahre später, steht die Musterzulassung ganz kurz bevor.Auf der AERO soll sie voraussichtlich überreicht werden.
Moment mal! Noch ein Composite-Tiefdecker? Es ist kein Geheimnis, dass hierzulande bereits etliche dieser UL-Renner zugelassen sind. Das weiß auch die Mannschaft von Pro.Mecc, die die Kunden mit einem exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis von der Freccia überzeugen möchte. Ab 83000 Euro gibt es das Schmuckstück aus Kohlefaser, inklusive Rettungssystem, Rotax 912 S, Funkgerät, Radverkleidungen und vielem mehr. International geht die Low-Cost-Strategie von Pro.Mecc jedenfalls bestens auf – rund 40 Freccia fliegen unter anderem in Belgien, Italien, Frankreich, Spanien und Australien.
Wir treffen Raoul Amon am Flugplatz Schönhagen. Dort, vor den Toren Berlins, hat er seine D-MAMX stationiert. Der ultraleichte Renner weckt die pure Lust aufs Fliegen. Sein rot-weiß-schwarzes Outfit vermittelt Dynamik und Geschwindigkeit, hebt sich von der weißen Standardkost anderer Composite-Flugzeuge ab. Im seitlichen Rumpfbereich, unter dem Freccia-Schriftzug, und unter dem Rumpf darf der Betrachter einen Blick auf die Kohlefaserstruktur werfen. Überhaupt dreht sich bei diesem Flugzeug alles um die Kohle, nicht nur beim Preis. Mit einem Anteil von 90 Prozent ist Carbonfaser der wichtigste Werkstoff. Laminiert wird die Freccia von Hand in Massivbauweise.
Aerodynamisch setzt Pro.Mecc auf Bewährtes. Die Flügel mit ihren 55-Liter-Tanks sind mit zwei unterschiedlichen NACA-Profilen aerodynamisch geschränkt. Die Wölbklappen lassen sich elektrisch bis zu 35 Grad ausfahren.
Ein Start wie am Gummiseil





Zeit zum Einsteigen. Sofort fallen mir die mit Klettband fixierten Sitzlehnen auf. Das spart Gewicht und ist – überraschenderweise – erstaunlich bequem. Dahinter befindet sich das Gepäckfach, das 25 Kilogramm aufnehmen darf.
Ebenfalls von Raoul Amon stammt das Layout des CNC-gefrästen Panels aus Alu-Dibond-Platten. Mit seinem roten Rahmen aus Leder und den roten Linien um die Instrumente setzt es optische Akzente. An der Übersichtlichkeit gibt es nichts auszusetzen. Gas- und Bremshebel, Benzinhahn sowie Klappen- und Propellersteuerung versammeln sich rund um die Mittelkonsole. Die Instrumente präsentieren sich in klassischer Sixpack-Formation, ergänzt um ein Galaxy-Tab mit der Skymap-App als Navigationshelfer. Optional können Kunden größere Mengen an „Glas“ von Dynon, Flymap und Garmin ordern. Derart üppig ausgestattet, durchbricht dann aber selbst die Freccia die 100000-Euro-Schallmauer.
Am Boden präsentiert sich die Freccia als problemloses Flugzeug. Bremswirkung, Rolleigenschaften, ruhiger Motorlauf – beim Rollen zur Bahn 07 passt alles. Entschlossen fräsen sich die drei Blätter des Constant-Speed-Propellers durch die Luft, angetrieben von 100 munteren Rotax-PS. Wie am Gummiband schießt die Freccia erst nach vorn, dann nach oben. Mit 110 km/h am Stau geht es steil rauf, mit 120 km/h flacht der Winkel auf ein angenehmes Maß ab. Einsitzig sind 7,5 m/s Steigen möglich, doppelsitzig sind unsere Werte nicht viel schlechter.
aerokurier Ausgabe 08/2013