Pilot Report
TAF3 Flamingo

Seit der AERO im Frühjahr drängt ein weiterer slowenischer Flugzeugbauer auf den Markt: TAF3. Wir sind mit der brandneuen Flamingo in die Luft gegangen.

TAF3 Flamingo

Sowohl den Prototyp als auch das Vorserienmodell eines neuen Flugzeugs für einen Pilot Report zu fliegen, ist schon etwas Besonderes. Bei der TAF3 Flamingo bot sich dem aerokurier diese ex­klusive Gelegenheit. Das grün-weiß lackierte Vorserienmodell in Carbon-Kevlar-Composite-Bauweise wurde erstmals auf der AERO im Frühjahr präsentiert: als komfortabler, schneller, leicht zu beherrschender Tandemsitzer mit guten Kurzstart- und -Landeeigenschaften, der von der Anfängerschulung bis zum Kunstflugtraining und F-Schlepp ein weites Einsatzspektrum bieten soll.

Die dazu nötige Leistung bezieht das Flugzeug aus Belgien und Neuseeland. Der 350iSA von UL Power ist ein rückenflugtauglicher, luftgekühlter Vierzylinder-Boxer, der einen Zweiblatt-Verstellpropeller von Airmaster antreibt. Das Aggregat schöpft aus dreieinhalb Litern Hubraum bei 3300 U/min 130 PS und erreicht sein maximales Drehmoment von 320 Nm bereits bei 2400 Touren. Die TBO geben die Belgier mit 1500 Stunden an. Der Proto­typ in rot-weißem Dekor war – noch mit einem Rotax-Motor mit verstellbarem Kaspar-Dreiblattpropeller ausgestattet – schon in den Vorjahren in Friedrichshafen zu sehen. Er stand bereits gut einen Monat nach der Messe in Gorizia an der italienisch-slowenischen Grenze für unsere Testflüge zur Verfügung. Für das Vorserienmodell mussten wir uns aber bis zum Spätsommer gedulden. 

Unsere Highlights

Vielversprechender Prototyp

Doch schon bei diesem ersten Besuch werden die hohen Ansprüche, die die jungen slowenischen Flugzeugbauer an ihre erste Entwicklung stellen, deutlich. Das fängt schon beim Ein­steigen an. Die Kabine ist mit 85 Zentimetern ungewöhnlich breit. Man sinkt in einen lederbezogenen Schalensitz, der von zwei ebenfalls lederbezogenen breiten Armablagen eingefasst wird. Aus der linken Lehne lugt der Gashebel, sämtliche Knöpfe und Schalter sind in einer Reihe unten auf dem Panel angebracht, der Tankwahlschalter sitzt in der Konsole darunter. Die Sicht aus dem vorderen Sitz ist gut, der hintere Sitz ist etwas höher positioniert, sodass man auch von dort einen guten Überblick hat. Nach dem Schließen der Haube bleibt noch eine knappe Handbreit Platz über dem Kopf. Die Oberschenkel ruhen bequem auf der langen Sitzfläche, die Beine sind angewinkelt – so kann man bequem fliegen.

Nach dem Anlassen muss ich mich aber erst mit dem Rollen vertraut machen. Der Prototyp verfügt noch über ein ungelenktes geschlepptes Bugrad. Im Radfahrertempo lässt sich nur über die Bremsen manövrieren, was ein wenig Übung erfordert. Da wir die aktive Piste 07 im Backtrack erreichen, bleibt mir dazu genügend Gelegenheit. Der Start der Flamingo erfolgt mit der ersten Klappenstufe, bereits nach gut 100 Metern sind wir in der Luft. Leider verabschiedet sich gleich auf diesem ersten Flug die Steuereinheit des tschechischen Verstellpropellers, und so beschränken wir uns, die Propellerblätter konstant in Startstellung, auf wenige Flugminuten in unmittelbarer Platzumgebung. Mit reduziertem Gas kann ich zumindest ein paar Manöver fliegen, die mich mit dem Handling und dem Flugverhalten vertraut machen.

Das Flugzeug liegt satt in der Luft und reagiert sehr direkt auf kleinste Rudereingaben. Auch ein paar Stallversuche sind vor der Landung drin. Ohne Gas und ohne Klappen wird der Prototyp, dessen Fahrtmesser noch metrisch skaliert ist, bei 60 km/h weich und will mit der Nase herunter. Ich halte den Stick gezogen und kann das Flugzeug problemlos mit den Seitenrudern stabil halten. Bei 55 km/h gehen wir in den Sackflug über, der sich sofort ohne merklichen Höhenverlust beenden lässt.

Bei einem zweiten Versuch mit vollen Klappen und Gas sackt der Tandemsitzer erst bei deutlich unter 50 km/h durch. Aerodynamisch scheinen die Slowenen alles richtig gemacht zu haben, auch die Landung ist unspekta­kulär. Seitenwindböen nach dem Aufsetzen erfordern ordentlich Seitenruder, um die Centerline zu halten, die Bremsen sollte man in dieser Phase besser nicht hinzuziehen.

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Testflug mit „starrem“ Prop

Weil für die defekte Steuereinheit kein Ersatz greifbar ist, wollen die Techniker weitere Flüge mit einem Fixed Pitch ermöglichen. Dazu wird die Steuereinheit ausgebaut, die Propellerblätter in einer mittleren Stellung fixiert. An Fliegen am Limit ist damit zwar nicht zu denken, angesichts der kurzen Startstrecke kommen wir aber auch so problemlos in die Luft. „Die Flächenprofile haben sich in der Flugerprobung als so effizient gezeigt, dass wir die erste Klappenstufe beim Vorserien­modell schon mit zwei Grad weniger ausgelegt haben“, sagt Aleksander Spazzapan, einer der Chefs und Testpilot von TAF3. Auch ein Überlandflug mit ein wenig Airwork und die geplanten Air-to-Air-Aufnahmen sollten mit dem Pro­visorium möglich sein. Nur richtig schnell werden wir so nicht fliegen können.

Als ich tags darauf im Fotoflugzeug sitze, kommt Aleksander in einer Rolle von hinten an die Cessna heran. Ins Bild bekomme ich ihn so zwar schlecht, aber die Agilität der Flamingo beeindruckt. Ich freue mich auf den Nachmittag. Da will sein Kompagnon, Dr. Franc Šalamun, mit mir zu einem Flug in die slowenischen Berge aufbrechen. Dabei soll ich Gelegenheit bekommen, die Flamingo auch vom hinteren Sitz aus zu erleben. Die Sichtverhältnisse sind auch dort ziemlich gut, sogar das Navigationsdisplay in der Mitte des vorderen Panels bekomme ich von hinten in den Blick. Was mich ein bisschen stört, ist die kleine, meines erhöhten Sitzes geschuldete Bodenstufe. Deren Kante drückt etwas auf meine Waden, wenn ich in hinterster Sitzeinstellung die Füße auf die Pedale lege, sodass meine Oberschenkel bequem vorn auf der Sitzfläche ruhen. Aber die Landschaft und das Flugzeug lassen mich das schnell vergessen. Bei 25 inch Ladedruck und 5000 Touren sind wir mit rund 180 km/h unterwegs. Mit einem beherzten Zug am Stick verlieren wir gute 40 km/h, wobei das Variometer auf knappe 4000 ft/min hochschnellt – schade, dass der Verstellprop nicht funktioniert und der Serien-Rotax nicht rückenflugtauglich ist.

Bei unserer Rückkehr vervollständigt Tomaž Miletič das Flamingo-Trio – TAF3 steht für die Initialen der drei Firmeninhaber Tomaž, Aleksander und Franc. Nun will ich natürlich auch wissen, woher die Bezeichnung Flamingo rührt. „Ich wollte auch Francos Initialen mit im Namen haben“, erklärt Aleksander. Von Franco Orlando stammen das Design und die aerodynamischen Berechnungen zur Flamingo. Der Mann aus Monfalcone ist hier kein Unbekannter, bereits für Pipistrel hat er das Design verschiedener Muster verantwortet. Auch ihn lerne ich bei meinem Besuch kennen und erfahre, dass er die Flächen aus sechs unterschiedlich profilierten Segmenten gestaltet hat und das Flugzeug mit 1,5-fachem Sicherheitsfaktor auf Belastungen von bis zu 6 g positiv und negativ bis auf 3 g berechnet ist. Meine Neugier auf den grün-weißen Nachfolger steigt.

Das Warten hat sich gelohnt

Ende August ist es endlich so weit. Der Jungfernflug verlief erfolgreich, alle wesentlichen Änderungen haben sich gleich zu Beginn der Flugerprobung bewährt. Bei meinem zweiten Besuch im Hangar von Gorizia kann ich alt und neu direkt nebeneinander vergleichen.

Aus dem Bug lugt nun in stumpfem Winkel ein massives Standrohr, an dem mit einer Gasdruckfeder das Bugrad hängt. Über zwei Schubstangen wird es von den nun deutlich straffer abgestimmten Seitenruderpedalen angesteuert. Auch das Seitenruder ist um ein paar Zentimeter nach hinten gewachsen und verfügt nun über eine um zehn Prozent größere Oberfläche für eine bessere Wirksamkeit bei niedriger Fahrt und Crosswind. Die Cowling wurde an den neuen Motor optimal angepasst, und natürlich sticht der neuseeländische Zweiblattprop in Carbonoptik ins Auge. Die setzt sich auch im Inneren fort. Das Panel und die Armlehnen sind jetzt ebenfalls in Carbonoptik gehalten, die Unterarme ruhen nach wie vor auf Lederpolstern. Nur sind die seit­lichen Konsolen jetzt bis an das Panel durchgezogen. Links vor dem Gashebel sitzen sämtliche Lichtschalter, rechts die Sicherungen. Das Panel, in das neben dem Navigations­display noch ein zweites zur Motorüberwachung eingezogen ist, ist so noch übersichtlicher geworden. Der Hauptschalter ist auf die Konsole vor dem Stick gewandert. Mit der Absenkung der Sitze zugunsten der Kopffreiheit ist auch die monierte „Wadenkante“ entschärft, gleichwohl ist die Sicht unverändert gut. Richtig neugierig bin ich nun auf die Leistung. 30 Pferdchen Zuwachs sind bei einem Flugzeug dieser Klasse ja nicht ohne.

Ich raste den Sitz in der hintersten von vier Positionen ein, Aleksander reicht mir die Checkliste: „Mit der fliegst du das Ding nach ein paar Platzrunden solo“, sagt er. Ich frage nach, ob die Reihenfolge auf dem Papier stimmt. Vor dem Betätigen des Hauptschalters soll der erste Zündmagnet geschaltet werden, der zweite erst danach. Dazu hat man aber 15 Sekunden Zeit, ehe der nötige Treibstoffdruck aufgebaut ist.

Ein kurzer Druck auf den Anlassknopf, und der Belgier brabbelt los. 1200 Touren liegen an, die Checks vor dem Startlauf erfolgen nur 300 U/min darüber. Auf dem Weg dorthin lässt sich die Flamingo nun mit minimalen Druck­änderungen meiner Fußballen spielerisch dirigieren. Am Rollhalt schärft mir Aleksander noch zwei Dinge ein: Im Startlauf müsse die Drehzahl bis auf 3300 Touren ansteigen, ansonsten solle ich abbrechen. Und gleich nach dem Anrollen den Stick gerade so weit nachlassen, dass sich das Bugrad schon bei 20 KIAS eine Handbreit von der rauen Grasbahn hebt.

Ich setze die erste Klappenstufe und schiebe den Gashebel nach vorn. Bei 50 KIAS sind wir vom Boden weg und gehen nach leichtem Nachdrücken mit 65 KIAS in den Steigflug. Bei 300 Fuß AGL fahre ich die Klappen ein und drehe den Propschalter von Takeoff auf Climb. Das Steuergerät Airmaster AC200, das mit der Motorsteuerung kommuniziert, senkt nun die Drehzahl auf die vom Motorhersteller angegebene maximale Dauerbelastung. Den Gashebel nur daumenbreit zurückgezogen, geht es mit 2800 U/min bei 75 KIAS querab.

Auf 750 Fuß drehe ich in den Gegenanflug und stelle den Propregler auf Cruise, nun liegen 2600 U/min an. Nach dem Austrimmen in 1000 Fuß weist das Glaspanel eine Groundspeed von 135 Knoten aus – gestartet waren wir mit fünf Knoten auf der Nase! Ich ziehe den Gashebel in Mittelstellung zurück und drehe den Prop-Schalter wieder auf Climb. Noch etwas weniger Gas, den Prop in Takeoff-Stellung und zum Fahrtabbau Höhe halten. Der Drehzahlmesser weist 2200 Touren aus, beim Eindrehen in den Queranflug bin ich bereits auf 70 KIAS herunter und kann die ersten beiden Klappenstufen schalten. Nun liegen noch 65 KIAS an, nach Setzen der dritten Klappenstufe muss ich nachdrücken, um die Anfluggeschwindigkeit bei 60 KIAS zu halten. Die Effektivität der letzten Klappenstufe erinnert mich an Cessnas 40-Grad-Stellung. Sicher hätte auch die zweite Klappenstufe für den Anflug mit 65 KIAS zur Landung gereicht. Um langsam und steil auch auf kurze Bahnen abzusteigen, ist die letzte Klappenstufe so wirksam ausgelegt, dass es in ruhiger Luft sicher noch ein paar Knötchen langsamer geht. Ich halte aber 60 KIAS und lasse bis zur Baumreihe am Bahnbeginn das Gas noch etwas stehen. Im Ausschweben ist die Fahrt schnell auf 45 KIAS herunter, nach wenigen Metern setzt sich die Flamingo sanft ins Gras. Mann, fliegt die sich einfach! So einfach, dass Aleksander mich nach ein paar Touch-and-gos tatsächlich allein losschickt – und ich mich wundere, wie wenig ich das nun hinter mir fehlende Gewicht bemerke.

Die Flamingo macht einen extrem ausgereiften Eindruck, Verarbeitung und Ausstattung lassen kaum Wünsche offen, eine Variante mit Einziehfahrwerk ist geplant. Als UL-Projekt gestartet, teilt es die Gewichtsprobleme mit anderen hochperformanten UL-Entwicklungen. Knappe 400 Kilogramm wiegt die Flamingo leer, als UL wird sie bereits mit italienischer Zulassung angeboten. Damit sind Abfluggewichte bis 600 Kilo kein Problem, eine EASA-Zertifizierung ist in Vorbereitung. So wäre nach CS-23 eine Zulassung für den Kunstflug möglich. Die könnte die Flamingo auch in den Fokus gewerblicher ATOs rücken, die bis zu CPL und ATPL ausbilden. Denn das Thema UPRT (Upset Prevention and Recovery Training) dürfte die Nachfrage nach dafür geeigneten Mustern befeuern. Mit seinen Flugeigenschaften, varianten- und ausstattungsabhängigen Preisen um 150 000 Euro mit Festfahrwerk sowie Betriebskosten eher aus dem UL- denn Kunstflugzeug-Bereich verdient die Flamingo sicher auch deren Aufmerksamkeit.

Interview Franco Orlando - Designer der TAF3 Flamingo

Franco Orlando, der Designer der TAF3. Foto und Copyright: Miro Majcen

Von Franco Orlando stammt das Design zur TAF3 Flamingo. Mit seinen Entwürfen stand er Pate für das Traumprojekt Aleksander Spazzapans.

Franco, von dir stammen das Design und die aerodynamischen Berechnungen zur Flamingo. Wie bist du mit Aleksander zusammengekommen?

Ich kannte Sandor, so Alexanders Spitzname, schon durch seinen Vater, einen Piloten der früheren jugoslawischen Luftwaffe. Der war später begeisterter Modellflieger, der für sein Hobby immer zu uns auf die italienische Seite nach Gorizia kam. Das muss so in der ersten Hälfte der 1980er Jahre gewesen sein. Sandor hat dort als Segelfluglehrer geschult und wusste natürlich, was ich so mache. Durch die Erfahrungen mit seiner Flugschule Pegasus wollte er später unbedingt etwas bauen, das zur Anfängerschulung besser geeignet war als die Muster, die ihm damals für die Flugausbildung zur Verfügung standen.

Wie lange hat es von eurem Kennen­lernen bis zum Erstflug der Pegasus Flamingo gedauert?
Oh, das war eine lange Zeit, weil wir uns ja schon sehr lange kannten. Die Idee zur Flamingo hatte er 2003, wenn ich das richtig erinnere, und bis zum Erstflug sind bestimmt noch einmal zehn Jahre vergangen.

Was war für dich die größte Herausforderung bei dem Projekt?
Nun, das waren ganz ohne Zweifel Sandors Anforderungen. Denn er wollte nicht bloß ein gutes Schulflugzeug, es sollte außerdem schnell und sparsam sein, um Interesse auch bei privaten Käufern zu finden. Und es sollte sehr sicher sein und ausgezeichnete Langsamflugeigenschaften haben! Ungeübte Piloten und Flugschüler sollten also möglichst von einem Stall nicht überrascht werden und über­zogene Flugzustände leicht wieder in den Griff bekommen; erfahrene Piloten sollten es mit kurzen Startstrecken in die Luft bekommen und für extreme Kurzlandungen herunterhungern können. Das setzt natürlich auch eine gute Ruderwirksamkeit bei hohen Anstellwinkeln voraus. Außerdem sollte es so angelegt sein, dass später auch eine Version mit Einziehfahrwerk möglich wäre. Und schließlich hatte Sandor ja schon in seinem Blaník immer Spaß am Kunstflug – das sollte die Flamingo also auch noch können.

Klingt aber schwer nach eierlegender Wollmilchsau ...
Das stellte insbesondere an das Design der Tragflächen hohe Anforderungen. Die durften wegen der Option des Einziehfahrwerks nicht zu dünn ausfallen, mussten aber eine hohe aerodynamische Güte und Stabilität bis zum einfachen Kunstflug aufweisen.

Und wie hast du das hinbekommen?
Naja, die konstruktiven Berechnungen für die Struktur waren ja nicht meine Aufgabe, die hat ein slowenischer Ingenieur geleistet. Meine Aufgabe bestand im aerodynamischen Design der Zelle und der Flächen einschließlich der Berechnungen der Flugeigenschaften und Entwürfe. Schau dir mal die heute noch gängigen Schulungs- und Reiseflugzeuge an. Wenn du so eine Piper Cub nimmst oder meinetwegen auch die 152er oder 172er Cessnas, hast du eine recht einfache Gestaltung der Tragflächen. In der Allgemeinen Luftfahrt hat man sehr lange auf die gängigen Profile des Göttinger Katalogs oder der NACA gesetzt. Für die C 150 und auch die 172 und 182 hat man NACA-2412-Profile genommen, die man außen einfach etwas modifizierte. Bei der 152er Cessna hat man dieses Profil einfach mit dem NACA 0012 kombiniert, also innen zur Wurzel das 2412 und außen an den Flächen das ungewölbte 0012. Man wusste einfach, was man wollte, und hat ein entsprechendes Profil genommen. Bei den modernen Verkehrsflugzeugen und inzwischen auch bei denen der Allgemeinen Luftfahrt haben wir durch das theoretische Wissen und die Rechenkapazität heutiger Computer die Möglichkeit, den um­gekehrten Weg zu gehen und die Profile auf die gewünschten Flugeigenschaften genau zuzuschneiden. Das erleichtert auch die Kombination geometrischer und aerodynamischer Schränkungen.

Wie muss ich mir das konkret vorstellen?
Du kannst heute mit unterschiedlichen Einstellwinkeln, Schränkung, Wölbung und Dicke an verschiedenen Positionen einer Fläche perfekt spielen. Bei der Flamingo haben wir genau das getan. An der Flächenwurzel zum Beispiel haben wir einen Einstellwinkel von 0,4 Grad, den wir einen halben Meter vom Rumpf entfernt bis etwa zum Querruder auf 2,4 Grad ansteigen und an dessen Ende wieder auf 1,3 Grad abfallen lassen. Zum Flügelende sinkt er weiter auf 0,7 Grad. Die Flügelnase weist dabei an der Wurzel recht steil nach unten auf minus 2,0 Grad, liegt im mittleren Bereich des Einstellwinkels von 2,4 Grad dann bei null, um zur Flügelspitze wieder auf minus 1,7 Grad abzufallen. Wir haben also im Grunde genommen eine Tragfläche, die aus mindestens sechs unterschiedlich profilierten Segmenten kombiniert ist und bei einem hohen Auftrieb und geringem Widerstand an einem relativ dicken Flügel einen hohen Auftriebskoeffizienten bis in Stallnähe erhält.

Von dir stammen noch eine ganze Reihe weiterer Entwürfe inzwischen bekannterer Flugzeuge wie dem Fly Synthesis Storch oder der Synchro sowie die Pipistrel-Muster Sinus und Virus. Dabei hast du nie ein Ingenieurstudium oder eine Ausbildung in der Luftfahrt absolviert. Wie bist du da zur Konstruktion von
Flugzeugen gekommen?

Als Autodidakt. Ich bin mitten im Zweiten Weltkrieg geboren, als um meine Heimatstadt Monfalcone und um Treviso erbitterte Luftkämpfe zwischen den Deutschen und den Alliierten tobten. So habe ich schon als kleiner Junge begonnen, Flugzeugsilhouetten auf Wände zu zeichnen und Unterschiede zu bemerken, und war von den Flugzeugent­würfen so fasziniert, dass ich seither keine Gelegenheit mehr ausgelassen habe, mir die verschiedenen Designs von Jagdflugzeugen und Bombern genau anzusehen. Auf Zeichnungen, in Büchern und natürlich live. Einmal hatte ich sogar Gelegenheit – da war ich schon etwas älter – mit einem ehemaligen Piloten eines Jagdflugzeugs der italienischen Luftwaffe einen Kunstflug mitzuerleben. Später habe ich mich zunächst dem Bootsbau gewidmet, und wenn man sich ein eigenes Boot baut, muss man sich auch mit der Strömungslehre befassen. Außerdem scheint die Mathematik bei unserer Familie im Blut zu liegen. Mein älterer Bruder hat einmal aus einem bei Monfalcone gekenterten deutschen U-Boot eine Enigma geborgen, die heute noch in unserem Familienbesitz ist. Irgendwann Mitte der 1980er Jahre hat mich dann ein Freund gefragt, ob ich ihm nicht beim Bau eines Microlight helfen wolle, so kam ich schließlich zum ersten Flugzeugbau. Das Ding war aus Alu und kam auf ein Gewicht von nur 164 Kilo! Jedenfalls bin ich seither in bestimmt 20 Projekte involviert – vom Flächendesign der ersten Version der Alisport Silent bis zur Entwicklung militärischer Drohnen. Und natürlich der Flamingo. Ich freue mich riesig, dass Sandor nun zwei starke Partner für die Weiterentwicklung und den Vertrieb finden konnte, mit denen er ein tolles Vorserienmodell in die Luft gebracht hat. Und  ich bin stolz, bei dieser Entwicklung Pate gestanden und ihm bei der Verwirklichung seines Lebenstraums geholfen zu haben.

Das Interview führte Frank Martini

aerokurier Ausgabe 12/2017

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