Staunen beim Erstflug: Startet da eine echte Bücker?
Dieser Motor! Mit heiserer Stimme röhrt der Walter Micron IIIC sein Lied vom Fliegen aus den vier Auspuffrohren. 82 PS aus 2,8 Litern Hubraum, verteilt auf vier in Reihe hängende, vom kühlenden Luftstrom umgebene Zylinder – da geht was! Direkt, ohne den Umweg über ein Getriebe, treibt die Kurbelwelle den Woodcomp-Holzpropeller an. Gasstöße quittiert die Nadel des übergroßen, rechts außen an der Bordwand angebrachten Drehzahlmessers mit munteren Hüpfern über die Skala.
Peter Funk zieht es bereits beim Standlauf die Mundwinkel zu den Ohren. Nach ein paar Minuten stellt er den Motor ab, unterbricht damit jäh die akustische Zeitreise in die 1930er Jahre. Bei unserem Treffen in Speyer, kurz vor der AERO, ist der Pilot und Ingenieur erleichtert: „Den Zeitplan haben wir nahezu eingehalten, alle Systeme funktionieren und der Messeauftritt ist gesichert.“ Das ist keineswegs selbstverständlich bei solch einem ehrgeizigen Projekt. Vor etwa anderthalb Jahren hat Peter Funk im Namen seines Unternehmens B&F Technik eine Kooperation mit dem tschechischen Flugzeugbauer Podešva Air auf den Weg gebracht. Das Ziel: eine Neuauflage der Bücker Bü 131 Jungmann als UL und Experimental auf Basis der frühen A-Version, die im April 1934 ihren Erstflug hatte. Die Bezeichnung Jungmann darf das Flugzeug ganz offiziell tragen, nachdem B&F die Namensrechte erworben hat.
Ganze 78 Jahre später, im Oktober 2012, startete die Neuauflage der Jungmann in Tschechien zum Erstflug. Am 14. April 2013 hat Peter Funk den Doppeldecker zum ersten Mal im heimischen Speyer von der Bahn genommen. „Mein erster Flug mit der Jungmann war super! Die Zaungäste waren sich einig, dass da eine echte Bücker startet, hat man mir hinterher versichert.“ Kein Wunder, angesichts der authentischen Optik, des kernigen Klangs und des tschechischen Kennzeichens OK-RUD, das hierzulande kaum jemand einem UL zuordnet. Nur wer genau hinschaut, entdeckt die deutsche Kennung D-MRUD unterm Leitwerk, ein Indiz für die kürzlich vom DAeC erteilte VVZ.
Als Experimental mit 520 kg MTOW erhältlich

Bei der Frage nach dem für die UL-Musterzulassung obligatorischen Lärmtest verhärten sich Funks Gesichtszüge für einen Moment. „Ja, das klappt schon.“ Schweigen. „Nee, so wird es wahrscheinlich nichts“, sagt er beinahe entschuldigend. „Es gibt schon ULs, zum Beispiel Kiebitze, die mit dem Walter Micron fliegen. Die haben aber eine andere Auspuffanlage.“ Hoffnung auf satten Klang besteht beim Experimental, da es weniger strengen Restriktionen unterworfen ist und obendrein mit 520 Kilogramm Abflugmasse starten darf.
Technisch ist das luftgekühlte Walter-Triebwerk jedenfalls ziemlich nah dran am Hirth HM 60 R, der mit seinen 80 PS einst die A-Reihe der Jungmann befeuerte. Das bedeutet Lust und Last zugleich. Einerseits unterstreicht die Jungmann damit ihren Anspruch auf Originalität. Andererseits verlangt der Motor Zugeständnisse von seinem Besitzer. „Es gibt halt nicht an jedem Flugplatz einen Mechaniker, der den Walter Micron warten und reparieren kann. Man muss den Motor akzeptieren wie er ist und darf ihn nicht mit einem Rotax vergleichen“, sagt Peter Funk.
Überhaupt ist die FK 131 Jungmann ein Gefährt für Individualisten. Sie weckt Emotionen, ist ein Augen- und Ohrenschmaus. Ein Oldtimer mit all seinen Stärken und Schwächen.
Schon der Einstieg auf den hinteren Sitz erfordert vom Piloten eine gewisse Akrobatik. Vorn die flache Windschutzscheibe, links und rechts die filigranen, nach unten klappbaren Metallbleche, die die Schultern des Piloten schützend umgeben. Allzu viele Möglichkeiten zum Abstützen bleiben da nicht. An den noch anspruchsvolleren Einstieg auf den vorderen Sitz für den Passagier mag ich erst gar nicht denken – muss ich auch nicht. Ein Probeflug steht ohnehin (noch) nicht auf dem Programm. „Ich habe mit der Jungmann nicht mal eine Stunde in der Luft verbracht, da nehme ich besser noch niemanden mit. Sicher ist sicher“, sagt Peter Funk.
Historische A-Reihe dient als Vorlage

Lieber erzählt er, wie das Projekt zustande gekommen ist. „Am Anfang war das so ein Spleen von mir“, meint der Doppeldecker- und Oldtimer-Fan, der die FK 12 Comet erfunden hat und bekennender Kiebitz-Fan ist. Zufällig hat er eines Tages einen Jungmann-Nachbau in Pirmasens gesichtet, ebenfalls aus der Schmiede von Podešva Air. Dieser war zwar längst nicht perfekt, doch ausschlaggebend für das, was folgen sollte. Beim Blick in historische Unterlagen wurde dem Konstrukteur bewusst, dass die frühe A-Reihe des Luftwaffentrainers aus heutiger Sicht in die UL-Klasse passen müsste.
Mit Podešva Air aus Újezd u Unicova, 75 Kilometer nordöstlich von Brünn gelegen, war auf Anhieb der passende Partner gefunden. Das kleine, vielleicht fünf Mann starke Familienunternehmen versteht sich bestens auf Gemischtbauweise und Kleinstserien. Originalpläne der Bücker Bü 131 A Jungmann wurden studiert und schließlich die Entscheidung gefällt: „Die bauen wir als UL!“ Um die Fertigungskapazitäten des Betriebs nicht zu sprengen, einigten sich die Beteiligten darauf, die Jungmann in einer auf zehn Exemplare limitierten Sonderserie aufzulegen. Peter Funk gab die Richtung vor und stellte die Berechnungen an, die Spezialisten aus Tschechien setzten seine Vorgaben in die Tat um. „Unser Ziel war es nicht, eine bestimmte Jungmann-Reihe bis ins Detail zu kopieren, sondern einen in sich stimmigen Nachbau zu kreieren.“
Ein Vorhaben, das gelungen ist. Das fängt beim Motor an und setzt sich im Cockpit fort. Die Rundinstrumente wirken zeitgenössisch, die Hebel für Gas und Trimmung sind dem Original nachempfunden. Auch das Äußere spiegelt den Zeitgeist wider. Das Bücker-Logo und die fünf Ringe der Olympischen Spiele von 1936 zieren die perfekt lackierte Oberfläche.
Ganz ohne Änderungen geht es nicht





Wie so oft bei Nachbauten historischer Vorbilder, ging es auch diesmal nicht ganz ohne Änderungen. Die eine oder andere davon werden Bücker-Kenner auf den ersten Blick registrieren. Die verlängerte Cowling etwa orientiert sich an der CASA, dem spanischen Lizenzbau. Das Gepäckfach hinter den Sitzen besitzt eine Blechabdeckung statt eines Reißverschlusses wie beim Original.
Gravierender sind die Modifikationen unter der Haube. Das zeigt sich bereits daran, dass die originale Jungmann rund 35 Kilogramm schwerer als das heutige UL war. Am meisten Potenzial, Gewicht zu sparen, bot der Walter-Motor; er wiegt 81 Kilogramm und somit 17 Kilogramm weniger als der Hirth. Um das Flugzeug wieder in die Balance zu bringen, musste der Motor vier Zentimeter weiter vorn eingebaut werden. Folglich kürzte Funk den Leitwerksträger in seinen Zeichnungen um sechs Zentimeter und verlängerte die Nase um eben diesen Wert. Original und Replikat messen 6,62 Meter in der Länge.
Um weiteres Gewicht zu sparen, wurde für das Leitwerk eine Aluminiumstruktur verwendet, die beim Vorbild aus Stahl bestand. Änderungen gibt es auch bei den im Rumpf verwendeten Stahlrohren, die einen Viertelmillimeter mehr Wandstärke als beim Original besitzen. Das überarbeitete Fahrwerk hat eine Luft-Öl-Dämpfung erhalten.
Das Profil der aus Holz gefertigten Flügel hat Peter Funk modifiziert, um die im Rahmen der Zulassung geforderten 65 km/h Mindestgeschwindigkeit zu erreichen. Für ein bestmögliches Verhältnis von Auftrieb und Widerstand kürzte er die Spannweite gegenüber dem Original um 15 Zentimeter. Eine Maßnahme, die zudem weiteres Gewicht spart.
„Der Prototyp hat ein Leergewicht von 298 Kilogramm. Wir haben ihn fünf Mal gewogen, aber es stimmt tatsächlich. Etwa zehn Kilogramm hätten wir sogar noch Spielraum nach unten, unter anderem durch den Einbau einer kleineren Batterie“, freut sich Peter Funk.
Fliegerisch ist die Jungmann ein Traum

Und wie fliegt die FK 131 Jungmann? Ziemlich gut, behauptet Funk: „Wow! Wenn das schon 1934 Stand der Technik war – was ist dann in den vergangenen 80 Jahren noch wesentlich besser geworden?“ So beschreibt er die FK 131 als agil, aber nicht nervös. Im Querruder sei sie ähnlich sensibel wie die FK 12 Comet. „Die Leistung ist mehr als ausreichend. Für den Start braucht man nicht mal Vollgas“, schwärmt er. Die erflogenen Daten entsprächen ziemlich genau dem historischen Vorbild. 150 km/h Reise sind drin, mit maximal 170 km/h geht es im Eiltempo vorwärts. Der rote Strich liegt im Rahmen der VVZ noch bei 180 km/h. Nach bestandenem Flattertest wird eine VNE von 253 km/h angestrebt. Das alles passt zum Charakter des Flugzeugs, das sich zumindest als Experimental für den Kunstflug eignet.
Ein geübtes Händchen braucht die Jungmann bei der Landung. Insbesondere auf Asphalt neigt der Doppeldecker zum Springen, außerdem ist er nicht gut auf Seitenwind zu sprechen – Eigenschaften, die man auch der originalen Jungmann nachsagt.
Die Frage, ob sich die FK 131 ebenso wie eine originale Bücker Jungmann der A-Reihe fliegen lässt, wird sich nicht beantworten lassen. Kein Exemplar der frühen Serie ist erhalten geblieben. Flugberichte sind nicht überliefert.
Preislich könnte die FK 131 Jungmann den einen oder anderen Oldtimer-Fan zum spontanen Kassensturz animieren. Das UL gibt es in der Einführungsphase für 76 000 Euro, später werden 80 000 Euro fällig, jeweils inklusive Steuer, aber zuzüglich Rettungssystem. Wer den Doppeldecker selbst bauen möchte, kann Bausätze ab 30.000 Euro ordern.
Update Januar 2015: Der Firmenname B&F steht heute ganz offiziell für Bücker & Funk.
aerokurier Ausgabe 06/2013