Selbst auf den modernen Segelflugpiloten, der stattliches Geflügel à la Duo Discus oder ASG 32 gewöhnt ist, macht ein Kranich Eindruck. Die Spannweite von 18,20 Meter wirkt durch die große Flügeltiefe viel wuchtiger als bei anderen Seglern, und auch der Rumpf ist gefühlt deutlich länger, als die 9,12 Meter vermuten lassen. Die einzige Nachkriegskonstruktion von Hans Jacobs, der bereits zu Zeiten der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) mit Flugzeugen wie Habicht, Weihe und dem Lastensegler DFS 230 Meilensteine des Segelflugs konstruierte, ist nicht nur optisch interessant. Auch technisch und luftfahrthistorisch gebührt ihr ein besonderer Platz, legte Jacobs das Flugzeug doch explizit auf den Leistungsflug aus.
„Der Kranich III kann als erster moderner Doppelsitzer der Nachkriegsära gelten“, sagt Alexander Willberg. Willberg ist Segelflieger, Fluglehrer und Geschäftsführer der Jugendbildungsstätte (JuBi) Ratzeburg, für die der rüstige Oldie heute auf dem Flugplatz Grambeker Heide fliegt. „Das Flugzeug war mit einer Gleitzahl von über 30 seiner Zeit um etliche Jahre voraus.“
Die JuBi hat den Kranich 2015 aus der Sammlung von Roland Strasser gekauft, berichtet Willberg. Der Kontakt zu dem Flugzeug-enthusiasten war einige Jahre zuvor entstanden, als die Einrichtung für ihn eine Gö-4 restaurierte. Die hatte er – mit schwerem Landeschaden – in den Niederlanden erworben.
Tatsächlich liegt der Schwerpunkt der Jugendbildungsstätte, die nach dem Vorbild dänischer Produktionsschulen Jugendliche und junge Erwachsene aus schwierigen Verhältnissen für eine Ausbildung qualifizieren soll, beim Flugzeugbau. „Immer wieder kommt dieselbe Frage auf: Jugendliche-Problemfälle und ein hochsensibles Thema wie Flugzeugwartung – wie passt das zusammen?“, bemerkt Willberg. „Das passt perfekt, weil wir unseren Teilnehmern Sorgfalt, Genauigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Teamgeist vermitteln wollen. Und wenn den Jugendlichen bewusst wird, dass sie später gegebenenfalls selbst in dem Flugzeug sitzen, an dem sie gerade schrauben, dann stellt sich genau das erfahrungsgemäß ein.“
Gleicher Anspruch wie ein LTB

Tatsächlich stellt man beim Blick in die Werkstatt der JuBi fest, dass hier nicht viel anders gearbeitet wird als in einem LTB. Unter der Regie von Werkstattleiter Volker Tank ist das kein Wunder, kommt er doch aus der kommerziellen Luftfahrt-Maintenance. Gerade wird eine Ka 8 überholt, mehrere Jugendliche arbeiten am Rumpf-skelett und an den Tragflächen. „Wir haben uns auf die Holz- und Gemischtbauweise spezialisiert, weil sie im Gegensatz zur Kunststoffbauweise keine Spezialkenntnisse erfordert“, erklärt Tank. Sägen, schleifen, bohren – das könne den Schülern leicht vermittelt werden, damit sei niemand überfordert. Die Überholung von Steuerelementen oder Neuanfertigung von Ersatzteilen sei Sache der JuBi-Metallwerkstatt. „Wir haben sogar einen Flugzeugschweißer in unserem Team, und die Abnahmen macht ein Bauprüfer des Landesluftsportverbandes.“
Alexander Willberg verweist nicht ohne Stolz auf die ansehn-liche Zahl von Flugzeugen, die die JuBi seit 2007 in neuem Glanz verlassen haben. „Mit einer Ka 2 hat alles angefangen, dann waren bestimmt drei ASK 13 dabei, ein Bergfalke und sogar ein SF-25C-Motorsegler – alles in allem dürften bisher 15 Flugzeuge durch unsere Werkstatt gegangen sein.“
Es gehe aber nicht allein um das Reparieren und Restaurieren an sich. „Das Wissen um den Holzflugzeugbau stirbt langsam aus. Da können wir mit unserem Engagement ein bisschen gegensteuern.“ Und das nächste Projekt steht ja schon auf dem Hof: der nun denkmalgeschützte Kranich III. „Als wir ihn übernommen haben, ging es zunächst darum, wieder ein eigenes Flugzeug zu haben, das sich leicht fliegen lässt und einem Flugschüler schnell Erfolgserlebnisse bringt“, sagt Willberg. Denn das Fliegen gehört auch zur JuBi, die sogar ein Segelflugzeug in ihrem Emblem trägt. „Ein Tag in der Woche wird ab Mittag auf der Grambeker Heide geflogen. Wer von unseren Jugendlichen Interesse hat, der kann bei uns die Segelflugausbildung bis zum ersten Alleinflug absolvieren.“ Für mehr reiche es meist nicht, da die Teilnehmer meist ein knappes Jahr in der JuBi blieben.
Dennoch ergänze die praktische Fliegerei die Arbeit in der Werkstatt perfekt. „Segelfliegen ist nichts anderes als Training von Schlüssel-qualifikationen wie Teamgeist, Verantwortung und Umsicht“, macht Willberg deutlich. Allerdings sei von Anfang an klar gewesen, dass man am Kranich Hand anlegen müsse. „Die Flächen sind noch gut, aber der Rumpf braucht eine Komplettüberholung, die nun natürlich unter Beachtung von Denkmalschutzbelangen erfolgen muss.“
Die notwendige Authentizität in Bezug auf Materialien und Farben betonte auch Anke Spoorendonk, Schleswig-Holsteins Ministerin für Justiz und Kultur, bei der Registrierung des Kranichs als technisches Denkmal. Doch ging es dem Ministerium um mehr. „Mit der Denkmalplakette soll nicht nur der Erhalt eines interessanten Flugzeuges unterstützt, sondern auch die Arbeit der JuBi und ihr Engagement für junge Menschen gewürdigt werden“, sagte Spoorendonk, deren Vater selbst Segelflieger war.
Denkmalflugzeuge in Deutschland





Denkmalflugzeuge in Deutschland
In Deutschland sind nach Recherchen von Bernd Junker 25 Flugzeuge als bewegliches technisches Denkmal registriert. Das bekannteste davon dürfte die Ju 52 D-AQUI der Deutsche Lufthansa Berlin-Stiftung sein. Außerdem gehören die Focke-Wulf Stieglitz von Claus Cordes und das einzige Exemplar des DDR-Sportflugzeugs EFS-100 Tourist, das im Besitz der Flugsportvereinigung Finsterwalde ist, dazu. Den Großteil der Denkmalflotte machen aber Segelflugzeuge aus, darunter die Muster SG 38, Ka 2, Gö 3 Minimoa, Gö 4, DFS Weihe, Grunau Baby, Mü 13D, Lommatzsch Lehrmeister, Favorit und Libelle, Doppelraab, Rhönbussard und die Akaflieg-Typen SB 5 und SB 10.
aerokurier Ausgabe 02/2017