Etwas Eindrucksvolleres als den Einsatz des bärenstarken V6-Diesels als Startmaschine für Segelflugzeuge auf dem vermeintlich gefährlichsten Flugplatz der Welt konnte sich die Werbeagentur von VW gar nicht vorstellen. Courchevel, in rund 2000 Metern Höhe inmitten eines faszinierenden Alpenpanoramas gelegen, bietet gerade mal eine 120 Meter lange ebene Fläche, dann fällt die Piste über 400 Meter steil ins Tal ab, anfangs mit einem Gefälle von mehr als 18 Prozent, über die letzten 134 Meter sind es noch 12,5 Prozent. An ihrem Ende öffnet sich abrupt der Abgrund.
Breit ist die Piste mit 80 Metern schon, aber kräftig gewölbt. Auf den 20 Meter breiten Randstreifen fällt sie mit fünf Prozent ab. Selbst der 40 Meter breite mittlere Betonstreifen wölbt sich mit zwei Prozent Gefälle zu den Seiten hin. Das ideale Areal, um mit einem SUV Stunts vorzuführen, in Powerslides atemberaubend nahe am unvermittelten Abgang ins Tal entlangzudriften. Und das alles, weil der Amarok ein Segelflugzeug, eine Antares, per Schlepp in die Luft bringt. Im Cockpit der Antares 23E: Klaus Ohlmann, der sich in dieser Gebirgsregion bestens auskennt.
Der Alpenexperte hat bei den Aufnahmen gerne mitgemacht. Wie immer hatte er das große Ganze im Blick, kann doch der kurze Werbeschnipsel eine gute Darstellung und Imagepflege für den Segelflug sein. Das über sechs Minuten von den Dreharbeiten erzählende Making-of-Video dürfte es auf jeden Fall sein. Und am Ende war es für die Beteiligten auch nicht bloß anstrengende Arbeit. Klaus Ohlmann: „Es hat riesig Spaß gemacht.“
In Ohlmann hatte die Werbeagentur auch gleich den Experten gefunden, der über seinen guten Namen und sein Verhandlungsgeschick die Genehmigung für die Autoschlepps in Courchevel überhaupt erst möglich machte. Denn der Hochgebirgsplatz ist nicht für Segelflug zugelassen.
Klaus Ohlmann: „Zuerst war die Mairie von Courchevel zu gewinnen, die anfangs von dem Unternehmen gar nicht begeistert war. Der Werbeeffekt für den Wintersportort hat den Gemeinderat schließlich zustimmen lassen.“ Die Luftfahrtbehörde DGAC in Lyon überzeugte Klaus Ohlmann mit einem sorgfältig ausgearbeiteten mehrstufigen Sicherheitskonzept.
Was passiert bei einem Seilriss? Wie kann der Start unterbrochen werden? Solche Fragen waren zu klären. Mit den vier Möglichkeiten, auszuklinken beziehungsweise den Start abzubrechen, gab es auch für die Behörde ausreichend Sicherheitsoptionen. Am Amarok bewährte sich dabei das auf der Anhängerkupplung aufgesetzte Tost-Schleppsystem mit Ausklinkvorrichtung.
Ein großes Sicherheitsplus brachte der zuverlässige Elektroantrieb der Antares mit seiner einfachen, sicheren Bedienung. Mehr als 30-mal ließ sich Klaus Ohlmann mit der Antares 23E vom Amarok in die Luft katapultieren. Beängstigende Situationen gab es für ihn bei keinem der Abflüge. Mit einem Griff war die Motorleistung da. Nach dem schlichten Vorschieben des Leistungshebels war der Motor ausgefahren und die volle Leistung vorhanden. Klaus Ohlmann: „Ich bin dann meist nur 100 Meter gestiegen und mit etwas Motorleistung gelandet.“ Schließlich geht es nach dem Aufsetzen auf der Piste steil bergauf.
Die guten Segelflugleistungen der Antares spielten eine nicht unerhebliche Rolle im Sicherheitskonzept. „Auch mit ausgefahrenem, nicht laufendem Motor hätte ich nach dem Start noch den Flugplatz Albertville erreichen können“, erklärt der Pilot. Für alle Fälle waren auf dem Weg dorthin auch noch ordentliche Außenlandefelder als zusätzliche Sicherheit.
Nach dem Abschwung von der Rampe in Courchevel sind es im Gleitflug vorbei an der Ortschaft ins Moûtiers-Tal zum über 1000 Meter tiefer gelegenen Bozel nur gut vier Kilometer, von dort aber noch rund 25 Kilometer durch die tief zerfurchte Tarantaise bis zu den ersten landbaren Feldern in rund 350 Metern Höhe. Solch eine Flucht in geringer Höhe über Grund, die Bergflanken rechts und links ganz nah, hätte auf jeden Fall jede Menge Angstpotenzial gehabt. Der Elektroantrieb der Antares hat aber nicht enttäuscht.
Ein paar Berechtigungen musste Klaus Ohlmann auch selbst erst einmal erwerben, um in Courchevel starten und landen zu dürfen. Für den Gebirgsflugplatz war es die Bergflugberechtigung, die es sinnigerweise nur für den Motorflugschein gibt. Im Segelflugschein brauchte Klaus Ohlmann den Eintrag der Startart Autoschlepp. Die Berechtigung erwarb der Bergflugspezialist im Flachen, in Reinsdorf südlich von Berlin, mit einer ebenfalls von einem Amarok gezogenen ASK 21. Es waren die ersten Testschlepps mit dem SUV. Am 380 Meter langen Seil ging es dort mit 130 bis 140 km/h Fahrtanzeige bis auf über 300 Meter. „Dank der Automatik des Amarok ging das alles sehr weich, zeigte sich Ohlmann überrascht. Ich war erstaunt, wie angenehm das ablief. Eine große Hilfe war da auch die Unterstützung der Reinsdorfer Segelflieger mit Matthias Fischer und Chrysanthi Funke als Fluglehrer und Lambert Funke als Fahrer des Kraftpakets von VW.“
In Courchevel wurde nur ein 50 Meter langes Seil genutzt. Damit war die Antares auf dem nur 120 Meter langen Plateau des Flugplatzes schon in der Luft. Eigentlich viel zu früh. Es sollte ja alles möglichst spektakulär aussehen. Klaus Ohlmann: „Man wollte dann aus dramaturgischen Gründen, dass ich auf dem abschüssigen Teil noch einmal aufdotze. Ich habe gedrückt wie ein Stier und die negativste Klappenstellung gewählt. Nur damit gelang das gewünschte Manöver. Die Antares bei der holprigen Bergablandung und dazu beim anschließenden tiefen Überflug den bremsenden Amarok intakt zu lassen, war die eigentliche Herausforderung.“ Auch für den vorausfahrenden Amarok war das nicht einfach. „Der hat aber sehr gute Bremsen.“
Der SUV-Fahrer Jean-Marc Mounier wusste als Segelflieger schon, worauf es bei diesen Stunts auch für die fliegerische Seite ankam. Und mit den abenteuerlichen Stunts am Ende der Piste begeisterte Mounier als Precision-Driver das Filmteam mehr als einmal. Mit seinen umfassenden Kenntnissen über die ausgeklügelte ESP-Technik gelang es ihm, die Elektronik zu überlisten und kurz vor dem Abgrund einen spektakulären Power-slide hinzulegen.
Über den Aufwand für diesen 90 Sekunden kurzen Werbespot lässt sich nur staunen. Für die Action war ein renommierter Hollywood-Regisseur angeheuert worden. Und gut eine Woche hat das insgesamt 40-köpfige Filmteam am Ende gebraucht, bis es die gewünschten Aufnahmen gedreht hatte. Das Filmen an verschiedenen Tagen brachte zudem eine weitere Schwierigkeit mit sich, denn die zusammengeschnittenen Szenen sollten am Ende ja kein wechselndes Himmelsbild zeigen. Das Wolkenbild sollte immer annähernd gleich sein. Da musste dann auch geflogen werden, als Courchevel im Lee lag.
Beim letzten Start in Courchevel ließ Klaus Ohlmann es sich dann nicht nehmen, das ganze Team mit mehreren Überflügen zu begeistern. Abschließend landete er ohne Motor und rollte oben auf der Plattform aus. Drei der 40 Teilnehmer des Filmteams wollen nach eigenem Bekunden jetzt das Segelfliegen lernen.
Extreme Flugplätze in Alpen und Himalaja – Durchstarten unmöglich

Wer einen Gebirgsflugplatz wie Courchevel anfliegen will, benötigt eine Bergflugberechtigung. Bei der Schulung zu dieser Berechtigung werden das Wissen um die besonderen Risiken von hoch gelegenen Flugplätzen im Gebirge und das praktische Können im Umgang mit diesen Herausforderungen vermittelt. Eine besondere Herausforderung sind schon das Abfangen und Ausschweben auf den steil ansteigenden Pisten. Noch wichtiger sind aber sehr gute Kenntnisse der Aerologie im Gebirge. Ein Anflug auf Courchevel ist bei einem schwachen Südwind von nur fünf Knoten bereits nahe am Rodeo.
Gleich gegenüber Courchevel, auf der anderen Seite des fast 3000 Meter hohen Croix de Verdon, liegt der Hochgebirgsplatz von Méribel. Seine Piste erstreckt sich parallel zum eigentlichen Bergzug über 380 Meter auf einem rund 1600 Meter hohen Buckel. Die Lage ist bei Weitem nicht so spektakulär wie die der Piste von Courchevel.
Lukla in Nepal dürfte auf der Skala der gefährlichsten, spektakulär gelegenen Flugplätze nicht zu schlagen sein. Die 520 Meter lange Piste in 2800 Metern Höhe beginnt unmittelbar in einem Steilhang oberhalb eines tief eingeschnittenen Tals, die andere Seite endet rund 100 Meter höher an einer Mauer, hinter der sich der Hang gleich weiter hochzieht. Klaus Ohlmann hatte diesen Platz als Kenner der Region natürlich auch vorgeschlagen. In Anbetracht der Kosten wurde diese Idee aber verworfen.
Dem Flugplatz Courchevel haben die Filmaufnahmen – ganz ungewöhnlich – im Sommer Hochbetrieb beschert. Saison hat der Platz im Winter. Wer dort im Sommer landet, spart sogar die Landegebühr.
aerokurier Ausgabe 11/2016