Einen ersten Erfolg hat das von Einar Enevoldson und Steve Fossett ins Leben gerufene Perlan-Projekt schon vor zehn Jahren erzielt. Die beiden Piloten stiegen in Argentinien mit einer speziell präparierten DG-500 in Wellenaufwinden bis auf 15 460 Meter und damit auf die größte im Segelflug erreichte Höhe.
Für weitere Aufstiege musste eigens ein Flugzeug gebaut werden, das in größten Höhen noch flugfähig ist: die Perlan 2. Den Druckkabinen-Doppelsitzer hat der Amerikaner Greg Cole konstruiert und in seiner Firma Windward Performance in Bend, Oregon, gebaut. Der Segler mit einer Spannweite von 25,55 Metern hat eine Gleitzahl von 43 und wurde unter Verzicht auf besondere Schnellflugleistungen speziell auf ein geringes Sinken optimiert. Klappt damit der Aufstieg bis auf 27 500 Meter Höhe, dann sind im Segelflug Höhen gemeistert, die selbst strahlgetriebene Militärflugzeuge bisher nicht geschafft haben. Das Aufklärungsflugzeug Lockheed U-2 flog 21,3 Kilometer hoch, die SR-71 hält den Rekord mit 25,9 Kilometern Höhe.

Fast wäre das Projekt mit dem Rohbau der Perlan 2 gescheitert. Das Team hatte mit dem Tod von Steve Fossett seinen wichtigsten Geldgeber verloren. Als Retter stiegen Milliardär und ISS-Weltraumtourist Dennis Tito und Airbus ein, mit deren Hilfe die sieben Millionen Dollar für das gesamte Unternehmen inklusive Flugzeug aufgebracht werden.
Im Mai machte sich Airbus-Chef Tom Enders selbst ein Bild von dem Projekt. „Der Bezug zu Airbus war klar“, sagte er bei seinem Besuch in Minden, Nevada. „Wir haben Segelflug schon als DASA und EADS gesponsert. Segelflug ist ein Schrittmacher für Leichtbau, neue Materialien wie Glas- und Kohlefaser, und hilft uns bei der Nachwuchsförderung. Wir fliegen jetzt an der Grenze zum Weltraum und überschreiten damit neue Grenzen. Wenn wir auch künftig an der Spitze mitmischen wollen bei Überschall, Hyperschall, elektrischem Fliegen und neuen Raumfahrtkonzepten, müssen wir hier dabei sein. Hier verschmelzen Technologien.“
Die Piloten erwartet ein Höllenritt in den Wellen

Airbus half mit einer höhentauglichen Spezial-Dichtungsmasse für die Einstiegsluken, einer zerstörungsfreien Werkstoffprüfung und bei der Materialauswahl.Enders ließ es sich bei seinem Kurzbesuch nicht nehmen, für einen Testflug in das Höhenflugzeug zu steigen. Sein Fazit nach dem Flug: „Ich durfte vor der Landung selber ein Stück steuern. Die Ruder sind relativ schwergängig, aber Perlan 2 reagiert genau auf Eingaben.“ Von dem Flugzeug wird sehr viel mehr gefordert, als ein normales Segelflugzeug im sportlichen Einsatz leisten kann. Die Bedingungen in 27 500 Metern Höhe sind extrem: Die Atmosphäre erreicht hier nur noch zwei Prozent der Dichte an der Erdoberfläche. Die Perlan 2 wird dort mit 81,5 km/h angezeigter Geschwindigkeit fliegen, tatsächlich aber mit einer wahren Geschwindigkeit von 555 km/h unterwegs sein.
Wellenaufwinde, die solche Höhen ermöglichen, entstehen in den jeweiligen Wintern in der Nähe der Pole. Im Bereich der Polkappen bildet sich in der kalten Jahreszeit ein besonders starkes und hoch reichendes Windsystem. Es ist die Voraussetzung für einen Aufstieg aus den von Gebirgen ausgelösten Leewellen über die Tropopause hinaus. Von Mistral und Föhn in den Alpen ausgelöste Wellenaufwinde werden hingegen an der Tropopause ausgebremst. In Verbindung mit einer schwachen Tropopause kann ein ideal ausgebildeter Polar Night Jet bis in die angepeilte Höhe mit bis zu 480 km/h blasen und Perlan 2 auf die Rekordhöhe bringen.
„Wir jagen hier nicht nach Rekorden, sondern an erster Stelle steht die Wissenschaft“, stellte Perlan-Vorstandschef Ed Warnock bei dem Besuch von Enders klar. Der Luftfahrtingenieur hat sogar ein kleines Nutzlastabteil in die Perlan 2 einbauen lassen. Messgeräte sollen die relative Feuchte, Methan und Kohlendioxid in der Atmosphäre aufzeichnen.
Geplant sind die Flüge ab August. Perlan 2 wird dann in El Calafate im Süden Argentiniens stationiert sein und das Team ständig auf Abruf bereit stehen. Die Flüge werden an die Grenzen des Machbaren für Mensch und Flugzeug führen. Die Crew fliegt mit Helm, aber nicht mehr mit den unpraktischen Raumanzügen der Perlan-1-Mission. Ihren Atemsauerstoff beziehen die Piloten in der Druckkabine von Rebreather-Geräten, die immer wieder Restsauerstoff aus der Atemluft holen. Die Außenwelt sehen sie nur durch die seitlich angeordneten, kleinen Bullaugen. Bei der Lageorientierung helfen ein künstlicher Horizont und eine Außenkamera, die ihre Bilder auf ein iPad im Cockpit überträgt.
Noch während der Vorbereitung auf die Südamerikaflüge plant das Perlan-Team bereits weiter: Atmosphärenforscherin Elizabeth Austin schätzt, dass man in Wellenaufwinden sogar bis auf 33 500 Meter Höhe steigen kann. Allerdings müsste das Segelflugzeug sich in dieser Höhe aufgrund der geringen Luftdichte mit Überschall fortbewegen. Mit einem herkömmlichen Flügel wäre das nicht machbar. „Ein transsonischer Flügel kostet uns in Entwicklung und Bau jeweils eine Million Dollar“, schätzt Ed Warnock. „Wir haben Forschungs- und Technologiezentren dafür“, sagte Tom Enders in Minden vielversprechend.
aerokurier Ausgabe 07/2016