Als ich in Düsseldorf ins Flugzeug steige, zeigt das Thermometer feuchte drei Grad. Das Internet sagt für mein Reiseziel 1500 Kilometer südwestlich angenehme 17 Grad und sogar Sonne vorher. Also, auf in den Süden nach Malaga! Von dort aus geht es mit dem Leihwagen noch einmal zwei Stunden nach Villamartin, wo die Flugschule DynamicSpirit aus Freiburg im Breisgau ihren Alternate für die deutsche Schlechtwetterperiode eingerichtet hat. Inhaber Jan Harlfinger hat hier ein Domizil gefunden, das alle Voraussetzungen fürs Überwintern bietet: gute Erreichbarkeit, im Vergleich zu Deutschland deutlich wärmer und regenärmer, völlig unkomplizierte Luftraumstruktur, keine Lärmprobleme, Unterkünfte direkt am Flugplatz.
Schon von Weitem zeigen mir zwei Tragschrauber im Platzrundenverkehr, wo ich hin muss. Dort angekommen, herrscht geschäftiger Schulungsbetrieb mit den beiden offenen MTOsport und einem geschlossenen Cavalon. Auch ein UL-Flugzeug Breezer A400 steht abflugbereit. Begrüßt werde ich von Thomas Huster, einem Deutschen, der schon seit mehr als 30 Jahren in Spanien lebt und dieses Anwesen vor vielen Jahren erworben hat. Er baute den ehemaligen Bahnhof in ein rustikales Hotel mit 25 Zimmern um und machte – als aktiver Pilot sicher nicht ganz uneigennützig – aus der Schotterpiste eine 475 Meter lange Asphaltbahn.
Am späten Nachmittag ist auch Jan Harlfinger mit seinem Flugschüler fertig, und wir verplanen die nächsten Tage, damit ich Andalusien aus der Luft kennenlerne. „Morgen fliegen wir alle mal ans Meer“, sagt er. Am nächsten Tag, nach einem ordentlichen Frühstück, machen alle vier Flugzeugbesatzungen ihre Flugvorbereitung. Wir werden in lockerer Formation fliegen, und ich bin mit dem MTOsport die Nummer zwei. Schon kurz nach dem Start fliegen wir mit Kurs 200 Grad für zehn Minuten einen Stausee entlang und erblicken dann die strahlend weiß leuchtenden Gebäude von Arcos de la Frontera. Besonders eindrucksvoll ist es, dort an der Bergabrisskante vorbeizufliegen, wo die Häuser bis an den Abgrund gebaut sind.
Weiter geht es in südwestlicher Richtung. Wir erkennen den in der Karte eingetragenen Windpark kurz vor dem Flugplatz Sidonia. Den lassen wir rechts liegen und halten direkt auf den Küstenort Conil de la Frontera zu. Das blaue Wasser und der hindernisfreie, breite Sandstrand laden ein, jetzt tiefer zu fliegen. Das ist erlaubt, wenn damit keine Gefährdung verbunden ist. Menschen winken uns immer wieder zu, während wir mit 140 Stundenkilometern der Küste in Richtung Tarifa folgen, dem südlichsten Punkt Spaniens. Kurz vorher ist wegen des Beschränkungsgebietes LER 164 aber ein kleiner Schlenker über das Meer erforderlich. Jetzt befinden wir uns gerade mal 30 Kilometer nördlich der marokkanischen Stadt Tanger, und zum Greifen nahe vor uns sehen wir den über 400 Meter hoch aufragenden Rock von Gibraltar. Abgesehen von den unglaublichen 52 Kilometern Tunnelweg im Inneren des Felsens ist besonders die Landebahn sehenswert, denn über diese führt die einzige Zufahrtsstraße zur Halbinsel. Bei Flugverkehr wird sie abgesperrt. Ein tiefer Überflug wird uns deshalb nicht genehmigt.
Also wieder zurück, Nordkurs einnehmen und zum Überfliegen der Region Cañada de la Jara kräftig steigen. Gruppen von Kondoren kreisen jetzt neben uns und nutzen an den steilen Bergwänden die heftigen Aufwinde, die uns allerdings ganz ordentlich durchschütteln. Um nicht über die höchsten Erhebungen von mehr als 2000 Metern zu müssen, umfliegen wir die hohen Berge und genießen den Blick auf die saftig grünen Hochebenen mit blauen Seen und weißen Dörfern. Nach rund 300 Kilometern und knapp drei Stunden Flugzeit landen alle Maschinen wieder sicher in Villamartin.
Gute Flugvorbereitung
Ein weiterer Tagesausflug führt nach Sevilla, das nur 70 Kilometer Luftlinie nordnordwestlich liegt. Da wir die Stadt überfliegen wollen, muss die Flugvorbereitung wegen des kontrollierten Luftraums ganz exakt sein. Nach dem Start halten wir einen Kurs von 345 Grad und kommen nach 20 Kilometern zum großen Stausee von Morón. Hier biegen wir links ab und erreichen nach wenigen Minuten auf Westkurs die Hauptverkehrsstraße N-4, die uns den Weg nach Sevilla weist. Es dauert zehn Minuten und wir erreichen die Großstadt Dos Hermanas. Jetzt wird es Zeit, mit Sevilla Tower auf 118,100 Kontakt aufzunehmen und dem Lotsen unseren Wunsch klarzumachen, die Stadt in westlicher Richtung zu überfliegen, denn die veröffentlichte VFR-Route mit 10 Grad führt von hier aus zum internationalen Flughafen Aeropuerto de Sevilla. Er hat ein Einsehen, gibt den Einflug in seine Kontrollzone frei und schickt uns in 1800 Fuß auf Kurs 310 Grad.
Bald sehen wir den Alcázar, den mittelalterlichen Königspalast, und die gotische Kathedrale, die drittgrößte der Erde. Von hier aus empfiehlt uns der Lotse, für unser nächstes Ziel, den Flugplatz La Juliana, 220 Grad einzuschlagen. Schon bald nach Verlassen der Kontrollzone erkennen wir die in Ost-West-Richtung verlaufende Asphaltbahn von LEJU. Dort sind ULs aller Art gerne gesehen, und es gibt auch ein Restaurant.
Frisch gestärkt treten wir den 70 Kilometer langen Rückflug an, müssen aber erst einmal auf etwas über 1000 Fuß steigen und für gut fünf Minuten Südkurs halten. Fast an LEJU angrenzend liegt nämlich das Beschränkungsgebiet LED 27A, das wir überfliegen müssen. Danach sinken wir wieder auf 500 Fuß, überqueren den längsten Fluss Andalusiens, den Guadalquivir, und sehen nach einer viertel Stunde schon die weiß leuchtenden Häuser von Villamartin, dem Ausgangspunkt unserer 180 Kilometer langen Rundreise.
Wenn man schon mal in Andalusien ist, muss man auch Granada besuchen. Bei meinem Aufenthalt sind die Wetterbedingungen so, dass man die 200 Kilometer lange Strecke, die auch ins Bergland führt, gut fliegen kann. Warme Kleidung ist dennoch erforderlich, weil wir gleich nach dem Start bis auf 3000 Fuß steigen müssen. Mit Kurs 80 Grad kommen wir schnell in die Berge und haben für die erste Etappe 150 Kilometer vor uns. Nach einer halben Stunde Flugzeit zeigt die Karte den Luftraum der CTR Malaga. Wir sind mehr als 50 Kilometer von Malaga entfernt, Kontakt zu Approach und zum Tower bekommen wir nicht. Unter Beachtung des Beschränkungsgebietes LER 57 erreichen wir schließlich das Städtchen Loja, das in 764 Metern Höhe einen UL-Flugplatz mit einer 285 Meter langen Graspiste hat.
Nach einer kurzen Pause geht es weiter, und wir folgen, wegen LED 109 mit einigem Abstand nach Süden, der Autobahn A-92, die direkt nach Granada führt. Rechtzeitig vor Erreichen der Kontrollzone des Aeroporto Federico Garcia Lorca rufen wir auf 118,850 den Fluglotsen und bitten nicht nur um Einflug, sondern auch um Flugführung zur Alhambra, der berühmten Stadtburg auf dem Sabikah-Hügel. Die fast 1000 Jahre alte Burganlage ist 740 Meter lang und bis zu 220 Meter breit und beeindruckt durch ihre Architektur und die weitläufigen Gartenanlagen. Doch nicht nur die historischen Festungsbauten, auch die Innenstadt von Granada mit der Kathedrale, den vielen Plazas und engen Gässchen ist absolut sehenswert.
Nach einigen Vollkreisen bringt uns der freundliche Lotse wieder auf Heimatkurs. In Loja machen wir noch einmal Pause und sind dann eine gute Stunde später wieder zu Hause in Villamartin.
In Südspanien ist es laut Klimadiagramm in den Wintermonaten tagsüber nie kälter als 15 Grad und damit 10 Grad wärmer als in Deutschland. Auch die Niederschlagsmenge liegt bei deutlich weniger als der Hälfte. Fazit: Es ist ein ideales Zielgebiet für denjenigen, der mit dem Fliegen nicht bis zum Frühjahr warten will, der sich fliegerisch weiterbilden und gleichzeitig auch noch etwas Kultur erleben möchte.
aerokurier Ausgabe 06/2016