Gute Freunde sind Gold wert. Dieser Aussage hätte der inzwischen verstorbene Carl Hirschmann mit Sicherheit zugestimmt, beruht die Gründung von Jet Aviation doch gewissermaßen auf einem Freundschaftsdienst. Die Geschichte nahm ihren Anfang im Jahr 1967. Die Inhaber der US-amerikanischen Chartergesellschaft Executive Jet Aviation hatten die Expansion nach Europa ins Auge gefasst und waren auf der Suche nach einem lokalen Wartungsbetrieb. Kompetentes Fachpersonal zu finden erwies sich als äußerst schwierig, weshalb sie Carl Hirschmann um Hilfe baten, den sie als passionierten Piloten kennen und als vertrauenswürdigen Geschäftspartner zu schätzen gelernt hatten. Er willigte ein, übernahm im November 1967 die beiden Hallen der insolventen Fluggesellschaft Globe Air am Basler Flughafen und legte den Grundstein für Jet Aviation.
Heute arbeiten am Hauptsitz in Basel 1400 Arbeiter in acht Hallen an Flugzeugen von Airbus, Boeing, Bombardier, Dassault, Embraer und Gulfstream; dank des Wide-Body-Hangars ist es seit 2008 sogar möglich, Großraumflugzeuge wie Boeing 747 und Airbus A380 zu betreuen. Grundsätzlich werden alle Arbeiten von der einfachen Reparatur bis zur kompletten Grundüberholung vor Ort durchgeführt, lediglich die komplexen Triebwerke von Airbus und Boeing werden an den Hersteller geschickt. Autorisiert sind die Wartungsarbeiten von der US-amerikanischen und der europäischen sowie 25 weiteren nationalen Luftfahrtbehörden. Sollte eine Maschine aufgrund eines Defekts unterwegs gegroundet werden – Aircraft on Ground (AOG), wie es im Fachjargon heißt –, verspricht das Unternehmen, innerhalb von zwei Stunden einen Mechaniker zu entsenden. Zum Angebot gehören aber auch Dienstleistungen wie Kaufberatungen und Werkstoffprüfungen.
So professionell und routiniert funktionierten die Arbeitsabläufe in den Anfangsjahren des Betriebs noch nicht. Elie Zelouf, der zuvor als stellvertretender technischer Direktor bei Globe Air gearbeitet hatte, unterstützte Hirschmann bei allen technischen Belangen, allerdings musste auch er sich das entsprechende Wissen zuerst durch sorgfältiges Studium von Handbüchern aneignen. Später führte er strukturierte Arbeitsprozesse ein und gab sein Wissen an andere Mechaniker weiter. 1969 expandierte das Unternehmen nach Zürich und Genf und erweiterte mit dem Flugzeugmanagement und dem Charterservice sein Angebotsspektrum, doch mit der Insolvenz von Executive Jet Aviation im darauffolgenden Jahr begann auch für Jet Aviation eine schwere Zeit. Die Zahl der in Europa betriebenen Privatjets war überschaubar, weshalb der Betrieb mit dem Roten Kreuz kooperierte. Das war jedoch weit weniger lukrativ. Erst gegen Ende der 1970er Jahre lief das Geschäft wieder an.
Innenausbau – ein gutes Geschäft
Dies war insbesondere auf die Nachfrage aus dem Nahen Osten zurückzuführen, der durch die erste Ölkrise zu neuem Reichtum gekommen war. Hirschmann erkannte, dass die Scheiche auch in ihren Jets Wert auf gehobene Ausstattung legten, und beauftragte Zelouf, den Innenraum einer Convair 880M für die Paris Air Show 1977 prunkvoll auszubauen. Die Besucher der Luftfahrtmesse waren davon derart angetan, dass Hirschmann anschließend für Demoflüge um die halbe Welt reiste.
Flugzeugausstattung – oder „completions“, wie es so schön auf Englisch heißt – ist zu einem der wichtigsten Geschäftszweige von Jet Aviation geworden. In Basel setzen sich renommierte Designer mit den Möglichkeiten der Kabinengestaltung auseinander. Ob es sich dabei um „green aircrafts“, das heißt fabrikneue Flugzeuge ohne jegliche Innenausstattung, um eine Umgestaltung oder um die Aufbereitung bereits bestehenden Interieurs handelt – jede Einheit wird individuell nach den Bedürfnissen des Kunden entworfen und vor Ort hergestellt. Um den Anforderungen der Luftfahrtbehörden gerecht zu werden, verwenden die Innenausstatter Sandwichplatten, die besonders leicht und robust sind und passgenau angefertigt werden können. Anschließend werden die Oberflächen mit Materialien wie Furnierholz oder Leder veredelt und im Flugzeug zusammengesetzt und verschraubt. Nach der Wägung werden Masse- und Schwerpunktberechnungen angestellt und ein Testflug absolviert, um die Modifizierung durch einen Vertreter der Luftfahrbehörde genehmigen zu lassen. Die Endabnahme erfolgt durch den Kunden. Erst wenn dieser zufrieden ist, können die Designer das Projekt abschließen.
Nach dem unerwarteten Erfolg der Convair 880M suchte Hirschmann Ende der 1970er Jahre nach neuen Wegen, wie er den Geschäftsleuten und deren Personal das Reisen und den Aufenthalt am Flughafen möglichst einfach und angenehm gestalten könnte. Am König-Abd-al-Aziz-Flughafen in Saudi-Arabien bot Hirschmann 1979 erstmals umfassende Abfertigungsdienstleistungen an, zu denen unter anderem das Betanken und Säubern des Flugzeugs sowie Fahrdienste und Buchungsservices für Unterkünfte gehörten. Das stieß auf so viel Zuspruch, dass er bereits in den darauffolgenden Jahren weitere Standorte in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Staaten eröffnete. Später erweiterte Jet
Aviation das Angebot um Dienstleistungen wie Flugzeugmanagement, Registrierung und Verchartern von Flugzeugen an Drittparteien sowie Unterstützung bei administrativen Angelegenheiten wie Flugplanung, Versicherung, Wartungskoordination und Kostenverwaltung. Jet Aviation expandierte kontinuierlich und entwickelte sich zu einem der führenden Dienstleistungsunternehmen in der Privat- und Geschäftsluftfahrt.
In diesem Jahr feiert das einstige Familienunternehmen, das inzwischen zum US-amerikanischen Rüstungskonzern General Dynamics gehört und weltweit 4500 Mitarbeiter an 30 Standorten beschäftigt, das 50-jährige Bestehen. Die Geschicke leitet Rob Smith, der Vorsitzende des achtköpfigen Verwaltungsrats und zudem Vorstandsmitglied der European Business Aviation Association. Als Antwort auf eine groß angelegte Kundenumfrage implementiert Smith derzeit eine Umstrukturierung, die unter dem Namen „One Jet“ lanciert wurde. One Jet soll einen einheitlichen Auftritt sicherstellen und dazu beitragen, die Zusammenarbeit der Teams zu verbessern, die Betriebseffizienz zu erhöhen und den Kundensupport auf hohem Niveau zu halten.
Im Zuge der Umstrukturierung werden sämtliche Prozesse und Systeme modernisiert und digitalisiert, sodass durch konforme
Arbeitsweisen die Zusammenarbeit auch über Ländergrenzen hinweg gewährleistet werden kann. In Basel müssen Hangar 3 und 4 einem zweiten Hangar für Großraumflugzeuge weichen, und auch die Expansion in Asien wird vorangetrieben. Alles, was dem Kunden einen Mehrwert bietet – seien es der Dienstleistungsumfang, die Wartungskapazitäten oder das Netzwerk –, wird gefördert, denn seinem Leitsatz „Personalized to Perfection“ misst das Unternehmen seit jeher höchste Bedeutung bei. Die im Firmenkodex definierten Werte Vertrauen, Ehrlichkeit, Kundennähe und Transparenz sollen dabei als Orientierungspfeiler dienen.
aerokurier Ausgabe 11/2017