Ein UL, gebaut aus Leidenschaft
Wer, bitteschön, braucht noch einen weiteren Metall-Tiefdecker am deutschen UL-Markt? Skeptiker mögen beim Ausblick auf die bevorstehende Musterzulassung der Viper SD-4 nachdenklich die Stirn in Falten legen. Doch ganz achtlos sollte man die Neue aus der Slowakei keinesfalls vorüberfliegen lassen. Bei unserem Probeflug hat dieses UL jedenfalls einen rundum ausgewogenen Eindruck hinterlassen.
Seit 2005 wird die Viper gebaut. Ihr Beiname SD-4 weist auf das nunmehr vierte Flugzeug von Konstrukteur Slavo Dobrowitsch hin. Er ist einer der drei Ingenieure bei Tomark, ein 25 Mann starker Flugzeugbauer mit Sitz im ostslowakischen Prešov. „50 Exemplare der Viper fliegen weltweit“, sagt Importeur Andreas Winkler aus Meiningen. In vielen Ländern ist das Flugzeug als UL zugelassen und startet in den USA als LSA mit 600 kg MTOW. Wer auch in Deutschland mit 600 kg fliegen mag und den PPL(A) hat, kann die Viper mit Echo-Klasse-Kennzeichen auf Basis eines Permit to fly bestellen.
Chef des Unternehmens ist das Vater-Sohn-Gespann Daniel und Daniel Tomko. Die beiden Piloten bestreiten ihr Einkommen aus ihrem 300-Mitarbeiter-Unternehmen, das als Zulieferer in der Lkw-Branche tätig ist. „Flugzeugbau ist dort ein Stück Leidenschaft, aber keine wirtschaftliche Notwendigkeit“, sagt Winkler über den Betrieb. Ideale Voraussetzungen also, um ein Flugzeug nach Maß zu bauen, frei von finanziellen Zwängen?
Im Detail gut durchdacht

Um diese Frage zu beantworten, landen wir an einem sonnigen Tag im März mit der Robin DR400 in Eisenach-Kindel, wo wir Andreas Winkler treffen. Noch fliegt seine Viper mit einer VVZ. Für die Musterzulassung muss das Flugzeug unter anderem noch die Lärmmessung und die Wägung unter Aufsicht des DAeC bestehen. Auch das Flughandbuch braucht noch den letzten Schliff.
Mit seiner weiß-roten Lackierung sticht der Tiefdecker sofort ins Auge. Zugegeben, die Leidenschaft der slowakischen Flugzeugbauer sieht man der Viper an. Das Oberflächenfinish braucht sich vor den etablierten Mitbewerbern wie Breezer oder Eurostar nicht zu verstecken. Die Nieten sind sauber gesetzt, die Lackierung wirkt hochwertig, das Design ist zeitlos elegant.
Apropos Design: Die Viper ist ein Eigengewächs von Tomark. Bei der Konstruktion habe man sich nicht an den genannten Mitbewerbern orientiert, beteuert Winkler.
Auch im Detail zeigt sich die Liebe zum Produkt. So schützt ein Kunststoffgitter die Lufteinlässe in der Cowling. Durch NACA-Einlässe gelangt die Luft in die Kabine. Das i-Tüpfelchen wären noch sparsame LED-Leuchten statt der herkömmlichen Flugzeuglichter.
Das Cockpit hinterlässt einen durchdachten Eindruck. Das rot-schwarze Interieur passt zur Lackierung. Die Pedale lassen sich am Boden einstellen. Bis zu 15 kg Gepäck dürfen die beiden Fächer hinter den Sitzen aufnehmen. Das Zusatzgewicht für Extras wie die beiden Kunststoffrollos über den Gepäckfächern können sich UL-Piloten sicherlich sparen.
Instrumente und Bedienelemente sind übersichtlich angeordnet. Der Hebel für die elektrischen Klappen ist auf der Mittelkonsole untergebracht. Direkt daneben sitzt, gut erreichbar, der Auslöser fürs Galaxy-Rettungssystem, das im vorderen Rumpfsegment eingebaut ist. Gefällig ist der aus Metall gefräste Gashebel auf der Mittelkonsole. Das Panel präsentiert sich mit AvMap-, Dynon- und Garmin-Avionik auf der Höhe des Glas-Zeitalters.
Technisch setzt Tomark Aero auf Bewährtes

Aerodynamisch und strukturell setzt Tomark auf Bewährtes. Rechteckflügel und Kastenrumpf in klassischer Metallbauweise sind die Basis des Tiefdeckers. Die Bleche werden mit CNC-Maschinen vorgefertigt und dabei teils mit dem Laser geschnitten. Composite-Teile übernehmen hier und da formgebende Aufgaben, etwa bei den Randbögen, der Cowling oder den Radschuhen. „UL- und LSA-Version sind strukturell identisch“, sagt Winkler.
Das Hauptfahrwerk baut auf einem Holzkern auf, der durch Composite-Schichten verstärkt wird. Gummigurte federn das gelenkte Bugrad.
Die mit Randbögen versehenen Rechteckflügel beherbergen in der Serie jeweils einen 35-Liter-Tank; optional lassen sich wie bei der D-MVSD auch 50-Liter-Tanks ordern. Unterhalb von 136 km/h dürfen die elektrisch betätigten Spaltklappen in den Stufen 15, 30 und 40° ausgefahren werden. Höhen- und Querruder werden über Schubstangen betätigt, das Seitenruder über Steuerseile. Für den Antrieb sorgt – wie sollte es anders sein – ein Rotax 912 S mit 100 PS. Die Basis bildet der 80-PS-Rotax.
Die Vermutung liegt also nahe, dass die Viper fliegerisch ein rundum gutmütiges UL ist. Im Rahmen der Flugerprobung (zwischenzeitlich ist die Viper zugelassen) muss ich mit dem rechten Sitz vorlieb nehmen. Ist die Haube verriegelt, bleibt noch genügend Kopffreiheit für die Besatzung. Die Rundumsicht ist, wie bei Tiefdeckern üblich, hervorragend, die Sitzposition entspannt.
Spaß beim Probeflug
Wir rollen zur Piste 10. Praktisch: Nimmt man den Gashebel zurück, liegt der Handballen fast automatisch auf dem Bremshebel für die Scheibenbremsen.
Wir starten mit der ersten Klappenstufe und verlassen die Platzrunde. Bei 150 km/h am Stau steigt die Viper mit 600 bis 700 ft/min, der Rotax dreht dabei mit 4500 U/min. In 2800 ft meldet das Außenthermometer Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Andreas Winkler übergibt mir das Steuer. Auf Anhieb liegt die Viper angenehm in der Hand. Ich trimme das Flugzeug aus, reduziere mit Rücksicht auf das VNE-Handicap die Leistung auf 4100 U/min. Mit 170 km/h geht es in dieser Konfiguration vorwärts.
Schnell ist klar: Die Viper münzt sicherlich nicht das letzte Quäntchen Motorleistung in Geschwindigkeit und Steigleistung um – das will sie auch gar nicht. Das UL möchte Spaß machen, ohne die Besatzung zu überfordern. Dass es in der Kabine dabei vergleichsweise leise bleibt, ist eine angenehme Begleiterscheinung. Das konventionelle Konzept ist in meinen Augen die richtige Wahl.
220 km/h sollen bei 4900 U/min drin sein, mit voller Leistung auch noch ein wenig mehr, lasse ich mir sagen. Werte, mit denen sich das slowakische Flugzeug nicht zu verstecken braucht.
Das Handling im Reiseflug geht in Ordnung. Ruderabstimmung und Trimmung arbeiten harmonisch. Im Langsamflug zeigt die Viper die Tendenz, nach rechts wegzukippen.
Unser Testexemplar ist sehr üppig ausgestattet und besitzt sogar eine Schleppkupplung. Die für die Zulassung geforderten 297 kg Leermasse hält Andreas Winkler aber für problemlos machbar. „303 kg sind eine realistische Leermasse für ein Kundenflugzeug.“
Zwischenzeitlich nehmen wir Kurs auf die Asphaltbahn von Eisenach. Andreas Winkler übernimmt das Steuer und setzt das Fahrwerk sanft auf den thüringischen Boden.
Guter Allrounder zum angemessenen Preis

Was ist nun von der Viper zu halten? In meinen Augen ist das Flugzeug eine Bereicherung auf dem Markt der UL-Tiefdecker. Die SD-4 gefällt mit toller Verarbeitung und gefälligem Flugverhalten. Reise, Schulung, Alltag – wie ihre Mitbewerber lässt sich auch die Slowakin vielfältig einsetzen. Flugfertig inklusive Funkgerät, motorisiert mit dem Rotax 912, kostet die Viper SD-4 rund 81.000 Euro. Damit liegt sie im Wettbewerb gut im Rennen.
Was gefällt, was nicht
+ fliegt gut
+ vorbildlich verarbeitet
+ wettbewerbsfähiger Preis
- LED-Leuchten wären effizienter
- Die hier gezeigte Ausstattung erfordert Abstriche bei der Zuladung.
aerokurier Ausgabe 06/2011